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Deutsche Tennis-StarsWo sich Graf und Becker ähneln – und wo unterscheiden

Lesezeit 7 Minuten
Boris Becker Steffi Graf IMAGO

Steffi Graf und Boris Becker präsentieren 1989 ihre Wimbledon-Trophäen. (Archivbild)

  • Steffi Graf und Boris Becker galten als die Stars der deutschen Tennis-Welt.
  • Beide Stars sahen sich mit Steuerskandalen oder Insolvenz-Verfahren konfrontiert.
  • Es gibt viele Parallelen – aber auch viele Unterschiede.

Berlin – Zwischen 5.30 und 6 Uhr beginnt der Tag von Steffi Graf. Sie geht mit den Hunden Blue und Yankee spazieren, trinkt Kaffee, isst Eier oder Müsli zum Frühstück, stellt die Mülleimer vor die Tür. Sie krault die Katze, die sie von ihrem Schwiegervater übernommen hat. Mit ihrem Mann Andre Agassi spielt sie Pickleball, ein Mix aus Tennis, Tischtennis und Badminton, oder sie schauen Sohn Jaden Gil beim Baseballspielen zu. Das zweite Leben von Steffi Graf, von dem sie im vergangenen Jahr der „Gala“ in einem Interview berichtet, es mutet fast spießig an. In ihrem Zuhause, sagt sie, fänden sich keine Tennispokale, keine Erinnerungen an die zusammen 30 Siege in Wimbledon, Paris, New York und Melbourne. Nur Trophäen, die die Kinder beim Baseball und Hip-Hop gewonnen haben. Steffi Graf, eine der erfolgreichsten Tennisspielerinnen aller Zeiten, hat sich für ein privates Leben in Las Vegas entschieden.

Das beste Mädchen gegen den schlechtesten Jungen: Steffi Graf gegen Boris Becker

Das war einst ganz anders, denn einst war Steffi Graf, das Wunderkind, der Deutschen Liebling. Ihr Talent wurde früh erkannt. Sie war das beste Mädchen in Baden-Württemberg. Und als solches musste sie auch gegen die Jungs spielen. Das beste Mädchen gegen den schlechtesten der fünf Jungs. Er, zwei Jahre älter und degradiert. Das Duell hieß Boris Becker gegen Steffi Graf.

Keine 15 Kilometer Luftlinie trennen Leimen, wo Boris Becker seine Kindheit und Jugend verbrachte, und Brühl, wo Steffi Graf groß wurde. Er ist einer, der alles erreichen wollte, ohne mit riesigem Talent, mit dem besten Körper gesegnet zu sein, den seine Eltern einfach machen ließen. Sie, das Kind mit der Wunderhand, für das ihr Vater seinen Job als Versicherungskaufmann und Gebrauchtwagenhändler aufgab, um die damals Neunjährige sportlich zu fördern.

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Steffi Grad und Boris Becker: Nur die Liebe zum Tennis und der Ehrgeiz verbanden sie

Boris Becker und Steffi Graf kamen aus verschiedenen Welten. Sie wurden im Scheinwerferlicht der Tennisplätze zusammen groß, aber sie waren keine Freunde. Ihre Charaktere, fast konträr. Niemals könne er so leben, sagte Boris Becker vor einigen Jahren mal über Steffi Graf. Es sind der Ehrgeiz und die Liebe zum Tennis, die die beiden verbinden.

Stefanie Maria Graf wird am 14. Juni 1969 geboren, wächst in Brühl bei Heidelberg auf. Ihr Vater Peter Graf bringt ihr sein Hobby, das Tennisspielen, bei, als sie drei Jahre alt ist. Steffi, die nie so genannt werden wollte, gewann als Fünfjährige erste Turniere, wurde mit zwölf Jahren Profi. Sie besuchte die Realschule, doch viel häufiger fand man sie auf den Tennisplätzen.

