Die Bayer-04-KriseRobert Andrich warnt: Die Situation ist brutal gefährlich

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Bayernachdreh

Christopher Nkunku erzielt das 1:0

Leverkusen – Es scheint nicht Monate, sondern Jahre her, dass sich die Profi-Abteilung von Bayer 04 Leverkusen in der Sonne des Salzburger Landes unter der Führung des polyglotten Schweizers Gerardo Seoane auf die kommende Saison vorbereitete. Voller Vorfreude auf die Champions League, den DFB-Pokal und eine Liga-Spielzeit als hartnäckiger Verfolger des FC Bayern München.

Der Kader mit einem Marktwert von rund 470 Millionen Euro erregte auch unter den Konkurrenten Neid. Patrik Schick wurde schon als legitimer Nachfolger der abgewanderten polnischen Torfabrik Robert Lewandowski in der Liga gesehen. Der furchtbar talentierte Florian Wirtz tat nach seinem Kreuzbandriss die ersten Schritte zurück auf den Platz, aber die anderen würden es bis zu seinem Comeback schon richten. Es war eine schöne Zeit. Eine Zeit voller Täuschungen.

Gut drei Monate und einen Trainerwechsel später ist Bayer 04 Leverkusen ein fester Bestandteil des Abstiegskampfes in der Fußball-Bundesliga geworden. Nach zwölf von 34 Spieltagen belegt der Werksklub Platz 16. Der Traum vom DFB-Pokal war bereits im ersten Pflichtspiel der Saison gegen Elversberg geplatzt. In der Gruppenphase der Champions League ist das Team gescheitert. Im Alltag der Bundesliga hat sich Bayer 04 nach der 0:2-Niederlage in Leipzig fest in der Abstiegszone etabliert. Sogar zum unteren Mittelfeld besteht ein großer Abstand.

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Der Rückschlag in Leipzig war deshalb schmerzhaft, weil man das hart erkämpfte 2:2 bei Atlético Madrid in der Champions League drei Tage zuvor für eine Wende gehalten hatte. Nach Wochen des Auseinanderfallens schienen ein neuer Teamgedanke und eine neue Leidenschaft entstanden. Und dann liefen am Samstag in Leipzig zehn Leverkusener Feldspieler auf den Platz, die dem von den Anstrengungen der Königsklasse selbst ermüdeten Gegner früh signalisierten: „Keine Angst, euch wird heute nichts passieren.“

Leipzig drückte nicht, Leipzig presste nicht, Leipzig stand nur geordnet da und wartete auf den ersten Fehler einer Werkself, die sich die Bälle in ungefährlichen Zonen zuschob. Der passierte dann nach gut einer halben Stunde. Piero Hincapie verlor den Ball leichtsinnig gegen Dominik Szoboszlai und versuchte, den Lapsus mit einer Monstergrätsche auszubügeln. Der Ecuadorianer traf dabei erstaunlich viel vom Ball, aber er räumte mit dem Nachziehbein auch den RB-Angreifer ab.

Schiedsrichter Sven Jablonski entschied spontan auf Freistoß. Die Leverkusener echauffierten sich. Es war auch bei Ansicht der Zeitlupe eine strenge Entscheidung, die auf der Heftigkeit eines Zweikampfes beruhte, den es gar nicht hätte geben können. Solche Freistöße werden immer wieder verhängt. Selten ist jedoch, dass sie so nachlässig verteidigt werden wie dieser. Der Gefoulte trat den Ball mit Effet in den freien Raum vor Torhüter Lukas Hradecky. Völlig unbegleitet spazierte Torjäger Christopher Nkunku in ihn hinein und erzielte per Kopf entspannt das 1:0.

Jetzt rächte es sich, dass Trainer Xabi Alonso aus seinem Kader eine Elf mit eingeschränkter Offensivwucht nominiert hatte. Den einzigen Schuss aufs Tor des aus der Arbeitslosigkeit verpflichteten Leipziger Not-Torhüters Nyland gab Dailey Sinkgraven ab, und der kam aus dem Abseits. Als Werner in der 83. Minute nach einem Sprint zwischen Tapsoba und Tah hindurch das 2:0 erzielt hatte, war dann endgültig alles klar.

"Egal in welcher Krise: Du musst dir Torchancen erspielen"

Der im Team für harte Zweikämpfe und Selbstkritik zuständige Robert Andrich erklärte: „Egal, in welcher Art von Krise du steckst, du musst dir Torchancen erspielen. Wir wissen schon, dass die Konstellation brutal gefährlich ist. Wir sind im Abstiegskampf. Wir haben sehr, sehr wenig Punkte. Das ist Fakt.“

Eine präzisere Zustandsbeschreibung gab an diesem Wochenende kein Leverkusener ab. Nicht Trainer Xabi Alonso („Ich habe das Gefühl, dass die Kabine zusammenhält“), nicht Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes („Wir haben gesagt, es ist ein langer Weg, es ist ein harter Weg“).

Am Dienstag heißt der nächste Gegner FC Brügge (18.45 Uhr, Bay-Arena). Es geht um die Chance, nach dem Champions-League-Aus als Gruppendritter in der Europa League zu überwintern. Das Gute daran: Die Lage in der Liga kann sich in diesem Spiel nicht verschlechtern.

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