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Podiumsdiskussion mit Wilhelm, Funkel und Co.„Man darf junge Spieler nicht kaputtmachen“

5 min
Lea Blank/Viktoria Köln

Stefan Ruthenbeck (v.l.), Marian Wilhelm, Inka Grings, Andreas Retting bei der Podiumsdiskussion. 

Friedhelm Funkel, Stefan Ruthenbeck, Marian Wilhelm, Andreas Rettig und Inka Grings über Mut im Nachwuchs, Talente, DFB und FC-Anekdoten. 

Am Donnerstagabend versammelte sich im Sportpark Höhenberg viel Prominenz. In den VIP-Räumlichkeiten des FC Viktoria Köln luden die PSDB Bank West eG und die Kanzlei Gercke Wollschläger PartGmbB zur Podiumsdiskussion über Nachwuchs und Nachhaltigkeit ein – und darüber, was Sport und Wirtschaft voneinander lernen können. Das Podium war hochkarätig besetzt: FC-Aufstiegsheld Friedhelm Funkel, die ehemalige Nationalspielerin und zweifache Europameisterin Inka Grings, DFB-Geschäftsführer Sport Andreas Rettig, Stefan Ruthenbeck, Trainer der Kölner U19, sowie Viktoria-Coach Marian Wilhelm. Durch den Abend führte Sportmoderator Thomas Wagner.

Funkel warnt vor zu schnellem Hype

Wie überall im deutschen Fußball war auch an diesem Abend ein Thema allgegenwärtig: die rasanten Entwicklungen junger Spieler wie Said El Mala vom 1. FC Köln oder Lennart Karl vom FC Bayern.

„Sie sind sehr gute Spieler. Aber die Diskussionen um eine WM-Teilnahme kommen zu früh. Sie sollen Erfahrungen sammeln“, mahnte Funkel. „Beide haben überragende Trainer, die genau wissen, wie sie mit den Jungs umgehen müssen. Wichtig ist, dass sie weiter gut arbeiten und in den kommenden Wochen verletzungsfrei bleiben. Sie werden Phasen haben, in denen sie besser oder schlechter spielen – das gehört zur Entwicklung dazu.“

El Mala, einst in der Dritten Liga bei Viktoria Köln unter Vertrag, sorgte schon dort für Aufsehen. Sein damaliger Co-Trainer, heute Chefcoach der Höhenberger, Marian Wilhelm, erinnerte sich: „Am Anfang wussten wir nicht, dass er ein Spieler ist, der uns besser macht als Viktoria Köln. Was in der U19 funktionierte, hat auch bei den Profis geklappt. Sein erstes Ligator war einer dieser Treffer, die man eigentlich nicht erzielen kann.“ Wilhelm sieht in El Mala ein Beispiel für gelungene Förderung: „Wenn man sich seine ersten vier Scorerpunkte in der Bundesliga ansieht, merkt man: Das hat er nicht bei uns gelernt – das brachte er bereits mit. Er braucht ein Umfeld, in dem er sich entfalten darf.“

Stefan Ruthenbeck pflichtete ihm bei: „Bei Said haben wir früh gesehen, dass da etwas Besonderes ist. Er steht für das, wofür wir ins Stadion gehen – Mut, Tempo, Dribblings. Junge Spieler, die die Eier haben, in solchen Momenten Verantwortung zu übernehmen.“ Doch nicht jeder bekomme diese Chance, so der U19-Trainer. „Viele schaffen es nicht, weil sie keinen Einsatz bekommen. Da müssen Trainer mutig sein und jungen Spielern diese Zeiten geben. Wir haben sicher auch Jungs verloren, weil sie zu wenig davon hatten.“

Wilhelm betonte, wie wichtig das klare Leistungsprinzip sei – und dass Fehler dazugehören: „Man darf junge Spieler nicht kaputtmachen. Entscheidend ist, dass sie den Ball haben und viel Spielzeit bekommen. Du weißt nie, wer den Durchbruch schafft. Deshalb musst du alle fördern. Wenn sie auf der Bank sitzen, tust du das nicht.“

Doppelte Staatsbürgerschaft beim DFB

Inka Grings unterstützte diese Sichtweise: „Wir müssen uns viel intensiver mit jungen Spielern beschäftigen. Wenn man in der Jugend Titel gewinnt, aber die Spieler nicht weiterentwickelt, hat man seinen Job verfehlt. Es gibt zu viele Trainer, die einfach ihr Ding durchziehen.“

Ein weiteres Thema, das den Abend prägte, war die Nationalmannschaft – und der Umgang mit Spielern, die mehrere Staatsbürgerschaften besitzen. DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig sprach offen über die Herausforderungen: „Wenn ich unseren aktuellen U17-WM-Kader sehe, haben elf von 18 Feldspielern zwei Pässe. Wir investieren als Vereine und als Land viel Zeit und Geld, und dann sagen die Spieler: Danke für die Ausbildung, ich gehe jetzt.“ Er könne den Schritt vieler Talente verstehen, betonte aber auch: „Oft ist es weniger Überzeugung und Identifikation, sondern eher der bequemere Karriereweg. Ob der am Ende nach ganz oben führt, da setze ich ein Fragezeichen.“

Friedhelm Funkel widersprach nicht, erinnerte an frühere Zeiten: „Der Titelhunger im Nationaltrikot ist immer noch da. Aber früher hat man nicht so viel verdient wie heute. Wer in die Nationalmannschaft wollte, musste über einen langen Zeitraum konstant gute Leistungen bringen. Über die Nationalelf konnte man seine Vereinsverträge verbessern.“

FC-Anekdoten von Friedhelm Funkel

Zum Abschluss gewährte der seit über drei Jahrzehnten im Fußball tätige Trainer Einblicke in seine Zeit beim 1. FC Köln. Funkel sprach über den veränderten Umgang mit jungen Spielern und über die Bedeutung von Vertrauen. „Ich kann mich trotz des großen Altersunterschieds gut in junge Spieler hineinversetzen. Bei einem neuen Verein führe ich in den ersten Tagen viele Gespräche. Die Spieler sind natürlich heute anders als früher – das ist aber völlig in Ordnung.“

Er sagte, Tim liege mit über zwei Promille im Krankenhaus. Ich rief Tim an und sagte: Kein Problem, aber du hast Mist gebaut und musst dafür geradestehen
Friedhelm Funkel, über die damalige Situation mit Tim Lemperle.

Eine Anekdote aus seiner FC-Zeit bleibt ihm bis heute im Gedächtnis: „Ich erinnere mich an den Vorfall mit Tim Lemperle: Montags rief mich Thomas Kessler häufig an. Er sagte, Tim liege mit über zwei Promille im Krankenhaus und hat sich geprügelt. Ich rief Tim an und sagte: Alles kein Problem, aber du hast Mist gebaut und dafür musst du geradestehen. Wir hatten beim FC ein super Verhältnis – die Jungs wussten, sie können zu mir kommen, auch mal einen trinken. Nach dem letzten Spiel haben wir zusammen gefeiert, da spielte das Alter keine Rolle.“

Als sich der Abend im Höhenberger Sportpark dem Ende neigte, standen viele Gäste beieinander. Es wurde noch lange diskutiert, gelacht, getrunken und gegessen.