Nach dem 1:1 gegen Regensburg geht beim 1. FC Köln die Angst um – Krisensitzung bis in den Abend
Nach Remis gegen RegensburgKeller und Struber müssen gehen, Mannschaft ist informiert

Sportchef Christian Keller und Trainer Gerhard Struber am Samstagabend nach dem Spiel gegen Regensburg.
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Am Sonntag erhielt Christian Keller eine Vorladung seiner Chefs, um die Lage zu erörtern. Der Klubvorstand musste sich nach den allzu forschen Aussagen seines Geschäftsführers herausgefordert gefühlt haben und bestand auf einer tieferen Erläuterung. Die Lage war so: Im Vorstand selbst gab es zunächst noch eine Mehrheit für Keller, wenngleich diese längst bröckelte.
Im Gemeinsamen Ausschuss (GA), in dem neben den drei Vorständen noch die Vorsitzenden von Mitgliederrat, Beirat und Aufsichtsrat sitzen, stand es dagegen bereits gegen Keller – und damit auch gegen Struber. Äußern wollte sich der Klub dazu zunächst nicht. Doch als die Sitzung länger und länger anhielt, verdichteten sich die Anzeichen für eine Trennung. Zu konfrontativ waren die Debatten, um sich noch zu vertagen. Auch aus der Mannschaft drangen erste Verlautbarungen: Der 1. FC Köln wird mit einer neuen Führung in die verbleibenden Saisonspiele gehen. Christian Keller wird nach drei Jahren und einem Monat als Geschäftsführer abberufen. Trainer Gerhard Struber wird seine erste Saison als FC-Trainer ebenfalls nicht zu Ende bringen. Am Montag soll der Vorgang offiziell verkündet werden.
Die Stimmung im Klub hatte sich bereits am Samstagabend dramatisiert, die Fans hatten schon da Konsequenzen gefordert. Kaum waren die Unmutsbekundungen der Ränge verklungen, da versuchte Christian Keller wieder einmal, die Dinge geradezurücken – zumindest aus seiner Sicht. Beim peinlichen 1:1 gegen Absteiger Regensburg hatte der 1. FC Köln nach Tim Lemperles Führungstreffer (59.) noch den Ausgleich (75.) hinnehmen müssen und keine Korrektur mehr vornehmen können. Das Publikum zeigte sich derart verstört vom Auftritt der Heimelf, dass es sich zumindest akustisch nicht auf einen Schuldigen hatte einigen können. Zunächst hatte man die Mannschaft zum Kämpfen aufgefordert. Dann die Ablösung des Trainers gefordert. Später war dann Keller ins Zentrum der Kritik geraten.
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Doch zumindest in Bezug auf die Mannschaft irrten die Fans, meinte Keller. „Vollkommen zu Unrecht“ seien die Spieler kritisiert worden: „Die Mannschaft hat gekämpft, war spieldominant“, sagte der Sportchef – nach einem 1:1 gegen eine Regensburger Mannschaft, die mit dem Remis am 32. Spieltag ihre Saison-Auswärtsbilanz auf sagenhafte zwei Punkte verdoppelt hatte. Und die angesichts der Ergebnisse der Konkurrenz bereits am Samstagnachmittag auf der Couch praktisch abgestiegen war. Auch das legte Keller den Gästen als Vorteil aus: „Der Gegner hatte heute ein relativ leichtes Trikot an, während unseres relativ schwer war. Das hat nichts mit Schönreden zu tun, das ist Realität.“
Köln habe genügend Torchancen gehabt, um das Spiel zu gewinnen. „Das haben wir nicht geschafft, das nervt. Aber aus meiner Sicht war es nicht angemessen, die Mannschaft so an den Pranger zu stellen“, sagte der Geschäftsführer weiter und gab sich irritiert. Die Stimmung sei, als „hätten wir gerade etwas total versaut“, sagte er, aber das stimme nicht. Man habe das Schicksal noch in der Hand.
