Kommentar zur UkraineScholz' halbherziges Handeln kostet Deutschland Ansehen

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Scholz DE EU Flagge

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einer Deutschland- und einer EU-Flagge

Die Ampelkoalition fetzt sich wegen der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigt wenig Führungsstärke - und das Ausland wundert sich zu Recht: Was ist mit Deutschland los? Warum schafft es das wirtschaftsstärkste Land der EU nicht, die Bremse zu lösen? Dabei ist es angesichts der russischen Großoffensive im Osten der Ukraine wichtig, der von Scholz ausgerufenen Zeitenwende so schnell wie möglich Taten folgen zu lassen.

Mit seinem Angriffskrieg hat Wladimir Putin die Sicherheitsarchitektur in Europa gefährlich ins Wanken gebracht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sie komplett zertrümmern will. Das kann momentan nur die ukrainische Armee abwenden. Wenn die Grünen in der Ampel beklagen, dass Deutschland wegen seines Zauderns in Europa und darüber hinaus an Ansehen verliert, dann liegen sie damit zweifelsohne richtig. Halbherziges Handeln ist falsch – gerade in der dramatischen Lage, in der sich die Ukraine befindet.

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Diese Staaten haben ähnlich wie Polen, Tschechien und die Slowakei seit Jahren vor Putin gewarnt. Sie waren entweder Teil der Sowjetunion oder Satelliten Moskaus und deswegen besonders sensibilisiert. Es muss ihnen jetzt wie Hohn vorkommen, wenn sie mit ansehen müssen, wie zögerlich die Bundesregierung vorgeht.

Spätestens seit dem zweiten Tschetschenien-Krieg, der 1999 begann, hätte man auch in Berlin begreifen können, zu welchen Verbrechen das Putin-Regime in der Lage ist. Spätestens nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 aber hätte der Groschen fallen müssen.

Es ist völlig unverständlich, dass die Bundesregierung danach die Baugenehmigung für die Gaspipeline Nord Stream 2 erteilt hat. Das war ein klares Signal an Moskau, dass Deutschland im Zweifel mehr an guten Beziehungen zu Russland und Energie-Lieferungen aus Russland interessiert war als am Schicksal der Ukraine.

Diese Politik der stillschweigenden Akzeptanz russischer Gewalt haben in den vergangenen 20 Jahren alle wichtigen Parteien in Deutschland mitgetragen. Nur die Grünen nicht, wie ein früherer deutscher Botschafter in Moskau jetzt sagte. Aber die Grünen waren seit Amtsantritt Putins im Jahr 2000 die meiste Zeit in der Opposition. Sie hatten es einfach. Sie mussten den Spagat nicht machen.

Angesichts der deutschen Geschichte ist es verständlich, dass sich die Bundesregierung damit quält, schwere Waffen zu liefern. Andererseits gebietet die Geschichte auch, einem überfallenen Land die beste Chance zu geben, sich zu verteidigen.

Der Streit in der Ampelkoalition war vielleicht nötig, aber nun ist es auch gut. Er muss schleunigst beendet werden. Die Bundesregierung muss sich der Verantwortung stellen und der Ukraine auch mit schweren Waffen helfen. Die Zeit drängt. Die nächsten Wochen sind entscheidend.

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Mag sein, dass die Bundeswehr selbst nicht genügend Gerät hat, das sie liefern könnte. Es ist aber irrelevant, woher die schweren Waffen kommen. Nur schnell muss es jetzt gehen. Die Bundesregierung muss also das Geld, das sie der Ukraine für den Kauf von Waffen zur Verfügung stellen will, sofort auszahlen.

Danach werden immer noch viele Tage vergehen, bis Haubitzen und andere Waffen in der Ukraine ankommen. Nicht nur in der Ukraine, sondern auch in manchen EU-Staaten wächst der Unmut über Berlins Zögern. Deutschland wird mitunter schon mit Ungarn verglichen, weil es bei der Lieferung schwerer Waffen und einem Öl-Embargo zaudert. Solche Vergleiche sind maßlos übertrieben. Aber an ihnen lässt sich die Verzweiflung in der Ukraine messen.

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