1. FC Köln nach der RettungGisdols emotionale Bilanz

Lesezeit 4 Minuten
danketribüne

Die Spieler des 1. FC Köln verabschieden sich von der leeren Südtribüne aus dieser Saison.

Köln – Dem Fußball ist das Unmittelbare derzeit ein wenig verloren gegangen. Die Reporter im Stadion etwa können derzeit nach den Spielen nur per  Videokonferenz mit den Trainern in Kontakt  treten. Wer eine Frage stellen möchte, schreibt das zuvor in das Feld mit den Textkommentaren und wird dann von der Pressesprecherin drangenommen. In diesem Textfeld tauchte am Samstag nach dem Kölner 1:1 gegen Eintracht Frankfurt neben den Nachrichten der Reporter eine Meldung von Hannes Dold auf, dem Chef-Videoanalysten des FC, der bislang bei Pressekonferenzen eher nicht anzutreffen ist. „Frage von Frank Kaspari: Wann ist Abfahrt?“, tauchte dort unter Dolds Namen auf, und dann: „Warum hat der Trainer ein nasses T-Shirt?“

Der Assistent fragt nach

Frank Kaspari ist Markus Gisdols Assistenztrainer, der offenbar wissen wollte, wann wohl der ausgelassenere Teil des Tages losgehen könne. Der Hinweis auf den nassen Trainer war schwieriger zu verstehen. Denn Markus Gisdol trug Schwarz, wirklich nass sah er nicht aus auf dem Videobild. Doch tatsächlich hatte er offenbar gleich nach dem Schlusspfiff ein Bad in der Eistonne genommen und damit ein Versprechen eingelöst, das er für den Fall des Kölner Klassenerhalts gegeben hatte.

Jubel vor leerer Tribüne

Man musste sich also zusammenreimen, wie ausgelassen der Umgang mit dem Erfolg ausfiel. Die Mannschaft hatte sich mit  einer Welle vor den leeren Stufen der Südtribüne aus dieser Saison verabschiedet, gezeichnet von der Last der vergangenen Monate.

Sturz ins Bodenlose

Der FC war zunächst ins Bodenlose gestürzt, hatte dann Trainer und Sportchef gewechselt und anschließend die sportliche Wende geschafft, um in die Corona-Pause geschickt zu werden, als die Dinge zu funktionieren begannen. An diese Abfolge erinnerte Markus Gisdol, als er zurückblickte. „Heute überlagert die Zielerreichung alles. Uns und unserer Mannschaft ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen“, sagte er.

gisdol_eintracht

Markus Gisdol während der Partie gegen Frankfurt 

Zwar hatte sich der Verein zuletzt an den Gedanken gewöhnen dürfen, den Verbleib in der Liga früher oder später sicher zu erreichen. Doch wies Gisdol auch darauf hin, dass die Stunde null nicht lang her ist. „Vor sechs Monaten war hier eigentlich alles erledigt. Doch dann haben wir uns herausgekämpft. Das hat Energie gekostet, die haben wir dann im Mai und Juni nicht mehr zu 100 Prozent auf den Platz bringen können“, sagte Gisdol.

Das könnte Sie auch interessieren:

Der 50-Jährige ist keine allzu öffentliche Person. Er entzieht sich gern, meldet sich außerhalb der Pressekonferenzen kaum zu Wort. Umso bemerkenswerter waren seine Aussagen, als er und die Kölner Mannschaft am Samstag im Ziel waren. Da berichtete Gisdol von „bewegenden Momenten“ im Dezember, als der FC verzweifelt versuchte, den Boden zu finden. „Da waren wir an einem Analysepunkt, an dem du sagst: Okay, jetzt stellen wir alles auf null. Wir machen einen Strich drunter. Wir wussten, wie wir trainieren und welche Art Fußball wir spielen wollten. Und dass wir vor allem einen Teamgeist entwickeln wollen. Wir haben viel investiert, auch die Spieler. Und dann hast du das alles am Laufen und es funktioniert. Und dann kommt so ein Corona. Und nimmt dir den Teamgeist.“

Die Pause habe seine Mannschaft schwer getroffen. Sein Team sei „zerlegt“ worden, beschrieb Gisdol: „Du darfst dir nicht mehr gegenüber sitzen, musst mit einer Maske rumrennen und kannst niemanden mehr anfassen. Ganz, ganz eigenartig, und das hat uns mehr gekostet als jede andere Mannschaft der Liga. Weil wir sehr eng waren und sehr vom Teamgeist gelebt haben.“

Schwäche nach der Pause

Nach der Pause war der FC in eine Abwärtsbewegung geraten, es begann schon im ersten Spiel, als Köln gegen Mainz eine 2:0-Führung aus der Hand gab und noch unentschieden spielte. „Dann kommt ein zum andern, und dann spürst du, was die Corona-Phase mit dir gemacht hat. Wir wussten gar nicht mehr: Dieser unsichtbare Gegner – was macht der mit dir und der Mannschaft?“

Bewegter Trainer

Es habe auch ihn persönlich Substanz gekostet, sagte Gisdol sichtlich bewegt. „Mir war immer klar, was die Mannschaft geleistet hat und was die Jungs investiert haben. Auch wenn die letzten Ergebnisse nicht so ideal waren, war die Mannschaft immer stabil. Jeder hat alles reingeworfen.“ Was Gisdol offenbar meinte: Es war zwar am Ende nicht mehr viel Energie da. Doch die sei stets zu 100 Prozent eingesetzt worden.

Die Rettung habe einen „unglaublich hohen Stellenwert“ in seiner persönlichen Vita. „Ich wurde hier mit etwas Skepsis empfangen, allerdings nie von den handelnden Personen oder der Mannschaft“, sagte er, und dennoch: „Wenn man alles zusammen bewertet, sind wir super-happy, dass wir durchgekommen sind. Wir spielen in der nächsten Saison wieder Erste Bundesliga. Das ist die beste Nachricht für Köln.“

KStA abonnieren