Analyse zum 1. FC KölnDer Verein steht mal wieder vor dem Abgrund

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FC mach et jot

Ein Banner am Trainingsgelände des 1. FC Köln verabschiedet Gäste und Besucher.

Köln – Die Mitglieder des FC-Fanklubs „Hätzbloot Vürjebirch“ blicken auf einige Tradition zurück, seit mehr als 15 Jahren bereits sind die Freunde des 1. FC Köln aus Bornheim organisiert, fahren zu den Heimspielen und pflegen die intensive Auseinandersetzung mit ihrem Herzensverein. Am Montag war dann für eine Abordnung der Bornheimer eine Rote Linie überschritten, sie gingen in die Offensive: Gegen 10 Uhr erschienen mehrere Herren auf dem Parkplatz am Geißbockheim, auf dem sich bereits die beim 1. FC Köln krisenübliche Kulisse aus Übertragungswagen, Kamerateams und Reportern formiert hatte. Einer der Herren entrollte eine bedruckte rote Plane; jemand holte Kabelbinder hervor und befestigte eine Botschaft am Zaun vor Trainingsplatz: „FC spürbar planlos – Vorstand und Sportliche Leitung raus!“, stand da zu lesen.

FC trennt sich von Gisdol nach Niederlage im Kellerduell

Am Abend zuvor hatte der 1. FC Köln nach dem 2:3 im Kellerduell mit Mainz 05 Trainer Markus Gisdol von seiner Aufgabe entbunden. Nun wollten die Fans aus dem Vorgebirge mitteilen, dass es aus ihrer Sicht damit längst nicht getan sein würde.

Das Präsidium solle auch gehen und Manager Horst Heldt gleich mit. Dass nur die Funktionen genannt wurden und keine Namen, könnte sich allerdings noch als kluger Zug erweisen: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte könnte es gut sein, dass es weitere Gelegenheiten geben wird, die Ablösung handelnder Personen am Geißbockheim zu fordern. Das Transparent der Bornheimer ist also absolut zukunftsfähig.

Alles zum Thema Peter Stöger

Keine Kaffeekränzchen

Die Fanklub-Gesandten verließen das Geißbockheim wenig später mit dem Hinweis auf anderweitige Verpflichtungen. Ihr Transparent ließen sie zurück, und als gegen Mittag ein Mitarbeiter der FC-Geschäftsstelle die Botschaft entdeckte, beschloss der, zunächst nichts zu unternehmen, freie Meinungsäußerung.

Horst Heldt wählte später einen ähnlichen Umgang. „Das gehört dazu, dass man in der Kritik steht. Dem stelle ich mich, damit muss man lernen, umzugehen“, sagte der Kölner Sportchef, der schwer angeschlagen wirkte nach den aufwühlenden Stunden und der Trennung vom Trainer, der ihm vor zehn Monaten noch den Klassenerhalt beschert hatte. Die Zusammenarbeit mit dem Vorstand finde statt, ließ Heldt wissen. „Wir tauschen uns sehr intensiv aus, da finden keine Kaffeekränzchen statt. Es wird upgedatet, aber auch diskutiert. Da können Sie sich sicher sein, dass wir die jeweiligen Aufgaben richtig interpretieren.“

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Die Tendenz seitens der Fans, die handelnden Personen beim 1. FC Köln zum Gehen aufzufordern, hat im Umfeld des 1. FC Köln eine gewisse Tradition. Ebenfalls hat sich eingebürgert, dass Funktionsträger auch in der schlimmsten Krise stets erklären, man dürfe sicher sein, dass jeder seine Aufgabe schon richtig erledige. Das hat zu viel Verdruss, wenig Vertrauen und einer Ära von nun fast 30 überwiegend erfolglosen Jahren geführt.

Friedhelm Funkel etwa, der neue Kölner Trainer, kehrte am Montag auf den Posten zurück, von dem er im Oktober vor siebzehneinhalb Jahren entfernt worden war. Dazwischen hat der 1. FC Köln 14 Trainer beschäftigt, wer also am Geißbockheim unterschreibt, muss damit rechnen, seinen Job nach 15 Monaten wieder los zu sein.