Steffi Graf, das Talent – Boris Becker, der Willige

Boris Becker ackerte und trieb seinen Körper immer weiter voran, wie die 2017 erschienene Dokumentation „Boris Becker – der Spieler“ zeigte. Er galt nicht als Talent, er wurde weniger gefördert – aber er hatte den unbedingten Willen. Er genoss die Aufmerksamkeit, das Rampenlicht, die der Individualsport mit sich brachte. Steffi Graf wollte nur Tennis spielen, schreibt das Fachportal „Tennisnet“.

1985 starteten die beiden Teenager bei Wimbledon. Er war nicht gesetzt, sie stand zuvor im Halbfinale der Australian Open. Steffi Graf schied im Achtelfinale aus. Boris Becker wurde mit 17 Jahren zum jüngsten Wimbledon-Sieger aller Zeiten. Sein Gesicht auf Titelseiten, Einladungen zum Papst, zu Prinzessin Diana, Treffen mit Bundeskanzler Helmut Kohl. Für ihn waren es Highlights, die mediale Aufmerksamkeit Lohn seiner Mühe. Für sie war es Pflicht, auch wenn sie noch heute von Tennispartien gegen Prinzessin Diana spricht – zum ersten Match kam sie zu spät, weil sie im Stau gestanden hatte.

Golden Slam 1988: das Jahr der Steffi Graf

1988 ist das Jahr der Steffi Graf: Sie holte den Grand Slam mit Siegen bei den Australian Open, French Open, US-Open und in Wimbledon, dazu Olympiagold in Seoul. Bis heute ist sie der einzige Tennisprofi der Welt mit dem Golden Slam. Ein Jahr später gewinnt Becker Wimbledon bei den Männern, Graf bei den Frauen. Ein deutscher Traum.

Boris Becker und Steffi Graf werden in Deutschland gefeiert, er in Leimen, sie in Brühl. Er wird auf dem Rathausbalkon geehrt, sie wird in einem offenen Auto durch Brühl gefahren. Sie bekommt einen Schäferhund vom Bürgermeister geschenkt und eine Büste von ihr wird im Brühler Rathaus aufgestellt, wie Fotos aus dem Archiv der „Schwetzinger Zeitung“ zeigen.

Zwei Karriereenden – und zwei Neufänge

1999 beenden beide ihre Karriere. Am 16. September 1999 ziert Steffi Graf noch einmal die Titelseiten der Boulevardpresse – ihre Beziehung zum US-amerikanischen Tennisprofi Andre Agassi wird bekannt. Am gleichen Tag landen auch Fotos von Boris Becker in der Presse, es sind die ersten Aufnahmen seines zweitgeborenen Sohnes Elias.

Für Boris Becker begann mit dem Karriereende eine zweite Karriere. Er beherrschte das Spiel mit den Medien, machte Werbung, nutzte seine Berühmtheit, spielte Poker, verdiente viel Geld, zeugte ein uneheliches Kind. Aber er machte auch fragwürdige Geschäfte. 2017 erhielt er eine Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung, 2022 wird er wegen Insovlenzverschleppung zu einer Haftstrafe verurteilt, sitzt seit Ende April im Gefängnis.

Steffi Graf: Die Öffentlichkeit bleibt ihr ein Gräuel

Steffi Graf tat das Gegenteil. Sie wünschte sich ein „leiseres und glücklicheres Leben“, wie sie dem „Focus“ verriet, wollte weniger reisen. „Es ist ja bekannt, dass ich mich auf dem Präsentierteller nie sonderlich wohlgefühlt habe. Nach dem Rücktritt habe ich ein inneres Gleichgewicht gefunden, das ich vorher nicht gekannt habe“, sagte sie.

In den ersten Jahren begleitete sie ihren Mann Andre Agassi noch zu Turnieren, dann zog sich das Paar in ihrem neuen gemeinsamen Zuhause in Las Vegas zurück. Sie kauften mehrere Häuser, alle auf einem Anwesen. Ihre Mutter und ihr Bruder lebten dort, auch Andre Agassis Vater und weitere Familienmitglieder, berichtet der „Tagesspiegel“. Nachdem viele ausgezogen sind, auch Sohn Jaden Gil, haben sie die Häuser wieder verkauft.