Einen Impuls auf der Trainerbank schloss Keller aus. Gerhard Struber fand auch gegen die schwächste Abwehr der Liga kein Mittel. Die Mannschaftsleistung war unterirdisch, nichts passte zusammen. Doch Keller flüchtete sich in positives Denken, nannte seinen Ansatz eine „Lebenseinstellung“ und sprach tatsächlich davon, sein Glas sei „halbvoll“. Das alles gipfelte im Aufruf zu bedingungslosem Optimismus: „Wenn sich alle mal freuen und die Chance sehen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt.“
Schon beim TV-Interview kurz nach dem Schlusspfiff hatte Keller für Verblüffung gesorgt, als er auf die Frage, ob er mit Trainer Gerhard Struber ins Saisonfinale gehen werde, mit einer Gegenfrage reagiert hatte: „Warum nicht?“
Die aktuelle Bilanz von zuletzt fünf Punkten aus fünf Spielen ließ er ebenso wenig als Argument gelten wie die anhaltende spielerische Armut. „Wir stehen auf Tabellenplatz zwei. Es bringt nichts, sich damit zu beschäftigen, was in den letzten fünf Spielen an zu wenigen Punkten geholt wurde.“ Die Analyse werde am Ende der Saison folgen. Bis dahin behalte er die Zuversicht.
Wir haben nach wie vor eine komfortable Situation. Wir müssen unseren Plan im Auge halten und einen Drive entwickeln
Das Trainerteam habe Qualität, die Mannschaft habe Qualität. „Im Innenverhältnis herrschen Ruhe und Sachlichkeit. Es gibt einen sehr großen Zusammenhalt der Mannschaft und auch zwischen Mannschaft und Trainerteam. Das alles wird dazu führen, dass wir es am Ende hinkriegen“, beteuerte Keller.
Auch Kapitän Timo Hübers war im Durchhaltemodus und mahnte die Leute zur Mäßigung. „Wir müssen ein bisschen die Kirche im Dorf lassen. Wir reden, als stünden wir im Abstiegskampf. Wir können heute richtig wütend auf uns sein, dass wir es jetzt und letzte Woche verkackt haben. Aber wir haben drei Punkte Vorsprung und müssen uns jetzt straffen. Auch wenn die zwei letzten Spiele blöd waren: Abhaken, dann können wir am Ende feiern.“
Gerhard Struber gab sich milde, der Österreicher widersprach dem Publikum nicht, sondern rang sich sogar Verständnis ab. Die Funktion als „Blitzableiter“ sei Teil des Trainerjobs, sagte er, kein Vorwurf also an die Leute und auch kein Aufruf, die Kirche im Dorf zu lassen oder einfach mal positiv zu denken. Er habe „ein positives Gefühl mit meinen Burschen. Wir haben nach wie vor eine komfortable Situation. Wir müssen unseren Plan im Auge halten und einen Drive entwickeln“, sagte der Trainer.

Tim Lemperle war trotz seines persönlichen Erfolgserlebnisses enttäuscht.
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Vieles klang nach bloßen Durchhalteparolen, manches war schlicht falsch. Etwa die Erzählung vom Zusammenhalt der Mannschaft. Dass Tim Lemperle eine halbe Stunde nach Beginn der zweiten Halbzeit an der Seitenlinie eine Trinkpause einlegte, während der Gegner schon wieder angriff, war ein klares Zeichen von Auflösungserscheinungen. Der Angreifer, der bis auf seinen Kopfballtreffer nach einer Stunde eine schwache Leistung bot, wird den FC nach der Saison verlassen. Die Momente vor Noah Ganaus Ausgleich in der 75. Minute legten den Verdacht nahe, Lemperle habe seinen Abschied längst vollzogen. Und nicht nur Lemperle. Auch Dejan Ljubicic hat bereits einen neuen Klub gefunden, dennoch durfte der Österreicher am Samstag wieder von Beginn an spielen. Auch er zahlte das Vertrauen nicht zurück, dasselbe galt für Florian Kainz – jenen Spieler, der einst Jonas Hector als Kapitän beerbte, derzeit aber zu viel mit sich zu tun hat, um eine Mannschaft führen zu können.
Die Angst geht um. Und nun braucht der 1. FC Köln eine vollständig neue sportliche Führung.