Früher 50 Cent, jetzt 1 EuroFür Sanifair-Bons gelten in den Ferien neue Regeln

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Ein Kunde bezahlt die Benutzung des Toilettenbereichs in einer Autobahnraststätte.

Sanifair betreibt 70 Toiletten-Anlagen an 52 Standorten entlang der Autobahn in NRW.

Die Preise und Regeln für den Zugang zu Sanitäranlagen von Sanifair haben sich über die Jahre geändert. Wer alte Bons hat, sollte sie nicht wegschmeißen.

„Ich lasse die Bons jetzt verfallen“, sagt Annette Schmitz. Eine Aussage, die sich doch kaum einer traut. Wer sammelt nicht lieber jahrelang Gutscheine in Schubladen? Die 76-jährige Kölnerin macht da nicht mit: Sie schmeißt ihre Sanifair-Bons weg und erklärt warum.

Annette Schmitz nimmt gerne an Busreisen teil. Alle zwei Stunden machen die Busfahrer einen vorgeschriebenen Stopp an Raststätten, erzählt sie. Und da gehen die Reisenden natürlich zur Toilette. Die gehören zu Sanifair, sind also immer sauber.

1 Euro kostet ihr Nutzungsentgelt seit vergangenem November. Vorher wurden Bons für 50 Cent auf das damalige Entgelt von 70 Cent ausgestellt. „Jetzt kommen am Tag sechs bis sieben Euro zusammen“, sagt Schmitz. „Früher habe ich die Bons gegen Zeitschriften eingelöst.“ Auf Zeitschriften aber können Sanifair-Bons nicht mehr angerechnet werden, heißt es in den Statuten. „Es macht ja keinen Sinn, noch draufzuzahlen, wenn alles so teuer ist“, sagt Schmitz also – und lässt die Bons verfallen.

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1 Euro Entgelt für die Toilette

Damit ist sie nicht alleine. Wie viele Wertbons tatsächlich eingelöst werden, verrät das Unternehmen nicht. An den 430 Standorten entlang der Autobahn nutzen „jährlich Millionen Reisende“ die Sanifair-Anlagen, heißt es von Sanifair auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. In Nordrhein-Westfalen liegen 52 der Standorte, auf sie verteilt sind 70 Sanifair-Anlagen.

Eine Umfrage des rbb unter der Sanifair-Kundschaft ergab 2019, dass jeder zweite Bon nicht eingelöst werde. Das bestritt das Unternehmen damals. „Unserer Erfahrung nach machen Kunden sehr gerne von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Sanifair-Bons bei unseren Partnern einzulösen, entweder sofort oder später“, schreibt das Unternehmen auf die Fragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“

Seit der jüngsten Entgelterhöhung gelten neue Regeln: So wird der volle Euro bei Einlösung des Wertbons erstattet. Allerdings ist es nur noch möglich, einen Bon pro Einkauf einzulösen.

Viele Sanifair-Bons verfallen: Faulheit oder Kalkül?

Eine gute Nachricht gibt es für diejenigen, die noch stapelweise alte 50-Cent-Bons im Handschuhfach gesammelt haben: Sie können weiterhin eingelöst werden. Alle Bons, alte und neue, sind im laufenden Kalenderjahr sowie in drei folgenden gültig, also bis zu vier Jahre. Bei den alten 50-Cent-Bons gelten zudem noch die damaligen Konditionen, weshalb von ihnen mehrere pro Einkauf eingelöst werden können. Auch in Kombination mit einem neuen 1-Euro-Bon.

Aber für Annette Schmitz sei das keine Option mehr, sagt sie. Ein diese Woche vom ADAC veröffentlichter Raststätten-Test stellte vielen Anlagen unter anderem wegen der überteuerten Preise in den Shops ein vernichtendes Urteil aus. Würde Schmitz die Toiletten-Bons dort oder etwa in den Serways- oder Gusticus-Restaurants einlösen, landet das Geld beim selben Profiteur wie hinter Sanifair: Tank und Rast.

Das Mutterunternehmen mit Sitz in Bonn hält die Konzession für beinahe jede Raststätte in Deutschland und hat damit eine Monopolstellung. Seit der Privatisierung der Anlagen 1998 zahlt Tank und Rast eine Konzessionsabgabe an den Bund, die vom Umsatz abhängig ist. Eine Kleine Anfrage der Links-Fraktion im Jahr 2016 zeigte, dass der Bund damit ein Verlustgeschäft eingegangen war.

Alternativen zu Sanifair: Günstiger, aber nicht so sauber

Wer nicht für den Toilettengang zahlen möchte, kann unbewirtschaftete Rastplätze ansteuern. Mehr als 1500 gibt es in ganz Deutschland. Hier führte der ADAC vergangenen Herbst einen Test durch und bewertete 44 Prozent der Auswahl mit der Note „gut“ oder „sehr gut“. Aber: Jeder fünfte Rastplatz fiel unter anderem wegen mangelnder Sauberkeit der Sanitätshäuschen durch. Eine weitere Alternative sind Autohöfe, die abseits der Autobahn in der Regel niedrigere Preise bieten, sicherlich auch wegen des dort vorhandenen Wettbewerbs mehrerer Ketten. 

Trotz der Kritik nutzt Annette Schmitz die Sanifair-Anlagen auf ihren Reisen immer wieder. Denn sie seien wirklich sauber. Die Reinigung der Anlagen erfolge nicht nach einem Zeitplan, sondern mehrmals täglich nach Bedarf, teilt das Unternehmen mit. So stelle es sich auch auf Sommerreisewellen ein.

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