Basketball-EM in KölnZwölf deutsche Spieler für den großen Coup

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Schröder Kader

Dennis Schröder steht im Mittelpunkt des DBB-Teams.

Köln – Am Donnerstag  steigt die deutsche Basketball-Nationalmannschaft mit der Partie in der Kölner Lanxess-Arena gegen Frankreich (20.30 Uhr, live und kostenlos bei Magenta TV) in die Europameisterschaft ein. Für den Kampf um eine Medaille hat Bundestrainer Gordon Herbert einen Kader beisammen, in dem es nur noch eine Ungewissheit gibt. Eine Übersicht:

Justus Hollatz (21/CB Breogan) Die Nachwuchshoffnung auf der Spielmacherposition wird bei der EM voraussichtlich mehr Erfahrungen als Spielzeit sammeln. Das Talent blickt auf eine starke Bundesliga-Saison bei den Hamburg Towers zurück, in der er sich für ein Engagement in der spanischen Liga bei CB Breogan empfahl. In der Nationalmannschaft sorgte er vor allem in den WM-Qualifikationsspielen, in denen die NBA-Profis nicht zur Verfügung standen, mit viel Mut und Übersicht für Aufmerksamkeit.

Franz Wagner (21/Orlando Magic) Das Phänomen. Der Berliner ist am 27. August 21 Jahre alt geworden, agiert aber mit der Ruhe und Routine eines 30-Jährigen. In seiner ersten NBA-Saison in Orlando hat er mit durchschnittlich 15,8 Punkten nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Der 2,08 Meter große Flügelspieler avancierte in Florida zum großen Gewinner eines Verlierer-Teams. Die Magic entschieden lediglich 22 ihrer 82 Partien für sich, aber Wagner bekam die Chance, sich frei zu entfalten. Die enormen Fortschritte haben auch dazu geführt, dass er sich eine gesunde Furchtlosigkeit angeeignet hat. „Wir werden gegen richtig gute Spieler und Teams antreten, aber wir dürfen nicht zu viel Respekt haben“, sagt er. In diesem Punkt ging der Youngster am Sonntag beim 90: 71 im WM -Qualifikationsspiel gegen Slowenien voran, als er unter anderem Luka Doncic mit seiner aggressiven Defensive entnervte.

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Nick Weiler-Babb (26/Bayern München) Die EM-Teilnahme des Amerikaners hat die Nationalmannschaft einer günstigen Verzweigung des Stammbaums zu verdanken. Weil die Großeltern des 26-Jährigen aus Deutschland stammen, eröffnete sich dem DBB die willkommene Gelegenheit, Weiler-Babb einzubürgern. „Nick war von Beginn an begeistert von der Aussicht, für Deutschland zu spielen“, betonte Bundestrainer Gordon Herbert. „Das ist sowohl für uns als auch für ihn eine tolle Sache. Er ist ein großartiger Typ, der gut ins Team passen wird.“ Tatsächlich sind vor allem die Defensivqualitäten des Münchner Profis eine ideale Ergänzung. Weiler-Babb wird häufig mit dem Spezialauftrag in die Partien gehen, den besten gegnerischen Spieler zu verteidigen. Jonas Wohlfarth-Bottermann (32/Hamburg Towers) Die Liste von Spielern, die anstelle des künftigen Hamburgers im Kader stehen sollten, ist lang: Maxi Kleber, Tibor Pleiß, Isaiah Hartenstein und Moritz Wagner. Da aus unterschiedlichen Gründen aber nun einmal keiner der Bevorzugten zur Verfügung steht, hat sich der Routinier seinen Platz erkämpft. Der Mangel an Eitelkeit ist eine große Tugend. Wohlfahrt-Bottermann erledigt die kleinen, aber wichtigen Jobs mit unaufgeregter Solidität. Das verdient Respekt.

Andreas Obst (26/Bayern München). Spieler wie Andreas Obst sind unverzichtbar für jedes Team. Der Flügelspieler ist ein enorm sicherer Dreier-Schütze, dem jegliches Zögern und Zaudern fremd ist. Kann sich mit seinem wunderbaren Wurf in einen Rausch befördern und mit einer Serie von Dreiern hohe Rückstände schnell verkürzen oder zügig komfortable Führungen herausarbeiten. Ist nicht der beste Verteidiger und deshalb dankbar für die Ahnenforschung im Hause Nick Weiler-Babb.

Daniel Theis

Daniel Theis kämpft noch um seine Teilnahme.

Daniel Theis (30/Indiana Pacers/im rechts oben eingefügten Bild) Einen Kaderplatz hält Gordon Herbert bis zu den letzten Minuten des Meldeschlusses am Mittwochnachmittag frei, weil nach wie vor nicht klar ist, ob die Knieprobleme des Centers so weit abgeklungen sind, dass eine Teilnahme sinnvoll ist. Allein die schier grenzenlose Geduld des Coaches zeigt, von welcher Bedeutung die Athletik, physische Stärke und defensive Exzellenz des 2,03 Meter großen Niedersachsen sind.

