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Rekordversuch in MüngersdorfWie die Frauen des 1. FC Köln zu Profis wurden

Lesezeit 6 Minuten
Die FC-Frauen feiern das erste Tor im Spiel gegen die TSG Hoffenheim

Die FC-Frauen feiern das erste Tor im Spiel gegen die TSG Hoffenheim

Seit diesem Jahr spielt die Frauenmannschaft des 1. FC Köln in der Bundesliga unter professionellen Bedingungen. 

Im vergangenen Sommer reiste Nicole Bender-Rummler mit FC-Geschäftsführer Christian Keller zur EM nach England und erlebte dort Momente, die vielleicht nicht den Urknall des Frauenfußballs bedeuteten. Aber gewiss halfen, die Branche auf eine neue Stufe zu heben. Die deutsche Mannschaft kam ins Finale, verlor erst nach Verlängerung 1:2 gegen die Gastgeberinnen. Der Fußball zeigte sich damals nicht nur beim Endspiel von seiner besten, der heiteren Seite. 87 192 Fans erlebten das Spiel in Wembley.

Die Euphorie um das Turnier ließ Bender-Rummler schon damals hoffen, dass auch die Bundesliga einen Schub erleben könnte. „Man muss dafür dankbar sein, dass die deutsche Mannschaft so leidenschaftlich gespielt hat. Der Erfolg war das eine. Aber die Spielweise kam noch dazu“, beschreibt Bender-Rummler, Abteilungsleiterin Frauenfußball beim 1. FC Köln.

In dieser Saison haben die Kölnerinnen den Zuschauerschnitt bei ihren Bundesligaspielen verdoppelt. Im November überboten sie beim Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg im mit 5400 Fans im ausverkauften Franz-Kremer-Stadion ihren sieben Jahre alten Zuschauerrekord. Ein Erfolg der stetigen Arbeit im Verein. Aber eben auch der Nationalmannschaft. „Es hat mich nicht überrascht, dass die Nationalspielerinnen rüberkommen, wie sie rüberkommen. Die Mädels sind nahbar, klar im Kopf. Und sie bleiben auch im Erfolg so. Das tut dem Frauenfußball gut“, beschreibt die frühere U-21-Nationalspielerin, die für die Frauen des 1. FC Köln 115 Spiele absolvierte.

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Präsidium setzt sich für die Frauenmannschaft ein

Bender-Rummler hat sich beim FC massiv für die Belange der Frauenmannschaft eingesetzt – und Gehör gefunden. Vorstand und Geschäftsführung haben das Potenzial erkannt. „Es gab Zeiten, da waren die Frauen ein Verein im Verein“, beschreibt Vizepräsident Carsten Wettich, im Vorstand für die Belange der Frauen und Mädchen zuständig. Es gab keine sportliche Strategie. Einmal stiegen die FC-Frauen wie zufällig in die Bundesliga auf – und anschließend sang- und klanglos wieder ab. „Es durfte nicht sein, dass eine FC-Mannschaft dermaßen abgeschossen wird“, sagt Wettich. Im Verein wuchs die Überzeugung, mehr Ressourcen für den Frauenfußball freizugeben und das Thema strategisch wie strukturell anzugehen.

Geld ist noch nicht zu verdienen mit dem Frauenfußball, doch das Potenzial ist gewaltig. Entsprechend ernst bewegt man sich nun im Oberhaus. Der 1. FC Köln ist wohl der Bundesliga-Verein, der bei seinen Frauenspielen die meisten Klub-Verantwortlichen der Liga begrüßt. Geschäftsführer Christian Keller sieht sich regelmäßig die Spiele an, Wettich sowieso, sogar auswärts. Auch Steffen Baumgart war schon im Stadion. Profifußball beim 1. FC Köln beschränkt sich nicht mehr auf die Männer. „Der Frauenfußball wird hier von jedem mitgedacht“, sagt Wettich.

Der Rekordversuch soll eine Gelegenheit für diese Stadt sein, unsere Spielerinnen kennenzulernen
Nicole Bender-Rummler

Beim 1. FC Köln ist Nicole Bender-Rummler für das Profiteam der Frauen und den Mädchenfußball verantwortlich, hauptamtlich. Und wenn der Verein nun am 23. April im Rhein-Energie-Stadion gegen Frankfurt einen Rekord aufstellen will, dann eben einen für die Frauen-Bundesliga. Der liegt seit dieser Saison bei 23.200 Zuschauern, aufgestellt beim Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern. Vieles deutet darauf hin, dass Köln die Bestmarke überbieten wird. Die Ticketpreise sind moderat, das Interesse groß. Wobei Bender-Rummler nicht darauf aus ist, den Frauenfußball in Köln zu einem Event zu machen. „Der Rekordversuch soll eine Gelegenheit für diese Stadt sein, unsere Spielerinnen kennenzulernen. Wenn man sieht, mit welcher Leidenschaft die Mädels spielen und wie gut sie sind, wird man automatisch Fan. Darum werden wir da keine Kirmesveranstaltung aufziehen. Wir wollen richtig Fußball spielen, aber eben vor besonderer Kulisse.“