Heimlich und nur im Beisein ihrer Mütter heirateten Andre Agassi und Steffi Graf 2001. Die Fans waren enttäuscht, nicht einmal Fotos bekamen sie zu sehen. Agassi hatte immer für seine Steffi geschwärmt, bezeichnete sie als Göttin und sich als Fan und Verehrer. Die ruhige, besonnene Frau konnte ihn, der mit allerlei Eskapaden auf sich aufmerksam gemacht hatte, zähmen. Vergessen seine Hochzeit und die unschöne Scheidung mit Brooke Shields, die Ausraster auf dem Tennisplatz, die Gewichtsprobleme. Steffi Graf sagte, sie teilten die Vorliebe für Kunst und Literatur, für Musik und Fotografie, berichtete die „Rheinische Post“.

Gegen Steffi Graf wurde 1995 wegen Steuerhinterziehung ermittelt

Wer weiß, ob Steffi Graf sich so radikal zurückgezogen hätte, wäre da nicht ihr Steuerskandal gewesen. In den vergangenen Jahren war es Boris Becker, der mit Steuerhinterziehung, Insolvenz und Insolvenzverschleppung auf sich aufmerksam machte. Damals, 1995, war es Steffi Graf, gegen die ermittelt wurde. Die Mannheimer Staatsanwaltschaft warf ihr und ihrem Vater Peter Graf vor, Preisgelder am Fiskus vorbei auf ausländische Konten geschafft zu haben. Peter Graf, Steffis Vater, Mentor, Förderer, Manager, kam 1995 ins Gefängnis. Steffi Graf zahlte wohl einen Betrag in zweistelliger Millionenhöhe, um das Verfahren einzustellen und um die Steuerschuld zu begleichen. Steffi Graf hatte immer wieder beteuert, nichts mit ihren Finanzen zu tun gehabt zu haben.

Steffi Graf: Es gibt nur selten Einblicke in ihren Alltag Steffi Graf hat keinen Instagram-Kanal, sie macht keine Youtube-Videos, bleibt den sozialen Medien fern. Manchmal finden sich kleine Einblicke in ihren Alltag auf dem Profil ihres Mannes. Skifahren, Eishockey schauen, eine Auszeit mit den Hunden, an Karneval verkleidet als Pippi Langstrumpf.

Sie habe oft alleine auf dem Platz gestanden und sich alleingelassen in dieser Welt gefühlt, sagte Steffi Graf einst. Andre und sie hätten viel darüber gesprochen, ob sie ihren Kindern dieses Leben wünschen sollten. Doch ihre Kinder sind erwachsen und entscheiden selbst. Jaden Gil strebt eine Profi-Baseball-Karriere an. Jaz Elle posiert bauchfrei und sportlich auf Instagram.

Steffi Graf: nur für ihre Charity-Organisation in der Öffentlichkeit

Immer mal wieder ist Steffi Graf zu sehen, bei Benefizveranstaltungen ihrer Stiftung „Children for Tomorrow“ beispielsweise, mit der sie sich seit Jahren für Flüchtlings- und Kriegskinder engagiert. „Es ist mir wichtiger, die Inhalte zu transportieren, als öffentlichen Klamauk um mich zu entfachen“, sagte sie dazu dem „Focus“ vor rund 20 Jahren. Öffentlicher Klamauk, das ist heute wohl auch eine Beschreibung für das zweite Leben des Boris Becker.

Interviews gibt sie heute in der Regel nur in diesen Zusammenhängen. Selten geht es um ihr Privatleben. Im vergangenen Jahr gab es eine Ausnahme, damals, als sie mit der Gala über ihren Alltag sprach. Es wird wohl eine Ausnahme bleiben. Eine Biografie in der Familie, sagte sie mit Anspielung auf „Open“ von Andre Agassi, reiche. Steffi Graf hat die Kontrolle über ihr Leben zurück.

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