Ukraine-Projekt Auslöser?„Katapult“-Chef tritt nach schweren Vorwürfen zurück

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Blick über die Altstadt von Greifswald.

Blick über die Altstadt von Greifswald. In Greifswald hat das „Katapult“-Magazin seinen Hauptsitz.

Unmittelbar nach Kriegsausbruch sammelte Benjamin Fredrich, Gründer des „Katapult“-Magazins, Spenden, um ukrainische Journalistinnen und Journalisten zu unterstützen. Nun erheben ehemalige ukrainische Mitarbeitende schwere Vorwürfe. Gehälter seien nicht gezahlt, Verträge nicht geschlossen worden. Flossen womöglich sogar Spendengelder in ein anderes Projekt?

Die Idee war mutig und klang genial. Einen Tag nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kündigte der Gründer des Greifswalder „Katapult“-Magazins Benjamin Fredrich einen Coup an: „Katapult“ wolle ein Newsteam aufbauen. Mit Journalistinnen und Journalisten, die aus der Ukraine berichten. 1650 Euro Gehalt pro Monat sollte es geben – für Reporterinnen, Reporter, Fotografinnen, Fotografen, Redakteurinnen und Redakteure.

Während andere Medien noch darüber diskutierten, ob und welche Journalistinnen und Journalisten man ins Kriegsgebiet schickt, ging das Aufsteigermedium aus Greifswald in die Offensive und versuchte, ortsansässige ukrainische Kolleginnen und Kollegen an Bord zu holen – mit der größtmöglichen Expertise und Kenntnis von Politik und Land.

Der Vorschlag mutete zudem noch äußerst solidarisch an: 20 ukrainische Mitarbeitende sollten ein Gehalt bekommen, um gerade in Kriegszeiten ihrem wichtigen Job nachgehen zu können. Parallel dazu startete „Katapult“ eine große Spendenaktion. 190.000 Euro gingen bereits in der ersten Woche ein. „Ihr spendet 190.000 €, wir zahlen erste Gehälter in die Ukraine“, tweetete Fredrich am 4. März 2022. Bis heute sollen 310.000 Euro auf das Konto geflossen sein.

Vorwurf: „Es ging nur um Eigen-PR“

Nun hat das Bild des uneigennützigen „Katapult“-Journalismus Risse bekommen. Die ehemalige Redaktionsleiterin von „Katapult Ukraine“, Roksana Panashchuk, und ihr damaliger Partner und Journalistenkollege Sergey Panashchuk, der in Odessa das „Katapult“-Büro aufbaute, erheben in einem Bericht des Medienmagazins „Übermedien“ schwere Vorwürfe.

Fredrich sei es nur um Eigen-PR gegangen. Er habe lediglich die Illusion einer Hilfsorganisation für ukrainische Journalistinnen und Journalisten geschaffen, mehr aber auch nicht, so der Vorwurf von Sergey Panashchuk, den er auch gegenüber der „Ostsee-Zeitung“ wiederholt. Nach einem kurzen Hype sei das Interesse Fredrichs an „Katapult Ukraine“ schnell abgeflaut. Gehälter blieben aus, Artikel ukrainischer Kolleginnen und Kollegen seien nicht veröffentlicht worden, dann wurde gekündigt.

„Ich glaube, er hat uns benutzt, um Geld zu sammeln“

„Katapult“ benennt 24 Journalistinnen und Journalisten, die im Ukraine-Projekt arbeiteten. Sergey Panashchuk sagt dagegen: „Ich kann bestätigen, dass das nicht stimmt, es gab nie so viele ukrainische Journalisten mit Verträgen“, sagt der ukrainische Journalist, den die „Ostsee-Zeitung“ in Odessa erreichte. „Er versprach mir und dem Team in Odessa ebenfalls einen Vertrag, den er aber nie unterzeichnete.“

Neben großer Enttäuschung und Kritik an den großspurigen und unerfüllten Ankündigungen stehen knallharte Vorwürfe im Raum. Roksana Panashchuk, die vor dem Krieg aus der Ukraine für internationale Medien berichtet hatte, war Anfang März nach Greifswald gekommen, um das Projekt „Katapult Ukraine“ zu leiten. Sie bezweifelt, dass die im „Transparenzbericht“ von „Katapult“ Ende März angegebenen Gehälter in Höhe von 41.000 Euro tatsächlich an ukrainische Journalistinnen und Journalisten geflossen sind. Sie selbst habe die monatlichen Finanzberichte angefertigt. In keinem Monat seien mehr als 20.000 Euro für Gehälter und Honorar für „Katapult Ukraine“ ausgegeben worden, zitiert „Übermedien“ Panashchuk.

