Kommentar zur NationalelfDie Analyse des 1:1 von Budapest: Alle wollen Urlaub

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Nati-Kommibild

Enttäuschte Spieler nach dem 1:1 in Budapest

Köln – Wer im 1:1 der deutschen Nationalmannschaft gegen England einen großen Fortschritt sah, musste nach dem 1:1 gegen Ungarn schwer enttäuscht sein. Alles, was im zweiten der vier Nations-League-Spiele dieses Sommers so gelungen erschien, hat vier Tage später im dritten gegen eine Mannschaft mit weniger individueller Klasse gefehlt: Entschlossenheit, Spielkontrolle, Zielstrebigkeit, Spielfreude.

In Budapest wurden 7:1 Torschüsse für Ungarn gezählt, das Unentschieden war für den Gast eher schmeichelhaft. Das vorherrschende deutsche Gefühl war: So werden wir in einem halben Jahr in Katar nicht Weltmeister.

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Die gute Nachricht lautet jedoch: Wer im 1:1 gegen England einen großen Fortschritt sah, unterlag der allgemeinen optischen Täuschung, die die Nations-League-Anstrengung dieses Sommers verbreitet. Die Top-Profis der europäischen Spitzenligen hatten schon 60 und mehr Spiele einer aufreibenden Saison in den Beinen. Diese vier mühsam in einen Turniermodus gekleideten Testpartien entlocken ihnen kaum noch Adrenalin. Alles, was die Stars zu gewinnen oder zu verlieren hatten, hatten sie schon gewonnen oder verloren. Sie bewegen nur noch zwei Interessen: Der Urlaub und mögliche Transfers. Alles andere ist nicht so wichtig.

Und so spielen Nationen wie Frankreich, Spanien, England, Deutschland und die Niederlande in diesen Frühsommertagen. Sie verlieren gegen Außenseiter oder schleppen sich zu Unentschieden. Die Tabellen der Nations-League-Gruppen sind völlig uninteressant. Man will unverletzt seine Feriendomizile erreichen. Eine Fußball-Nation wie Ungarn kann sich nach verpasster WM-Qualifikation dagegen nicht mehr prominenter präsentieren als jetzt. Dass sie doppelt so viel Energie auf der Rasen bringt wie der geistig müde Favorit, ist leicht erklärbar. Alle sportlichen Schlüsse aus diesem Spiel müssen diesen Umstand berücksichtigen.

Als Tatsache bleibt allerdings unabhängig vom Ergebnis des letzten Sommerkicks am Dienstag gegen Italien, dass Bundestrainer Hansi Flick alle aktuell offenen Baustellen mit in den Herbst nehmen wird. Die größte ist das Mittelstürmer-Problem, das offensichtlich durch keinen der vorhandenen Spieler-Typen gelöst werden kann. Die zweite ist der Bayern-Block, aus dem mit Ausnahme des jungen Jamal Musiala und Torhüter Manuel Neuer aktuell kein Spieler überzeugt. Die dritte und womöglich daraus folgende Baustelle ist ein Hierarchie-Problem, denn es ist nicht erkennbar, wem die Gruppe zu folgen bereit ist, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen.

Für die WM im Dezember ist das unerfreulich, aber Deutschland hat schon öfter solche Probleme mit in ein Turnier genommen. Und sie erst vor Ort gelöst.

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