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Annette ImhoffSie steckt hinter dem riesigen Erfolg des Kölner Schokoladenmuseums

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Annette Imhoff, Chefin des Kölner Schokoladenmuseums, steht vor einem stilisierte Kakao-Baum in Gold und lächelt in die Kamera.

Annette Imhoff leitet das Kölner Schokoladenmuseum seit Anfang 2016. Sie sagt: „Wir haben eine Kultur und eine Geschichte, auf die ich stolz bin.“

Seit zehn Jahren führt Annette Imhoff das Kölner Schokoladenmuseum ihrer Familie. Offen wie nie spricht sie jetzt über den Erfolg und Zahlen.

„Entschuldigung“, sagt der groß gewachsene junge Mann, der einen weißen Kittel trägt und dessen Aufgabe es ist, Waffeln in die flüssige Schokolade des Schokoladenbrunnens zu tunken und den Besuchern des Kölner Schokoladenmuseums für den Verzehr zu reichen. „Entschuldigung“, sagt er und richtet seine Worte an Annette Imhoff, „ich weiß nicht, ob Sie das dürfen.“ Annette Imhoff ist gerade hinter die Absperrung getreten und posiert neben dem Brunnen für das Foto, das im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erscheinen soll. Klar darf sie das, das ist ihr Schokoladenmuseum. „Ich bin die Geschäftsführerin“, sagt sie, und als der Mann verunsichert lächelt, lächelt sie auch und sagt: „Macht nichts.“

Eine Weile später sitzt Imhoff an ihrem Schreibtisch im Obergeschoss. Hinter einer Glastür hat sie ein schlichtes Büro mit Platz für zwei, drei Besucher. Der Blick von der Nordspitze des Rheinauhafens über den Fluss nach Deutz ist hier spektakulär. Sie spricht darüber, wie sie ihr Unternehmen führt. Sie habe ein klares Verständnis davon, wer welche Aufgabe hat, sagt sie. Da unterscheide sie sich von ihrem Vater. „Ich glaube, jeder muss ersetzlich sein.“

Ihr Vater war der „Kölner Schokoladenkönig“

Annette Imhoff ist die Tochter von Hans Imhoff. Er war der erste Schokoladenfabrikant im Nachkriegsdeutschland, übernahm 1972 den Schokoriesen Stollwerck, baute ein Schokoimperium auf und gegen Widerstände das Schokoladenmuseum. Bei seinem Tod im Jahr 2007 war Hans Imhoff Ehrenbürger der Stadt Köln und wird bis heute „Kölner Schokoladenkönig“ genannt.

Der Vater nimmt in Annette Imhoffs Karriere eine wichtige Rolle ein. Doch sie, die heute selbst zwei erwachsene Töchter hat, ist längst aus seinem Schatten getreten. Sie führt seit zehn Jahren das Schokoladenmuseum ihrer Familie, und sie hat es im Gespann mit ihrem Ehemann Christian Unterberg-Imhoff aus einem Dornröschenschlaf geweckt.

In zehn Jahren hat sie die Umsatzerlöse mehr als verdoppelt. Nie zuvor hat sie so offen darüber gesprochen wie mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: 2015, im Jahr, bevor sie das Ruder übernahm, konnte das Museum sechs Millionen Euro Umsatz verbuchen. Vier Jahre später waren es 8,5 Millionen Euro. Schon 2022, im ersten Jahr nach der Corona-Delle, sind es wieder so viel. Im vergangenen Jahr wurden 12,5 Millionen Euro umgesetzt. Dieses Jahr wird mit etwa 13,5 Millionen Euro Umsatz beendet, verrät Imhoff. Das umfasst nur den Museumsbetrieb mit seinen 115 Beschäftigten – Café und Gastronomie sind in eigene Gesellschaften ausgelagert. Zu schaffen machten die Personalkosten, die mit den Steigerungen im Mindestlohnbereich „ein wirklicher großer Kostenfaktor geworden“ seien. Aber ja, der Museumsbetrieb sei profitabel.

Das Schokoladenmuseum ist das meistbesuchte Museum in NRW

Aber es gibt noch eine Zahl, die unbestreitbar vom Erfolg zeugt: 706.000 Besucherinnen und Besucher kamen im Jahr 2024, nie zuvor waren es mehr. Das Schokoladenmuseum ist das meistbesuchte Museum in NRW. Im vergangenen Jahr zog das Haus 60.000 Menschen mehr an als die zehn Museen der Stadt Köln zusammen. Knapp zwei Wochen vor Jahresende zeichnet sich ab, dass die gerade ein Jahr alte Rekordmarke 2025 knapp übertroffen werden könnte, sagt Annette Imhoff.

