FC-Kolumne DauerkarteBaumgarts Bauchgefühl, Uths Überzeugung – und der Schwung des Derbysiegs

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Steffen Baumgart bereitet derzeit Mark Uths Bundesliga-Comeback nach mehr als einem Jahr Verletzungspause vor.

Steffen Baumgart bereitet derzeit Mark Uths Bundesliga-Comeback nach mehr als einem Jahr Verletzungspause vor.

Mit dem Schwung des Derbysiegs gegen Mönchengladbach reist der 1. FC Köln zum Spiel bei Spitzenklub RB Leipzig.

Einmal in seiner Geschichte hat der 1. FC Köln bei RB Leipzig gewonnen, und selbstverständlich war ich nicht dabei. Dennoch erinnere ich mich gut daran. Während der FC nämlich im Februar 2018 in der Red-Bull-Arena gastierte und nach einem 0:1-Rückstand zur Pause noch durch Vincent Koziello sowie Leo Bittencourt noch ein 2:2 holte, saß ich im Flugzeug auf dem Weg nach Ecuador.

Nach der Landung besorgte ich mir noch vor der Gepäckausgabe an einem der kleinen Stände in der Ankunftshalle des Flughafens Mariscal Sucre zu Quito eine Simkarte und ließ sie gleich vom Verkäufer einsetzen. Der wunderte sich sehr, als das Telefon Netz fand – und auf einen Schlag etwa 5000 Nachrichten eingingen, in denen überwiegend die Kölner Heldentat in Leipzig gefeiert wurde. Sieben Punkte stand der FC damals nach jenem 24. Spieltag der unheilvollen Saison 2017/18 noch hinter dem Relegationsplatz, ein letztes Mal keimte so etwas wie Hoffnung auf. Doch wir alle wissen, was daraus wurde. Herzlich wenig.

Es war ein ereignisreicher Sporttag, spielte doch an jenem 25. Februar auch die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft das olympische Finale in Südkorea. Das ich nicht zu Ende anschauen konnte, da mitten in der Verlängerung eine Flugbegleiterin der Ansicht war, das Flugzeug müsse nun aber wirklich starten und man werde Maßnahmen ergreifen, wäre ich weiterhin nicht bereit, mein Telefon auszuschalten.

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Außer an jenem glorreichen Februartag war ich zwar schon ziemlich oft im Leipziger Stadion, zum Beispiel zum Spiel um Platz 3 beim Confederations Cup 2005, als Deutschland gegen Mexiko 4:3 nach Verlängerung gewann (Tore durch Podolski, Schweinsteiger, Huth und Ballack, was für Zeiten). Nie könnte ich diesen Abend vergessen, denn auf der nächtlichen Heimfahrt in Richtung Köln nach fordernden Wochen mit der Nationalmannschaft ereilte mein damaliges Auto irgendwo in Nordhessen das Aus. Motorschaden, ärgerlich.

Im vergangenen August gelang dem FC in Leipzig ein 2:2 in einem herausragenden Spiel. Großer Kampf, verdienter Punkt. Nach dem 3:1-Auftaktsieg gegen Schalke war mit dem Remis in Leipzig der Saisonstart gelungen. In dieser Saison hatte der FC größere Schwierigkeiten, aus den Startlöchern zu kommen.

Mit Schwung und ein wenige Gelassenheit nach Leipzig

Das 3:1 am vergangenen Sonntag über Borussia Mönchengladbach war jedenfalls nicht nur aus Prinzip wichtig. Mit nun vier Punkten fahren Steffen Baumgart und seine Mannschaft heute Nachmittag deutlich gelassener nach Leipzig als mit nur einem. Ein 2:2 bei RB nach einem 3:1-Heimsieg in der Woche zuvor würden die Kölner wohl gern erneut nehmen. Aber es wird schwierig, wenngleich Leipzig am Mittwoch gegen Roter Stern Belgrad nicht komplett überzeugte. „Leipzig hat Spieler verloren, aber hat auch keine Blinden dazubekommen. Sie sind sehr stark im Umschaltspiel. Haben hohes Tempo. Über die individuelle Klasse müssen wir gar nicht erst reden. Wir versuchen, nicht früh in Rückstand zu geraten und dann unsere Chance zu suchen“, sagte Steffen Baumgart.

Leipzig hat Spieler verloren, aber hat auch keine Blinden dazubekommen
FC-Trainer Steffen Baumgart über den nächsten Gegner

Für den FC könnte die Saison nun noch einmal neu beginnen. Am vergangenen Freitag traf ich Mark Uth im Geißbockheim und war beeindruckt von seiner Zuversicht. Das Unverwüstliche, das ihm durch eine einjährige Verletzung voller Rückschläge geholfen hat, ist nicht gespielt, sondern gehört zu seiner Persönlichkeit. Er gab mir damit das Gefühl, dass ein derart erfahrener Spieler die Autoritätslücke füllen helfen könnte, die Jonas Hector hinterlassen hat. Als wir über die Tabellensituation sprachen, blieb er freundlich-einsilbig. Für ihn gab es schlicht kaum ein Wort darüber zu verlieren. Die Mannschaft sei zu gut für Platz 18 und werde da bald rauskommen, fertig. Und der FC ist ja mittlerweile tatsächlich schon auf den Relegationsrang gesprungen.

Als gebürtiger Kölner hätte Uth gern im Derby sein Comeback gegeben, und Steffen Baumgart hätte ihn auch gern gebracht. Doch das Spiel lief einerseits so gut und war andererseits so eng, dass der Trainer nicht ohne Not wechseln wollte. So entschied er sich, den sehr aktiven Luca Waldschmidt auf dem Platz zu lassen, um den Fluss nicht zu stören.

Luca Waldschmidt zeigte sich gegen Borussia Mönchengladbach enorm kampfstark.

Luca Waldschmidt zeigte sich gegen Borussia Mönchengladbach enorm kampfstark.

Dass Waldschmidt dann mit dem letzten seiner acht Torschüsse des Spiels das 3:1 erzielte, war nicht nur eine schöne Geschichte für den Offensivzugang dieses Sommers. Sondern bestätigte auch das weiterhin gut funktionierende Bauchgefühl des Kölner Trainers.

Am Samstagabend wird es dann enorm schwierig, doch womöglich hilft der Schwung des Derbys, und vielleicht sind die Leipziger nach der Champions-League-Verpflichtung dieser Woche noch nicht wieder in der Stimmung, sich einer kampfstarken Kölner Mannschaft in letzter Konsequenz entgegenzustellen.

Ich werde jedenfalls nach Leipzig fahren, falls die Deutsche Bahn mich lässt. Stand jetzt, Samstagmorgen, gebe ich mir eine Chance von ungefähr fifty-fifty. Immerhin bin ich früh genug von zu Hause los. Ecuador wäre auch mal wieder schön, dort funktionieren die Verkehrswege übrigens auch nicht schlechter als hierzulande. Aber das kann ich leider nicht einrichten.


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