Letzte Kontinuität mit Peter Stöger als Trainer

Etwas Kontinuität auf der Trainerposition gab es beim FC zuletzt in der Ära Peter Stöger, viereinhalb Jahre blieb der Kölner Rekordtrainer, es war ein stabiles Zeitalter am Geißbockheim: Manager Jörg Schmadtke, Präsident Werner Spinner und eben Stöger definierten deutlich, wo beim 1. FC Köln die Macht lag. Es ist keine große Überraschung, dass in diese Phase der größte Erfolg der vergangenen 25 Jahre fiel, die Qualifikation für die Europa League in der Saison im Mai 2017.

Doch auch dieser Erfolg führte ins Desaster, als Manager und Trainer erst aneinandergerieten und dann auseinanderdrifteten und der Vorstand den Augenblick zum Einschreiten verpasste. Werner Spinner zog sich zurück, seine Nachfolger bekamen die Dinge nicht mehr unter Kontrolle. Der Wechsel zum Präsidium Werner Wolf verlief unter bitteren Umständen, was nichts Neues ist beim 1. FC Köln und womöglich eine Erklärung dafür ist, dass der Traditionsverein auf dem Weg durch die Jahrzehnte so vieles verloren hat, was einmal seine Stärke war: Schon Dietmar Artzinger-Bolten übergab zu Beginn der Neunzigerjahre einen finanziell angeschlagenen Verein an seinen Nachfolger Klaus Hartmann.

Als Albert Caspers 1997 übernahm, war der 1. FC Köln zwar finanziell gesundet, sportlich aber längst in Not. Caspers sanierte den Verein zwar. Doch der sportliche Misserfolg sorgte dafür, dass die Rufe nach den Helden der Vergangenheit zu laut wurden. Caspers wurde aus dem Verein getrieben, Wolfgang Overath übernahm, und er 2011 den Mitgliedern ihren Verein vor die Füße warf, war der FC sportlich wie finanziell am Boden.

Die Brücken sind abgebrochen

Zunächst fand sich niemand mehr, der noch bereit war, das Amt zu übernehmen. Dann führte Werner Spinner den Verein durch ein tiefes Tal, bewies Gespür bei der Personalauswahl und hätte wohl den Weg in eine bessere Zukunft ebnen können, wären nicht der sportliche Absturz dazwischengekommen, gesundheitliche Probleme und das Betragen seiner Vizepräsidenten. Auch der aktuelle Vorstand kam nicht im Rahmen einer geordneten Übergabe ins Amt. Und obwohl Werner Wolf am Ende sicher ins Amt gewählt wurde, dauerte es nur 100 Tage, bis sein Vizepräsident Jürgen Sieger bereits wieder aufgab.

Die personellen Brücken in die erfolgreiche Vergangenheit sind also derart marode geworden, dass sie längst nicht mehr passierbar sind, damit passt der FC gut in die Stadt, in der er beheimatet ist. Im Verein herrscht ein ständiges Gegeneinander: Engagierte Mitglieder gegen ehemalige Meisterspieler, Ex-Geschäftsführer Veh prägte den Begriff von den „Vollamateuren“. Die sportliche Kompetenz, deren Fehlen den Vorständen in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen wurde, führte unter Wolfgang Overath derart nachhaltig nicht zum Erfolg, dass mittlerweile ein tiefer Riss durch den Verein geht. Der Abschied von Torwartlegende Toni Schumacher aus dem Präsidium im Herbst 2019 verstärkte den Eindruck noch. Mittlerweile traut man einander nicht mehr.

Das ist mittlerweile Teil der Kölner Vereinskultur, und daran dürfte sich auch nichts ändern, wenn nun Vorstand und Sportliche Leitung zurückträten, bei allem Ärger über die sportliche Lage.

Denn schon bald müsste man also neue Rücktritte fordern. Die Fans von Hätzbloot Vürjebirch wären jedenfalls vorbereitet.

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