Bahngleise zerstörtFirmen in NRW kämpfen mit unterbrochenen Lieferketten

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Stahlwerk Thyssenkrupp

Ein Arbeiter sortiert Verzinkte Stahlblechrollen im Duisburger Werk von Thyssenkrupp.

Köln – Die Industrie in NRW kämpft mit den Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe. So sind Bahnstrecken für den Gütertransport sowohl im Rhein-Erft-Kreis als auch im Ruhrgebiet so stark beschädigt, dass dort aktuell keine Züge verkehren können.

Standorte von der Versorgung abgeschnitten

Der für die Warenzufuhr so wichtige Transport von Gütern per Schiene stockt. So berichtet Stahlgigant Thyssenkrupp, dass Störungen an Bahngleisen einzelne Standorte von der Versorgung mit Vormaterial abgeschnitten haben. Auch der Versand von Waren in Richtung der Kunden sei betroffen. So kommen am Ruhrgebiets-Standort Hagen-Hohenlimburg keine Rohstoffe und andere Vorprodukte mehr aus Duisburg an, die für die Produktion zentral sind.

„Wir sind dringend auf die Bahnstrecke angewiesen“, sagte Thyssenkrupp-Sprecher Mark Stagge. „Die Flutkatastrophe und die damit verbundenen Schäden am Bahnhof Hohenlimburg stellen uns vor große logistische Herausforderungen. Um den Wiederanlauf nach unserer zweiwöchigen Sommerpause am 9. August zu sichern, werden derzeit Ersatzverkehre über andere Bahnhöfe mit Weitertransport per LKW geprüft.“

„Tausende Arbeitsplätze hängen davon ab“

Gelingt das nicht, werden in der Folge auch die Autohersteller in Mitleidenschaft gezogen, die von Thyssenkrupp auch aus Hagen mit Stahlprodukten beliefert werden. Angaben, wann die Strecke und der Bahnhof wieder zur Verfügung stehen, lägen aktuell jedoch nicht vor, sagt Thyssenkrupp-Sprecher Stagge. In der Nachbarschaft des Unternehmens sitzt auch der Stahlproduzent Bilstein. Dessen Lieferketten sind ebenfalls in Teilen abgerissen.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitag, das Ministerium versuche gemeinsam mit Unternehmen, Verbänden und Kammern „kurzfristig pragmatische Lösungen zu finden, um die unterbrochenen Lieferketten schnell wieder herzustellen. Schließlich hängen von intakten Lieferketten auch tausende Arbeitsplätze ab.“

Unterdessen berichtet auch Thomas Kuhlow, Sprecher des Chemieparks in Hürth-Knapsack im Rhein-Erft-Kreis, von „erheblichen Schäden“ an den Gleisen, über die Unternehmen sonst per Zug mit Vorprodukten beliefert werden oder sie nutzen, um fertige Waren abzutransportieren.

Von Lieferverpflichtungen entbunden

Eines der betroffenen Unternehmen ist Vinnolit. Das bayerische Unternehmen, Hersteller von PVC-Produkten, beschäftigt am Standort Knapsack rund 270 Angestellte. Die gestörte Rohstoffzufuhr habe dazu geführt, dass die Produktion zeitweise ausgesetzt beziehungsweise gedrosselt werden musste, sagt Vinnolit-Sprecher Oliver Mieden dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Betroffen sind Gleisverbindungen sowohl ins Werk hinein als auch aus dem Werk hinaus.“

Vinnolit habe, so Mieden, „Force Majeure“ für einige Produkte aus Knapsack ausgerufen. Der Fachbegriff aus den Wirtschaftswissenschaften beschreibt Höhere-Gewalt-Klauseln, die Unternehmen für die Dauer von Störungen von ihren Liefer- und Abnahmeverpflichtungen entbinden.

Der Leverkusener Bayer-Konzern hat in Knapsack ebenfalls etwa 140 Beschäftigte. „Während mehrere unserer Lieferanten von den verheerenden Überschwemmungen betroffen sind“, schreibt Konzern-Sprecher Rolf Ackermann auf Anfrage, „glauben wir, dass unsere Lieferkette widerstandsfähig bleibt und dass wir keine negativen Auswirkungen auf unsere Fähigkeit, unsere Produkte und Dienstleistungen zu liefern, sehen werden.“

Alte Strecke soll reaktiviert werden

Beim Warentransport auf Lkw zu setzen, funktioniert derweil nur mit Einschränkungen. Viele Zufahrtstraßen sind durch die Zerstörungen ohnehin stärker beansprucht als sonst, außerdem ist der Straßentransport deutlich weniger effizient.

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Die Verantwortlichen des Chemieparks Knapsack arbeiten unterdessen an einer Lösung des Lieferkettenproblems. So könnte es schneller gehen, Strecken zu reaktivieren, die jahrelang stillgelegt waren und nun nicht beschädigt wurden, als auf die Reparatur der bislang genutzten Gleise zu warten.  „Wir sind nicht die einzigen, die jetzt Böschungsmaterial, Stützen und neue Gleise brauchen“, sagt Chemiepark-Sprecher Kuhlow und stellt die Lösung in Aussicht: „Wir versuchen, eine deaktivierte Bahnlinie wiederzubeleben.“

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