Der sportliche Vortrag hält dem mittlerweile deutlich besser stand als in der Vergangenheit. „Es ist steil bergauf gegangen. Das Spiel wird immer athletischer, was daran liegt, dass die Mädels endlich ihr Hobby zum Beruf machen können“, erklärt Bender-Rummler.

Sie selbst musste zu ihrer aktiven Zeit noch 40 Stunden pro Woche arbeiten, der Fußball war nur ein Hobby. „Dafür haben wir es in der höchsten oder zweithöchsten Spielklasse sehr gut gemacht. Aber lange nicht so attraktiv, wie es heute ist“, sagt sie. Im Hochleistungssport spielt vieles zusammen. Schlaf, Ernährung: In der Vergangenheit trainierten die FC-Frauen von 19 bis 21 Uhr, kamen um 21.30 vom Duschen und aßen anschließend noch zu Abend. Wenn man dann um 6 Uhr aufstehen muss, um bis 17 Uhr im Büro zu sein, trägt das nicht zur Leistungsfähigkeit bei. Entsprechend war es ein gewaltiger Schritt für die Kölnerinnen, seit dieser Saison als Vollprofis zu spielen. Trainiert wird mittlerweile um 15 Uhr, teilweise auch vormittags. Es geht voran.

So wollen sie die Lücke zu den Spitzenteams schließen; zum Beispiel zu den Wolfsburgerinnen, die mit dem Geld des VW-Konzerns seit Jahren unter Top-Bedingungen arbeiten. „Wolfsburg ist uns Lichtjahre voraus. Wir fangen gerade erst an“, sagt Bender-Rummler. Längst sind auch die Spiele der Frauen-Bundesliga körperlich, hart und damit dramatisch. Dennoch geht es gesittet zu – auf dem Platz wie auf den Rängen. Die Spiele im Franz-Kremer-Stadion bedeuten für viele Familien den Zielpunkt eines sonntäglichen Ausflugs in den Grüngürtel. „Ich will die Männer nicht diskriminieren. Aber so etwas wie Rudelbildung wird es bei den Frauen nicht geben. Das wollen unsere Fans auch gar nicht sehen. Wenn da böse gefoult wird, pfeifen alle. Und wenn anschließend einander die Hand gereicht wird, applaudiert das ganze Stadion“, beschreibt Bender-Rummler die Atmosphäre.

Ihre Aufgaben als Sportchefin des Frauenteams unterscheiden sich von denen ihrer Kollegen im Männerbereich. Denn die Spielerinnen, für die sie verantwortlich ist, haben zwar einstweilen mit ihren Einkünften aus dem Fußball ein Auskommen. Doch ausgesorgt für die Zeit nach der Karriere haben sie nicht. „Die genießen das Leben als Profi. Aber das können sie nicht ewig machen“, sagt sie.

Daher muss sie ihre Spielerinnen dazu anhalten, die Zeit nach der Karriere zu planen. Manche kommen gleich nach dem Schulabschluss zum FC und wollen zunächst ankommen in ihrem Job als Profisportlerinnen. Doch früher oder später muss jede Spielerin nachweisen, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen will, sagt Bender-Rummler. „Nach einem Jahr klopfe ich dann an und frage: Was ist jetzt?“ Wenn nötig, hilft sie mit Kontakten und Ideen.

Ob eines Tages eine prägende Spielerin der Nationalmannschaft aus Köln kommen wird? Drei Plätze haben die FC-Frauen mittlerweile im Sportinternat an der Sporthochschule, um auch Mädchen auf höchstem Niveau ausbilden zu können, die nicht in der direkten Umgebung von Köln wohnen. Die Entwicklung wird in den nächsten Jahren weiter Fahrt aufnehmen. In diesem Sommer steht die WM in Australien und Neuseeland an, wo das deutsche Team seine Geschichte fortschreiben will.

2027 könnte es dann eine gemeinsame Bewerbung von Deutschland mit Belgien und den Niederlanden geben. Womöglich mit Köln als Spielort – und einer Kölnerin auf dem Platz.

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