Ein Land, das Kanzler stürzen kannDie Bedeutung der NRW-Wahlen für die Bundesrepublik

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Spitzenkandidaten aus NRW: Hendrik Wüst, Thomas Kutschaty (l), Mona Neubaur (2.v.l.), Joachim Stamp (2.v.r.) und Markus Wagner (r), stehen vor Beginn der WDR-„Wahlarena“ nebeneinander.

Der 22. Mai 2005 ist ein Tag für die Geschichtsbücher. Und damit ist noch nicht einmal das Wahlergebnis gemeint.

Seit 1966 hatte die SPD in Nordrhein-Westfalen ununterbrochen die Landesregierung geführt – erst mit der FDP, dann allein und schließlich mit den Grünen. Doch im Jahr 2005 – auf einem Höhepunkt des Unmuts über die Hartz-IV-Reformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) – war Schluss damit. Die CDU erreichte 44,8 Prozent, fast acht Punkte mehr als die SPD. Und der Christdemokrat Jürgen Rüttgers konnte gemeinsam mit der FDP die Landesregierung bilden.

Wahlabend leitete das Ende Schröders ein

Eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale kündigte SPD-Chef Franz Müntefering an, eine Neuwahl des Bundestags für den Herbst anzustreben. Kurze Zeit später bestätigte auch Bundeskanzler Schröder diesen Plan. Das Argument: Die SPD wolle den Wählerinnen und Wählern die Chance geben, über die Reformen der Agenda 2010 zu entscheiden. Der Wahlabend in NRW markiert damit den Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Schröders.

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Das, was im bevölkerungsreichsten Bundesland politisch passiert, hat immer wieder politische Rückwirkungen auch auf den Bund gehabt. Die Sozialdemokraten waren hier lange führend – aber eben nicht schon immer. In den Nachkriegsjahren regierten zumeist die Christdemokraten. Bei der Landtagswahl 1966 zog die SPD erstmals an der CDU vorbei und erreichte mit 49,5 Prozent fast eine absolute Mehrheit. Aber eben nur fast.

SPD dominierte NRW über Jahre

CDU und FDP vereinbarten damals zunächst eine Fortsetzung ihrer Koalition, die aber schon wenige Monate später platzte. SPD und FDP wählten noch im Jahr 1966 gemeinsam den Sozialdemokraten Heinz Kühn ins Amt des Ministerpräsidenten: Die sozialliberale Koalition in Düsseldorf war auch ein Vorbild für das spätere Bündnis aus SPD und FDP ab Herbst 1969 im Bund.

Es folgte eine jahrzehntelange Dominanz der SPD in NRW – eben bis 2005. Auf den Bund ließ sie sich so nicht übertragen. Johannes Rau, der an Rhein und Ruhr für die SPD mehrfach absolute Mehrheiten holte, scheiterte als Kanzlerkandidat im Bund. Mit seinem Motto „Versöhnen statt spalten“ wurde er aber später noch Bundespräsident.

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Seit dem Wahlsieg der CDU im Jahr 2005 ist Nordrhein-Westfalen das, was wir in den USA einen „Swing State“ nennen würden, also ein Land, in dem eigentlich nie sicher ist, wer die Wahl gewinnt. Die Sozialdemokratin Hannelore Kraft wurde nach der Wahl 2010 mit einer Minderheitsregierung Ministerpräsidentin. In einer vorgezogenen Neuwahl im Jahr 2012 holte sie dann die Mehrheit für Rot-Grün.

Hannelore Kraft wurde zu einer mächtigen Frau in der SPD, legte sich aber fest: „Ich will nie, nie Kanzlerkandidatin werden.“ Im Landtagswahlkampf 2017 verbat sie sich, in Verkennung der Situation, allzu viel Einmischung von der Bundespartei – und verlor die Wahl aufgrund von ihrer mäßigen Bilanz in Sachen Verkehrspolitik und Schulen.

Gegen den späteren CDU-Chef Armin Laschet, den in der nordrhein-westfälischen SPD noch bis kurz vor der Wahl kaum jemand so richtig ernstnehmen mochte. Mit der Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen war auch die Kampagne von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz endgültig geschreddert.

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