Sieht sie sich selbst als erfolgreiche Unternehmerin? Sie zögert. „Ja, vielleicht kann man das so sagen“, sagt sie schließlich. „Ich habe das, glaube ich, ganz gut gemacht.“ Wobei ihrer Mutter Bescheidenheit und Bodenständigkeit wichtig gewesen seien. „Sich seines Glückes bewusst zu sein, das man hatte. Und ich habe schon sehr viel Glück gehabt.“

Man kann es Glück nennen, wenn der Vater der Kölner Schokoladenkönig ist. Das Wort „unbeschwert“ fällt einem nicht ein, wenn man mit Annette Imhoff über ihre Kindheit spricht. Sie sagt, diese sei durch schwierige Zeiten geprägt gewesen. Mitte der 1970er Jahre, ihr Vater hat vor ein paar Jahren Stollwerck gekauft, besucht sie die Grundschule, und die Rote Armee Fraktion verbreitet Angst und Schrecken. „Damals gab es als Tochter eines Industriellen immer die Gefahr, entführt zu werden“, sagt sie. Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer sei direkt vor dem Haus ihrer besten Freundin in Braunsfeld entführt worden. „Wir durften nicht alleine mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Schule gehen“, erinnert sie sich. „Manchmal habe ich mir gewünscht, mein Papa wäre nicht bekannt und zum Beispiel Postbote. Oder Beamter.“

In der Woche sehen die Kinder ihn kaum. „Mein Vater war gefühlt fast nie da“, sagt Imhoff. Und wenn doch, mussten die Kinder am Essenstisch still sein. „Mein Vater erzählte dann – vom Unternehmen, von Kakaopreisen und was er von wem hielt. Das wusste ich damals ganz genau.“ Er habe sie früh gedrängt, ins Unternehmen zu kommen, sagt Annette Imhoff, doch sie habe sich massiv dagegen gewehrt. „Vielleicht hat mein Vater in mir etwas gesehen, aber ich war für ihn auch ein Strohhalm, den er noch greifen konnte.“ Alle Versuche von Hans Imhoff, sich einen Nachfolger im Unternehmen aufzubauen, scheitern. Wie ihr Vater tickte, sagt Imhoff, konnte das auch nicht funktionieren. „Das hätte ja eine Kopie von ihm selbst sein müssen.“

undatierte Aufnahme von Hans Imhoff und seiner Tochter Annette Imhoff (Geschäftsführerin des Schokoladenmuseums)

Hans Imhoff mit seiner Tochter Annette Imhoff und heutigen Leiterin des Schokoladenmuseums, Annette Imhoff

Die Chefin des Schokoladenmuseums sagt, wenn ihr Vater etwas wirklich gewollt habe, habe sich ihm niemand mehr entgegengestellt. So sei es beim Bau des Schokoladenmuseums gewesen. Das Haus hat ihr Vater über 30 Jahre zuvor aus der eigenen Tasche bezahlt – 53 Millionen D-Mark kostete es ihn. Im Herbst 1993 wurde das Museum nach nur 13 Monaten Bauzeit eröffnet. In den Jahrzehnten zuvor hatte Hans Imhoff allerlei Automaten, Sammelalben und Archivmaterial seines Schokoladenkonzerns Stollwerck gesammelt. „So entstand die Idee: Daraus könnte man ein Museum machen. Wir hielten das für großen Quatsch“, sagt Imhoff. „Seine Frau, seine Kinder, seine Berater – niemand fand das gut. Wir haben gedacht, der tickt doch nicht mehr ganz sauber. Das wird ein großes Verlustgeschäft.“

Zum Testlauf im Gürzenich kommen 200.000 Menschen

1989 kommt es zu einem Testlauf im Gürzenich. Anlässlich des 150-jährigen Bestehens von Stollwerck präsentiert Hans Imhoff seine Sammlung den Kölnerinnen und Kölnern. „Mein Papa sagte, wenn zu dieser Ausstellung 50.000 Menschen kommen, baue ich ein Museum“, sagt Imhoff. „Es kamen 200.000, und sie standen in Schlangen rund um den Gürzenich.“

Annette Imhoff steigt erstmals Anfang 1995 beim Schokoladenmuseum ein, da ist sie 25 Jahre alt und kurz davor, ihr Wirtschaftsstudium zu beenden. Auf Drängen des Vaters wird sie Geschäftsführerin. Das Museum ist damals ein anderes als heute. „Ursprünglich war es eine Dependance des Großkonzerns Stollwerck, über den alles lief, vom Einkauf über die Personalabteilung“, sagt sie. „Wenn irgendwas nicht stimmte, kam jemand aus Porz und hat dafür gesorgt, dass wieder alles funktionierte.“ Sie wird das Schokoladenmuseum vier Jahre führen, aber 1995 wird sie auch schon Geschäftsführerin von Larośe, während eine Standortleiterin das Museum managt. Ihr Vater hat Larosé Ende der 1970er gegründet, das Unternehmen beliefert Firmen mit Berufskleidung, Tischwäsche und anderen Textilien und wäscht diese für sie.

