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1. FC Köln gegen Borussia MönchengladbachDas Derby 2011 als Wendepunkt

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Derby im April 2011: Gladbachs junger Torwart ter Stegen und Dante (l.) sind soeben vor Kölns Geromel am Ball. Im Hintergrund schauen (v.l.) Jantschke, Novakovic, Lanig, Stranzl und Daems eher unbeteiligt zu. Borussia gewann mit 5:1.

Köln/Mönchengladbach – Rund elf Monaten ist es her, da wurde das rheinische Derby aufgrund der Corona-Pandemie zum ersten Geisterspiel der Bundesliga. Borussia Mönchengladbach bezwang am 11. März 2020 den 1. FC Köln eher glücklich mit 2:1, Mark Uth vergab in der Nachspielzeit die große Chance zum Ausgleich. Hunderte Borussia-Fans feierten im Anschluss hinter der Nordtribüne den Derbysieg. Aus heutiger Sicht war das fast wie ein letztes, kleines Fan-Aufbäumen vor einer freudlosen Zeit mit permanent leeren Stadien.

Damals endete auch ein kurzer Kölner Höhenflug. Seitdem gewann der FC nur vier von 29 Bundesligaspielen, blieb zwischenzeitlich  sogar 18 Partien in Folge ohne Sieg. Und auch der Traum von einem sportlichen Ausrufezeichen im Pokal ist seit der unfassbaren Niederlage am vergangenen Mittwoch bei Zweitligist Regensburg mal wieder geplatzt.

Auch neben dem Platz läuft vieles schief: Nach der Blamage um die Auswahl und Einstellung eines neuen Mediendirektors, der eigentlich ein banaler Vorgang ist, werden die bestehenden Gräben im Verein nur noch deutlicher. Von einem harmonischen Miteinander ist der FC so weit entfernt wie die Mannschaft von einem Titel. Der sportliche Existenzkampf in der Dauerschleife zermürbt  fast alle, finanziell lebt der Klub ohnehin von der Hand in den Mund.

Borussia tanzt weiter auf drei Hochzeiten

Bei Borussia ist das anders. Zwar lief in der Bundesliga auch nicht alles rund. Doch mit 32 Punkten (und damit 14 mehr als der FC) ist sie absolut im Soll und hat im Kampf um die internationalen Plätze  alle Chancen. Im Pokal zog die Fohlenelf durch einen 2:1-Sieg in Stuttgart ins Viertelfinale ein. Und dann freut sich Borussia trotz der Einreise-Beschränkungen in Corona-Zeiten auf das englische Topteam Manchester City als Gegner im Achtelfinale der Champions League.

Seit diesem Geisterspiel vor fast einem Jahr haben sich die Wege der Erzrivalen noch weiter getrennt. Doch der große Wendepunkt war wohl der 10. April 2011. Bis dahin fristeten beide Vereine für eine ganze Weile ein Dasein zwischen erster und zweiter Liga. Der FC hätte an diesem Tag im Derby die in den Seilen hängende, abgeschlagene Borussia den K.o. versetzen können. Doch Gladbach unter dem damals neuen Trainer Lucien Favre und erstmals mit dem  jungen Marc-Andre ter Stegen im Tor fertigte den FC daheim mit 5:1 ab. Und schaffte später sensationell den Klassenerhalt über die Relegation. In der Folgesaison stieg Köln ab, die Borussia stürmte in die Champions-League-Qualifikation. Die Klubs entwickelten sich gegensätzlich. Besonders schmerzhaft ist das für die Kölner, weil sie dem Rivalen quasi beim Wachsen zuschauen konnten.

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Es hat seine Gründe, warum es am Rhein und Niederrhein so kam, wie es eben kam. Ein Grund ist in der Führung beider Klubs zu suchen. Konstanz ist der Schlüsselbegriff bei Borussia: Der 79-jährige Präsident Rolf Königs, ein Wirtschaftsmagnat aus der Textilindustrie, ist seit fast 17 Jahren im Amt. Mit seinen Stellvertretern Rainer Bonhof und Siegfried Söllner sowie Präsidiumsmitglied Hans Meyer arbeitet Königs seit vielen Jahren eng zusammen. Der 1. FC Köln hatte seit 2004 vier Präsidenten (Albert Caspers, Wolfgang Overath, Werner Spinner, Werner Wolf) mit zahlreichen Vizepräsidenten. Eine Konstante sind beim VfL auch Geschäftsführer Stephan Schippers und Mediendirektor Markus Aretz, beide seit 1999 bei Borussia tätig.

Konstanz in der Führung, Eberl als Glücksgriff

Als absoluter Glücksgriff erwies sich, dass 2008 Borussias Ex-Profi Max Eberl den Posten des Sportdirektors übernahm.  Wohl kaum ein Bundesliga-Manager hatte in den vergangenen Jahren ein derart gutes Händchen auf dem Transfermarkt und bei der Auswahl der Trainer. Vor seiner einmonatigen Auszeit  hatte Eberl bei Borussia bis 2026 verlängert. Seit dieser im Amt ist, hatte Köln mit Michael Meier, Jörg Schmadtke, Armin Veh und aktuell Horst Heldt vier Manager.

Fundament der Gladbacher Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre ist der Borussia-Park, der seit der Einweihung des neuen, vereinseigenen Stadions im Juli 2004 kontinuierlich wuchs und ergänzt wurde. Man muss die Lage auf dem früheren Areal der britischen Rheinarmee nicht schön finden, doch die clevere Borussia konnte sich  zwischen den Stadtteilen Holt und Rheindahlen fast nach Herzenslust austoben und seine Pläne und Träume verwirklichen.

Borussia-Park als Fundament für den Erfolg

Entstanden ist auf dem 264.000 Quadratmeter großen Grundstück neben dem Stadion einiges: Verwaltungsgebäude, Reha-Zentrum, Sportsbar, Biergarten und ein zehn Hektar großes Trainingsgelände. Das Nachwuchsleistungszentrum verfügt mit dem „Fohlen-Statt“ (Internat) und dem „Campus“ über optimale Bedingungen. Im Februar 2019 eröffnete das Schmuckkästchen „Borussia 8 Grad“ (Vier-Sterne-Hotel, Erlebniswelt und großer Fanshop). Dafür wurden rund 31 Millionen Euro (zehn Millionen Euro  Eigenkapital plus Darlehen) in die Hand genommen. Das Stadion wird mit vier Millionen Euro im Jahr getilgt und soll 2029 abbezahlt sein.

Da kann der Kölner neidisch werden. Denn in Nicht-Corona-Zeiten muss der FC jährlich 7,9 Millionen Euro Pacht und 1,5 Millionen Euro Betriebskosten an die Kölner Sportstätten bezahlen. Die geplante Erweiterung des Geißbockheims entwickelt sich wegen der Klagen der Ausbaugegner und des fehlenden Pachtvertrags zur Never-Ending-Story. Da mag das  Gelände am Grüngürtel noch so idyllisch und geschichtsträchtig sein, zukunftsweisend ist es nicht.

113.690 Mitglieder stehen trotzdem zum FC

Doch es gibt ein Pfund, mit dem 1. FC Köln immer noch wuchern kann: Das sind die (Stand 5. Februar) 113.690 Mitglieder und damit fast 20.000 mehr als Gladbach. Und diese haben ganz viel Leidenschaft, die Leiden schafft. Die Fans gehen mit ihrem Klub „Durch et Füer.“