Kommentar zu Böhmermann-UrteilIst den Richtern auch nichts Vernünftiges eingefallen?

Lesezeit 2 Minuten
Böhmermann verschmitzt

Jan Böhmermann hat im „ZDF Magazin Royal“ den Schönheitswahn im Netz kritisiert.

Wer erinnert sich noch? Vor sechs Jahren stellte ZDF-Satiriker Jan Böhmermann in seiner Sendung Neo Magazin Royale ein Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor. Böhmermann leitete es mit den Worten ein: "Ich habe ein Gedicht, das heißt 'Schmähkritik'. Wenn das öffentlich aufgeführt wird - das wäre in Deutschland verboten."

Böhmermann provozierte, Erdogan reagierte

Es ging ums Ziegen ficken, Kinderpornos und Schrumpelklöten. Mit einer Sammlung pubertärer, auch rassistischer Stereotypen wollte Böhmermann angeblich dem autokratischen Sensibelchen Erdogan die wirklich berechtigten Grenzen der Meinungsfreiheit erläutern.

Erdogan regte sich dann erwartungsgemäß auf, Böhmermann landete in Hamburg vor Gericht. Am Ende wurden 18 von 24 Zeilen des Gedichts verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat nun eine Klage Böhmermanns gegen das Hamburger Urteil abgelehnt. Es bleibt also beim Dreiviertel-Verbot des Schmähgedichts.

Alles zum Thema Jan Böhmermann

Auf den ersten Blick wirkt das wie ein vernünftiger Kompromiss. Einerseits bleiben die übelsten Beleidigungen des türkischen Präsidenten verboten. Zugleich sind aber einige Verse von Böhmermanns Schmähgedicht weiter zulässsig, die man gerade noch als politische Kritik durchgehen lassen kann. Schließlich soll Satire ja durchaus bissig sein dürfen.

Gedicht nicht Vers für Vers sezieren

Dennoch ist dieser Ausgang unbefriedigend. Man kann doch ein Gedicht nicht Vers für Vers sezieren und am Ende von 24 Zeilen sechs übrig lassen. Böhmermanns Performance war ein Gesamtkunstwerk, das man entweder ganz oder gar nicht rechtlich akzeptiert. Allerdings - das muss man auch klar sehen - hätte ein Alles-oder-nichts-Urteil dann wohl zum Totalverbot geführt.

Die Sache ist vertrackt: Was macht man mit einem, der die abscheulichsten Sachen sagt - angeblich nur um zu zeigen, was in Deutschland zurecht verboten ist? Einem Filou wie Böhmermann lässt man das vielleicht noch durchgehen, vor allem wenn es einen Politiker trifft, der sich immer mehr zum Despoten entwickelt.

Doch die Justiz darf nicht nach Sympathie und Antipathie entscheiden. Sie muss Maßstäbe entwickeln, die auch dann brauchbare Ergebnisse liefern, wenn zum Beispiel ein rechter Künstler diese Methode auf den israelischen Staatschef anwendet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Um so gespannter war man, welche Lösung am Ende das Bundesverfassungsgericht findet. Aber die Heilserwartung wurde enttäuscht, das Gericht hat Böhmermanns Klage faktisch ohne Begründung abgelehnt. Ist den Richtern auch nichts Vernünftiges eingefallen? Konnten Sie sich nicht einigen? Wollten sie einen neuen diplomatischen oder kulturpolitischen Eklat vermeiden? Oder wollten sie keine Gebrauchsanweisung liefern, wie man gerade noch legal möglichst viele Beleidigungen als Machtkritik ausgeben kann?

Die Affäre ist nun beendet. Produktiv war sie nicht. Vielleicht sieht das inzwischen sogar Jan Böhmermann so.

KStA abonnieren