„Larosé kam eigentlich zu früh“, sagt Annette Imhoff. „Die ersten Jahre waren hart, ich hätte lieber noch ein bisschen mehr Erfahrung gehabt. Aber ich fand dieses Unternehmen so spannend, auch weil es weit genug weg war von meinem Vater.“ Imhoff wird zu einer ehrgeizigen Managerin, baut eine völlig neue Firmenorganisation auf, professionalisiert den Betrieb, verleibt Larośe in den ersten drei Jahren drei Konkurrenten ein. Ab 1999 konzentriert sich Annette Imhoff auf Larośe. Hans Imhoff ist derart zufrieden mit der Arbeit seiner Tochter, dass er ihr 2002 alle Anteile am Unternehmen überträgt. 2015 verkauft sie Larośe schließlich an einen Wettbewerber, in der Branche herrscht ein starker Preis- und Wettbewerbsdruck. Das Unternehmen ist zu klein, um in diesem Umfeld langfristig bestehen zu können. Zuletzt machen Annette Imhoff und ihr Ehemann und Mitgeschäftsführer Christian Unterberg-Imhoff mit Larośe mehr als 60 Millionen Euro Umsatz und beschäftigen knapp Tausend Mitarbeiter. Über den Kaufpreis wird Stillschweigen vereinbart.

„Seit dem Verkauf von Stollwerck Anfang der 2000er Jahre hatte der Innovationsgeist hier Urlaub“

Das Ehepaar bezieht danach Büros im Schokoladenmuseum, weiß nicht genau, wohin es jetzt geht. Annette Imhoff bekommt das Gefühl, dass das Museum in die Jahre gekommen ist. „Seit dem Verkauf von Stollwerck Anfang der 2000er Jahre hatte der Innovationsgeist hier Urlaub“, sagt sie. „Es war nicht mehr viel passiert. Die Besucherzahlen waren gut, aber es gab großen Handlungsbedarf, die Strukturen zu modernisieren.“ Auch die Ausstellung war museumspädagogisch nicht mehr up to date. „Mein Mann und ich haben sukzessive aufgeräumt“, sagt Imhoff. Die Ausstellung ist inzwischen völlig neu gestaltet worden. Vor zwei Jahren wurde die umgebaute, jetzt interaktive „Weltreise des Kakaos“ und erst diesen Sommer die neue, kulturgeschichtliche Ausstellung eröffnet, Kostenpunkt für letzteres: drei Millionen Euro.

In der Gläsernen Schokoladenfabrik lernen Besucherinnen und Besucher, wie Schokoladen hergestellt wird.

In der Gläsernen Schokoladenfabrik lernen Besucherinnen und Besucher, wie Schokoladen hergestellt wird.

„Insgesamt haben wir in den letzten Jahren über zwölf Millionen Euro investiert.“ Das Kölner Schokoladenmuseum beansprucht heute für sich, die weltweit umfangreichste Darstellung der Geschichte und Gegenwart des Kakaos und der Schokolade zu sein. Auch das Café ist neu. Im Januar wird der Shop modernisiert, Besuchertoiletten und Garderobe sind bald dran. „Und dann sind wir irgendwann durch“, sagt Imhoff. Bis es wieder von vorne losgeht. „Sie können sich das nicht vorstellen: 700.000 Besucher im Jahr nutzen ein Haus ordentlich ab.“

Im Januar wird der Shop modernisiert, Besuchertoiletten und Garderobe sind bald dran

Zur Modernisierung gehört aber auch, Prozesse zu optimieren. So ist das Schokoladenmuseum seit 2024 das einzige Kölner Museum, das Zeitfenster-Tickets anbietet, um dem Andrang in Stoßzeiten gerecht zu werden und Besucherströme zu entzerren.

Noch eins hat Annette Imhoff geändert: „Heute gibt es deutlich mehr Schokolade zum Naschen im Museum. Das war früher eher beschränkt.“ Ein Beispiel liefert die 2020 modernisierte „Gläserne Schokoladenfabrik“ direkt am Schokobrunnen. Vor den Augen der Besucherinnen und Besucher laufen jeden Tag 500 Kilogramm Schokolade vom Band – und an einer Stelle nimmt ein interaktiver Roboterarm auf Knopfdruck ein Stück Schokolade vom Fließband und überreicht es den Gästen auf der anderen Seite der Glasscheibe.

Annette Imhoffs Ehemann ist zuletzt aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Sie hat sich mit Dominik Schröder einen Vertrauten aus Larośe-Zeiten an ihre Seite geholt und verfolgt ehrgeizige Ziele bei der Besucherzahl: „Nächstes Jahr wollen wir ordentlich einen draufsetzen.“

„Wir haben eine Kultur und eine Geschichte, auf die ich stolz bin“, sagt Imhoff. „Für die Frage nach der Nachfolge ist es noch ein bisschen früh, aber natürlich fangen wir an uns Gedanken zu machen.“ Dass das Schokoladenmuseum ein Familienunternehmen ist, sei wichtig. „Du führst ein Unternehmen langfristiger, wenn es einer Familie gehört. Klar müssen und wollen wir Geld verdienen, aber ich kann strategische Entscheidungen treffen, die kurzfristig auch mal zu schlechteren Ergebnissen führen. Das nächste Quartal ist für mich völlig irrelevant.“