Dennis Schröder (28/zuletzt Houston Rockets) Der Aufbauspieler ist der Chef des Teams. Um sich dessen bewusst zu sein, hätte er seine Ernennung zum Kapitän nicht gebraucht. Der Braunschweiger ist grundsätzlich kein Mann, der sich von Selbstzweifeln um den Schlaf bringen lässt. Zu unruhigen Nächten besteht auch kein Anlass, denn an seinen sportlichen Vorzügen gibt es keine Zweifel. Schröders Schnelligkeit ist einzigartig, mit seinem explosiven ersten Schritt ist er in der Lage, an jedem Gegner vorbeizukommen. Allerdings touchiert sein Selbstbewusstsein mitunter die Grenze zur Überheblichkeit. „Natürlich bin ich selbstbewusst. Ich stehe dazu, dass ich etwas drauf- und erreicht habe“, sagte er in der „Sports Illustrated.“ „Ob das etwas mit Arroganz zu tun hat, weiß ich nicht.“ Die Attitüde des Siegertypen hat den 1,86 Meter großen Guard jedenfalls weit gebracht. In der amerikanischen Profiliga NBA stand Schröder bei den renommiertesten Adressen unter Vertrag: Atlanta Hawks, Oklahoma City Thunder, Los Angeles Lakers und Boston Celtics. Als er bei den Lakers 2021 allerdings einen Vierjahresvertrag über 84 Millionen Dollar ablehnte, weil er sich in der subjektiven Ermittlung seines Marktwertes objektiv verrechnete, erlebte er einen Karriereknick. Nach seinem letzten Engagement bei den Houston Rockets sucht Schröder für die neue Saison noch einen Klub.

Voigtmann

Johannes Voigtmann gehört zu den Leistungsträgern des Teams.

Johannes Voigtmann (29/ZSKA Moskau) Hat sich vom klassischen Rollenprofil des Centers, der dank seiner 2,11 Meter unter dem Korb agiert, schon lange befreit. Seine Trainer wissen vor allem seinen Distanzwurf und sein enormes Spielverständnis zu schätzen. Möglicherweise doch ein Aufbauspieler, der im Körper eines Centers steckt. Als Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine eröffnete, verließ Voigtmann Moskau, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, für einen russischen Klub aufzulaufen. Wird nicht nur wegen dieser starken Haltung einen neuen Arbeitgeber finden. Sondern vor allem, weil er ein auf höchstem europäischen Niveau etablierter Profi ist.

Johannes Thiemann (28/Alba Berlin) Der Student der Wirtschaftspsychologie blickt auf eine perfekte Saison zurück: Mit Alba Berlin gewann er den Pokal, die Meisterschaft und den Titel des wertvollsten Spielers der Finalserie. Schon wegen dieser imposanten Trophäen-Kollektion führte für Gordon Herbert kein Weg an Thiemann vorbei, der mit Athletik, Kampfgeist und Vielseitigkeit überzeugt.

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Mado Lo (29/Alba Berlin). Der Sohn eines senegalesischen Vaters und einer deutschen Mutter, der Künstlerin Elvira Bach, entfaltete sein Potenzial an der Columbia-University, mit der er 2016 dass CollegeInsider-Tournament (CIT) der NCAA gewann und zum wertvollsten Spieler (MVP) der Finalserie gewählt wurde. Auch in Deutschland sammelte er Titel, unter anderem Deutsche Meisterschaften mit drei verschiedenen Klubs: FC Bayern, Brose Bamberg, Alba Berlin. Vor allem in der vergangenen Euroleague-Saison mit Alba Berlin hat er noch einmal deutliche Fortschritte gemacht und starke Auftritte absolviert. Begeisterte auch in der Finalserie um die Deutsche Meisterschaft gegen Bayern München mit feinem Ballhandling und sicheren Distanzwürfen. Eleganter Vollstrecker.

Christian Sengfelder (27/Brose Bamberg) Der gebürtige Leverkusener verließ 2013 die rheinische Heimat und wechselte ins Internat nach Ehingen. Nach Stationen in den USA und in Braunschweig ist der Flügelspieler in Bamberg einer der besten Offensivspieler seines Teams. Muss sich möglicherweise mit wenig Spielzeit begnügen, in der er aber vor allem mit seinen Dreipunktewürfen viel bewirken kann.

Niels Giffey (31/zuletzt Zalgiris Kaunas) Der zwei Meter große Berliner suchte nach vielen erfolgreichen Jahren bei seinem Heimatklub Alba Berlin eine neue Herausforderung im Ausland. Bei Zalgiris Kaunas in Litauen wurde er nicht glücklich und verlässt den Klub nach einem Jahr mit noch unbekanntem Ziel wieder. Strahlt nach einer unglücklichen Saison wenig Selbstvertrauen aus, kann aufgrund seiner soliden Defensive und des guten Distanzwurfes aber ein wichtiger Faktor werden.

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