Kommentar zum Corona-HerbstDas Thema Impfpflicht gehört auf die Tagesordnung

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Eine Person wird gegen Covid-19 geimpft.

Dieser Corona-Herbst ist wie ein großes Déjà-vu – wobei ja auch schon der letzte Corona-Herbst ein großes Déjà-vu war. Wir erleben nicht nur erneut steigende Infektionszahlen, sondern auch: volle Intensivstationen, Soldaten in Gesundheitsämtern, mit dem Virus infizierte Patienten, die aus dem Ausland eingeflogen werden – und Tote in Altenheimen. Dabei ähnelt die deutsche Corona-Politik der Fahrt mit einem Karussell. Man kommt immer und immer wieder an denselben Stellen vorbei. Schwindel ist die Folge. So, wie es ist, geht es einmal mehr nicht weiter.

Die künftigen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP haben zuletzt zwar angekündigt, dass die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ zum 25. November auslaufen soll. Bis zum 20. März sollen den Ländern weniger eingriffsintensive Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsgebote oder 3G-Regeln möglich sein – der Eingriff in Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit hingegen nicht. Das wird mit dem Impffortschritt begründet. Die Ampel funktioniere, „bevor es sie gibt“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Was sie nicht sagte: Dass die Ökopartei auf ihr altes Motto „Die Infektionskurve abflachen“ zugunsten der Liberalen verzichtet.

Es gibt Fortschritte bei Impfungen

Ohnehin überzeugt die Begründung für das Ende der epidemischen Notlage nicht. Tatsächlich gibt es Fortschritte bei den Impfungen. Freilich gibt es eben auch Rückschritte bei den Inzidenzen, weil sich unverändert zu wenige Menschen impfen lassen und die Impfungen weniger verlässlich sind als erhofft. Deshalb passiert jetzt – Achtung, Déjà-vu! –, was wir ebenfalls bereits kennen: Noch bevor die Bundeseinheitlichkeit endet, beginnt die Kakophonie der Länder, zum Beispiel bei der Frage, ob eine neue Ministerpräsidentenkonferenz stattfinden soll oder nicht. So droht abermals Kontrollverlust.

Gewiss ist ein neuer Lockdown nicht wünschbar, er ist wohl auch nicht nötig. Erforderlich bleibt indes entschlossenes Handeln. Dazu gehört, dass geltende Regeln kontrolliert werden. 3G in geschlossenen Räumen wie Restaurants macht etwa bloß dann Sinn, wenn mal jemand nach Nachweisen fragt. Entschlossenes Handeln beinhaltet ferner, ein besonderes Augenmerk auf die Regionen zu richten, in denen die Impfquote besonders zu wünschen übriglässt. Dies sind neben den südostdeutschen Ländern Sachsen und Thüringen die südwestdeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg. Zumindest braucht vorerst niemand mehr im Rest der Republik schlaue Belehrungen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU); der sollte vor seiner eigenen Tür kehren.

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Dabei muss die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ fortbestehen, bis eine Vereinbarung der Ministerpräsidenten an ihre Stelle tritt. Einen Flickenteppich von Maßnahmen hatten wir lange genug. Er sorgt lediglich dafür, dass die Akzeptanz für strengere Regeln jederzeit untergraben wird durch den Verweis auf laxere Regeln an anderen Orten.

Schließlich gehört das Thema Impfpflicht auf die Tagesordnung – nicht allein für Menschen in Pflegeberufen, wo sie die Abwanderung weiterer Arbeitskräfte bedeuten würde, sondern für alle, Kinder ausgenommen. In Ländern wie Sachsen mit einer Impfquote unter 60 Prozent gibt es auch gar keinen anderen Weg – wie die dort nun geplanten umfassenden 2G-Regeln zeigen.

Der Status quo beweist: Weil sich eine Minderheit die Freiheit des Nicht-Impfens nimmt, stehen die Freiheiten der geimpften Mehrheit auf der Kippe. Und auch die Freiheit der Ungeimpften muss irgendwann beschnitten werden. Überhaupt kann Freiheit dauerhaft nur mit Verantwortung existieren. Wer das Prinzip missachtet, gefährdet sie.

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