Kritik von VerbraucherschützernWie sicher ist die Beschichtung für Obst und Gemüse?

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Avocados von Edeka mit dem Apeel-Logo. Die unsichtbare Schutzschicht ist geruch- und geschmacklos.

  • Seit Mitte Juni gibt es bundesweit Obst und Gemüse im Handel, das mit dem Apeel-Verfahren behandelt wurde.
  • Die unsichtbare Schutzschicht soll Lebensmittel länger frisch halten und ist komplett pflanzlich. Ziel ist es, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
  • Der Verbraucherschutz NRW kritisiert, dass es noch an Wissen fehlt, wie sich die Methode auf Obst und Gemüse auswirkt. Zudem seien Apeel-Produkte im Handel teurer.

Düsseldorf – Bundesweit vertreiben Edeka, Marktkauf und Netto seit Mitte Juni Produkte, die mit dem Apeel-Verfahren behandelt sind. Obst und Gemüse sollen so länger frisch bleiben. Das Ziel: Weniger Produkte, die in der Tonne landen. Apeel ist laut dem US-Hersteller „eine Schutzschicht auf pflanzlicher Basis“. Sie verlangsamt den Reifeprozess von Obst und Gemüse. „Die Grundstoffe von Apeel bestehen aus pflanzlichen Fetten – sogenannten Lipiden und Glycerolipiden – die in den Schalen, Samen und im Fruchtfleisch aller Früchte und Gemüsesorten enthalten sind“, heißt es in einer Broschüre der Edeka-Gruppe, die Apeel-Produkte vertreibt. Die Schutzschicht ist für Kunden nicht zu ertasten, geschmack- und geruchlos.

Hier setzt die Verbraucherzentrale NRW Kritik an. Denn nur ein kleiner Sticker auf der Avocado oder Orange weist den Kunden darauf hin, dass das Produkt behandelt wurde. Die Kennzeichnung muss sichtbarer sein, fordern die Verbraucherschützer: „Edeka kennzeichnet das Obst mit dem Logo des US-Herstellers Apeel Sciences, die das Verfahren für die Lebensmittelkette entwickelt haben. Eine allgemein verpflichtende und deutliche Kennzeichnung am Produkt wäre aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW jedoch wichtig, gerade im Hinblick auf Allergiker.“ Noch fehle es an belastbaren Studien, ob nach dem Coating des Produktes – also dem Überziehen mit einer Schutzschicht – die Lebensmittelsicherheit weiter gegeben ist, sagt Frank Waskow von der Verbraucherzentrale. Der Hersteller schließt Risiken für Allergiker durch das Apeel-Verfahren zwar aus, von anderer Stelle belegt ist diese Einschätzung aber bisher nicht.

Handel steht in der Pflicht aufzuklären

Einer der ersten Testmärkte für Apeel-Produkte war der Edeka-Handel von Falk Paschmann in Düsseldorf. Avocados, Mangos und Apfelsinen, die er verkauft, sind allesamt behandelt. Paschmann ist von der Technologie überzeugt: „Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Produkte haben eine deutlich bessere Qualität über eine längere Zeit. Ich bin sicher, dass auch die Kunden das zu Hause merken werden.“ Bisher nehme er nicht wahr, dass die Kunden die „Veränderung“ schreckt.

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Der Edeka Markt Paschmann in Düsseldorf testete als einer der ersten Apeel-Produkte.

Dass viele den Apeel-Sticker nicht wahrnehmen und nicht bewusst zu den Produkten greifen, schließt Paschmann nicht aus. Aufzuklären und darauf hinzuweisen, das sei jetzt die Aufgabe der Handels, findet er. Hier stehen die Märkte noch am Anfang. Bisher wurden die Produkte nicht flächendeckend angeboten. Wer Apeel vertrieb, musste am eigenen Standort erklären und aufklären. Jetzt sei eine „kritische Masse erreicht“, so Paschmann. Jetzt müssten die Handelskonzerne in einer breiten Kampagne informieren.

Höhere Preise für Apeel-Produkte schließt Falk Paschmann für seinen Markt aus. Daran halten sich laut Verbraucherzentrale NRW aber nicht alle: „Aktuell sind diese Produkte etwa doppelt so teuer wie jene ohne Coating. Die Konsequenz: Der Handel hat weniger Verluste und der Verbraucher soll es bezahlen“ Das Apeel-Verfahren koste die Händler natürlich Geld, so Frank Waskow. Entweder die Zusatzkosten würden auf das Produkt aufgeschlagen oder es erfolge eine Verrechnung über die ganze Breite an Obst und Gemüse. Da die Preise auch tagesabhängig sind, sei es nur schwer nachzuvollziehen, ob ein Produkt wegen des Mehraufwands für Apeel teurer verkauft werde.

„Am Ende erreicht man damit wenige“

Falk Paschmann erklärt, in seinem Markt versuche er auf Produkte, die Palmöl enthalten, zu verzichten, verkauft keinen Kaffee, der aus Raubbau entsteht. Seine Bananen kommen aus nachhaltiger Produktion, er bietet den Kunden Papiertüten und Gemüsenetze an, die mehrmals verwendet werden könne. Vor Corona sei auch die Tupperdose über der Theke in seinem Geschäft akzeptiert gewesen. Neben fair gehandelten Lebensmitteln von „Gepa“ und Bio-Linien verkauft Paschmann aber auch weiter „Gut und Günstig“-Produkte, deren Preise festgelegt sind.

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Frank Waskow kritisiert, dass es zwar inzwischen Angebote an qualitativen und regionalen Produkten gibt – Aldi verkauft den Beutel mit krummen Möhren, Penny seine Linie Bio-Helden – diese aber nur wenige Menschen erreichten. „Das ist für die Leute, die eh engagiert sind. Das ist schön für das Image. Aber am Ende erreicht man damit wenige“. Auch könne die Apeel-Methode nur für eine relativ geringe Menge an Obst- und Gemüsesorten eine Lösung sein. Bio-Produkte sind davon ausgeschlossen, mit dem Verfahren behandelt zu werden. Nur Produkte, deren Schale nicht mitgegessen wird, kommen in Frage. „Für die Bandbreite an Obst und Gemüse braucht es noch viele Gedanken und viele verschiedene Lösungen“, so Waskow.

Produkte trotz überschrittenem MHD gesund und genießbar

Er schätzt, dass mit dem richtigen Marketing etwa die Hälfte der Kunden bereit wäre, „naturnahe Produkte“ zu kaufen: „Der Wettbewerb sollte sich nicht um den niedrigsten Preis drehen, sondern darum, wer die höchste Qualität und Nachhaltigkeit hat“, sagt er. Die Händler würden den konsequenten Schritt zum Ressourcenschutz und die Abkehr vom Preiskampf scheuen. Frank Waskow sieht die Politik in der Verantwortung, ein Angebot an regionalen und gleichzeitig bezahlbaren Produkten zu ermöglichen, aber auch den Handel.

Produkte, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, sollten attraktiv präsentiert werden, statt als „Resterampe“. Krumme Möhren nicht gesondert, sondern neben den schönen Möhren liegen. Der Verbraucher müsse lernen, dass beides gleich gesund und genießbar ist. Dass nach dem Apeel-Verfahren nicht nur die Schale länger schön aussieht, sondern auch die Vitamine und Nährstoffe erhalten werden, müssten Wissenschaftler erst noch herausfinden, so Frank Waskow. Eine Studie zu biobasierten Barriereschichten führt gerade das Frauenhofer-Institut durch. Bis 2022 soll das Projekt abgeschlossen sein.

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