Zehn Jahre Häuser-StreitNun droht der IHK Köln noch Zahlung auf Schadensersatz

Das Kammergebäude in der Innenstadt
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Köln – Diese Geschichte scheint nicht enden zu wollen – seit mehr zehn Jahren diskutiert die Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) über ihren Sitz. Nach heftigem Streit, zig Vollversammlungssitzungen, mehreren Sanierungsmodellen, Abstimmung über mehrere Kaufoptionen, Kauf des Neubaus Lofthaus, steht die Kammer nun, so scheint es, wieder am Anfang.
Die Kosten, die im Laufe der Jahre versenkt worden sind etwa für Gutachten, Analysen, Entwürfe, mehrere Unternehmensberatungen dürften dabei nicht unerheblich sein. Und wie geht es nun weiter? Ein Über- und Ausblick.
Was bisher geschah
Das Lofthaus in Köln-Mülheim, dass die Kammer 2019 gekauft hatte, ist als künftige Zentrale der IHK nun endgültig aus dem Rennen. Die Kammer möchte auch künftig ihren Sitz in der Kölner Innenstadt haben. Das hat die Vollversammlung am 20. September entschieden. Der Neubau in Mülheim, in den die Mitarbeiter der Kammer im kommenden Jahr einziehen sollten, wird entweder verkauft, vermietet oder der Kauf soll komplett rückabgewickelt werden. Letztere Option wäre dem Vernehmen nach wohl für beide Seiten die unkomplizierteste.
Mit welchen Kosten wäre eine Rückabwicklung verbunden?
Sollte die Kammer vom rechtsgültigen Vertrag mit dem Projektentwickler Art Invest zurücktreten, bekommt sie zwar die gezahlte Grunderwerbsteuer bei einem Kaufpreis von rund 39 Millionen Euro zurück. Zu erwarten ist aber auch, dass die Kammer dem Investor Schadenersatz zahlen muss. Schließlich hat sie sich selbst in diese Situation gebracht, und der Neubau wurde an einigen Stellen entsprechend den Wünschen der IHK gestaltet.
Welche Szenarien gibt es für Verkauf und Vermietung?
IHK-Präsidentin Nicole Grünewald betont im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass alle drei Optionen gleichwertig geprüft werden. „Für einen Verkauf sind wir bereits mit Maklern im Gespräch“, sagt Grünewald. Auch sei man auf Mietersuche, um das Gebäude möglicherweise vermietet zu verkaufen. Dass die Kammer allerdings bei den steigenden Immobilienpreisen unter dem Strich einen Gewinn macht, davon geht Grünewald nicht aus.
Was sagt Art Invest zu dem Hin und Her?
Nach Aussagen von Art Invest liegen Baufortschritt und Kosten voll im Zeitplan, bzw. besser als geplant. „Wir respektieren die Entscheidung der IHK-Vollversammlung“, sagt Arne Hilbert, Geschäftsführer der Art-Invest Real Estate Management. Man sei mit der Kammer in konstruktiven Gesprächen, um eine gemeinsame Lösung zu finden.
Was sind nun die nächsten Schritte?
Die Kammerführung unter Präsidentin Nicole Grünewald und dem neuen Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein wurden von der Vollversammlung mit der Suche nach einer Lösung für das Lofthaus beauftragt. Nach der Befragung von Kammermitgliedern, ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie von Vertretern aus Politik und Gesellschaft, ergab sich ein Anforderungsprofil, was die Kammer ausmachen sollte. Demnach sieht die Mehrheit der Befragten die Kammer als Ort der Vernetzung und des Austauschs. Das Lofthaus sei hingegen ein reines Bürogebäude. Deshalb ist es nun raus.Eine Unternehmensberatung erarbeitet jetzt ein konkretes Raumprogramm, etwa für Tagungsräume, Veranstaltungsflächen oder Bürokonzepte. Der Prozess soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.
Wie soll die Kammer der Zukunft aussehen?
Präsidentin Grünewald betont, dass anders als in der Vergangenheit erstmals an einer Vision für eine IHK der Zukunft gearbeitet werde. „Die Arbeitswelt hat sich spätestens nach Corona verändert. Mobiles Arbeiten hat einen ganz neuen Stellenwert bekommen“. Deshalb brauche man voraussichtlich auch weniger Flächen. Zudem werde geprüft, ob man die Weiterbildung, die jetzt in der Eupener Straße angesiedelt ist, integrieren kann. Die derzeitigen Kosten für die Anmietung, die sich laut Grünewald auf mehrere Hunderttausend Euro im Jahr belaufen, ließen sich so einsparen.
Was dient als Vergleichsmaßstab?
Für den gesamten Prozess wird der alte Standort Unter Sachsenhausen und ein fiktiver Neubau in der Innenstadt auf Eignung, Kosten und zeitliche Machbarkeit geprüft. Das ist insofern interessant, weil man kein Kenner des völlig überhitzten Kölner Immobilienmarktes sein muss, um zu erkennen, dass in der Kölner Innenstadt ein Grundstück dieser Größenordnung wohl nur sehr schwer oder zu einem sehr hohen Preis zu bekommen sein dürfte. Es sei denn, die Kammer hat ein unfassbares Ass im Ärmel, von dem niemand bislang etwas weiß.
Warum also der fiktive Neubau als Referenz?
Kritiker führen an, dass man damit den Kostenrahmen für eine Sanierung des maroden Kammergebäudes Unter Sachsenhausen hochrechnen kann. Auch auf Initiative der heutigen Präsidentin Grünewald hatte die Vollversammlung die Kosten für eine der damals diskutierten Sanierungsvarianten auf 40 Millionen Euro gedeckelt. Das sei, so heißt es dem Vernehmen nach, längst nicht mehr in Stein gemeißelt. Ein fiktiver Neubau in bester Innenstadtlage nach den individuellen Wünschen gestaltet, dürfte rein rechnerisch deutlich teuer sein. Grünewald sagt dazu: „Wir wollen eine Vision entwickeln, und dann müssen wir in der Vollversammlung gemeinsam entscheiden, ob uns das die Summe X wert ist“.
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Wie teuer wird es?
Bereits vor mehr als drei Jahren hatte sich kein Bauunternehmer gefunden, der sich in der Lage sah, das Gebäude für 40 Millionen zu sanieren. Das letzte Angebot eines Generalunternehmers lag damals schon bei knapp 57 Millionen Euro. Denn das derzeitige Gebäude der Kammer in der Innenstadt ist schwer sanierungsbedürftig: Auflagen des Denkmalschutzes, Probleme bei Brandschutz und Starkregen sowie Asbest. Seitdem hat sich die Lage am Bau noch weiter verschlechtert. Nicht nur Bauunternehmer und Handwerker sind kaum zu bekommen, mittlerweile fehlt es auch an Baumaterial weltweit. Hinzu kommen noch langwierige Ausschreibungsverfahren, zu denen die Kammer verpflichtet ist.„Wir haben keinen Zeitdruck“, sagt Grünewald dazu. Man müsse sich jetzt die Zeit nehmen, das Thema in Ruhe zu beleuchten. Die IHK habe für ihr jetziges Gebäude, trotz schwerem Sanierungsstau, auch noch ein gültiges Brandschutzgutachten.