Scheinreferenden in der Ukraine beendetWie geht es jetzt weiter mit Russlands Krieg?

Lesezeit 3 Minuten
Referndum Mariupol 270922

Vermeintliche Wahl im Mariupol: Menschen geben ihre Stimme beim Scheinreferendum zum Russland-Beitritt ab.

  • Russlands Scheinreferenden in der Ukraine sind beendet, die ersten Ergebnisse bekannt.
  • Damit zeigt sich, was viele im Westen befürchtet und verurteilt hatten: Russland verleibt sich völkerrechtswidrig vier ukrainische Regionen ein.
  • Russland-Experte Gerhard Mangott erklärt, wie es nun weitergehen könnte.

Moskau/Kiew – Es ist ein perfider Plan des Kremls. Inmitten der voranschreitenden ukrainischen Gegenoffensive hat Russland in den zum Teil besetzten Gebieten Scheinreferenden abgehalten. Das Ziel: Die Annexion der Donbass-Regionen Donezk und Luhansk sowie Cherson und Saporischschja. Zweifel daran, dass dies auch so kommen wird, hat Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck nicht. „Es ist schon seit Langem klar, wie die Scheinwahlen ausgehen“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Im russischen Staatsfernsehen als demokratische Abstimmungen propagiert, hat Moskau schon vor Ende der Fake-Referenden mit einer Zustimmung von bis zu 90 Prozent gerechnet. Kurz nach Abstimmungsende am Dienstag berichteten russische Agenturen sogar von 97 Prozent. International wird das Vorgehen abgelehnt und als Verstoß gegen das internationale Völkerrecht gewertet. Die neuerlichen Sanktionsdrohungen des Westens nimmt Kremlchef Wladimir Putin allerdings maximal zur Kenntnis.

Eingliederung von Luhansk und Donezk nach Russland steht bevor

Laut Mangott wird die Eingliederung in die Russische Föderation noch diese Woche über die Bühne gehen. „Die Staatsduma hat bereits eine Sondersitzung für Donnerstag einberufen, auf der sehr wahrscheinlich die verfassungsgesetzlichen Grundlagen beschlossen werden“, berichtet der Professor für internationale Beziehungen. Noch am Freitag könnte Putin den Beitritt der vier Regionen offiziell verkünden. „Das ist im Augenblick das wahrscheinlichste Szenario.“

Neuer Inhalt (1)

Wladimir Putin im Kreml

Damit würde fortan der Rubel als offizielle Währung gelten, die Menschen russische Pässe erhalten und Russisch als Amtssprache eingeführt. „Das ist für Putin gewissermaßen schon ein Erfolg, den er nach innen vorzeigen kann“, so Mangott, der jedoch betont: „Die Annexion dieser Gebiete wird nicht diese Euphorie und patriotische Mobilisierung hervorrufen wie 2014 nach der Annexion der Krim.“ Mehr noch könnte das Vorhaben sogar gefährlich für Putin werden, sollte die Ukraine im Zuge ihrer fortsetzenden Gegenoffensive weitere Teile von Donezk und Luhansk zurückerobern. „Dann steht er unter Erklärungsdruck, warum die russische Armee nicht in der Lage ist, russisches Territorium zu verteidigen“, so der Russland-Experte. Erschwerend komme schon jetzt hinzu, dass die Ukraine bereits 40 Prozent der Region Donezk besetzt hält.

Ein Problem, das den Kreml bereits vor den zu erwartenden Annexionen zum Bewegen gezwungen hat. Putin versucht seit vergangener Woche, den Druck weiter zu erhöhen, indem er unverblümt mit der Möglichkeit eines Atomschlags droht. Der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, legte am Dienstag nach. „Wenn die Bedrohung für Russland eine festgelegte Gefahrengrenze überschreitet, müssen wir antworten“, schrieb er in seinem Telegram-Kanal.

„Kriegshetzer und Scharfmacher“

Auch wenn diese Drohungen „skandalös“ seien, betont Mangott, dass Medwedew von Kriegsbeginn an lediglich „ein Kriegshetzer und ein Scharfmacher“ sei. Schwerer gewichtet er dagegen die Aussagen des russischen Präsidenten. „Das lässt bestimmte Eskalationsrisiken möglich werden.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Mangott vermutet dahinter vor allem einen Schachzug, die westlichen Regierungen hinsichtlich ihrer weiteren Unterstützung der Ukraine zu verunsichern. Speziell Deutschland sieht er vor der Nukleardrohung einknicken. „Ich denke, dass Olaf Scholz die Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern deswegen hinauszögert.“ Laut des Experten sollte der Kanzler aber mehr die „guten Argumente“ von FDP und Grünen hören. „Wenn man jetzt einer nuklearen Bedrohung nachgibt, bedeutet das, dass solche Staaten nur damit drohen müssen, um damit durchzukommen.“

KStA abonnieren