Und sie erhebt noch einen weiteren Vorwurf. Die gesammelten Gelder könnten in den Bau der „Katapult“-Journalistenschule geflossen sein. „Ich glaube, er hat uns benutzt, um Geld zu sammeln“, so Roksana Panashchuk, die inzwischen auch wieder in der Ukraine lebt. Der „Katapult“-Transparenzbericht weist 55.000 Euro der Ukraine-Spenden für ein Geflüchtetenheim aus, das „Katapult“ in einem Trakt im Erdgeschoss der Journalistenschule errichtete.

Fredrich: Werde die operative Geschäftsführung und Chefredaktion abgeben

Offenbar wurde der Druck auf Fredrich, der vom „Medium Magazin“ Ende 2022 als bester regionaler Chefredakteur ausgezeichnet wurde, nun zu groß. „Dass ich es nicht geschafft habe, grundlegende Erwartungen zu erfüllen, und schlecht kommuniziert habe, stört mich“, schreibt Fredrich am Dienstagabend auf der „Katapult“-Seite. „Ich werde die operative Geschäftsführung sowie die Chefredaktion von ,Katapult‘ abgeben.“ Seinen Rücktritt koppelt er an eine Art Wiedergutmachungsversuch: „Ich möchte mich auf das Projekt konzentrieren, das mir besonders wichtig ist – ,Katapult Ukraine‘.“ Die Vorwürfe aber weist er zurück.

Sergey Panashchuk wünscht sich vor allem eines: Aufklärung. „Mit den 310.000 Euro, die er gesammelt hat, hätte er ein großes Team einstellen und ein ernsthaftes Projekt auf die Beine stellen können, das von Bedeutung gewesen wäre“, sagt der Journalist gegenüber der „Ostsee-Zeitung“. Fredrich sei nie daran interessiert gewesen, es weiterzuentwickeln. „Ich hoffe, dass es eine Untersuchung geben wird und wir die Antworten bekommen werden.“ Er überlegt, Anzeige zu erstatten.

Fredrich: „Mein Bedürfnis zu helfen, war und ist aufrichtig“

Fredrich, der vor acht Jahren das „Katapult“-Magazin aus der Taufe hob und es zu einer deutschlandweiten Marke machte, ist für seine Alleingänge bekannt. Manche sprechen von „narzisstisch anmutenden Übersprungshandlungen“. So stieß auch seine Idee, quasi über Nacht eine Ukraine-Redaktion ins Leben zu rufen, innerhalb „Katapults“ auf Widerstände. „,Katapult‘-Mitarbeitende verzichten auf 50 % Gehalt und stellen 20 Mitarbeitende aus der Ukraine ein“, postete Fredrich am 26. Februar. „Umso mehr verzichten, umso stärker wird unsere Ukraine-Berichterstattung, weil wir vor Ort sein werden!“

Unter den Greifswalder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe der Vorstoß für kontroverse Diskussionen gesorgt, weil sie sich unter Druck gefühlt hätten, berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter. Bei einem Gehalt von 3300 Euro brutto sei es einigen Kollegen schwergefallen, freiwillig zu verzichten. Nun will sich Fredrich ganz auf „Katapult Ukraine“ konzentrieren. „Mein Bedürfnis zu helfen, etwas beizutragen, war und ist aufrichtig.“ Er wolle seine Kraft „komplett“ in das Ukraine-Projekt stecken. (RND)

Text: Martina Rathke via „Redaktions-Netzwerk Deutschland“

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