Interview zu Bauvorhaben in Köln„Personaldecke der Stadtverwaltung ist extrem dünn“

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Blick auf Köln-Mülheim von oben

  • Stefan Rappen ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner in der Kölner Kanzlei CBH. Er wird regelmäßig eingeschaltet, wenn es um Planungs- und Genehmigungsprozesse bei Bauprojekten geht.
  • Im Interview sagt er: Es gibt eine zu hohe Planungs- und Regelungsdichte – die vereinfacht werden muss.

Herr Rappen, die Stadt braucht Wohnraum und die Bauindustrie will ihn schaffen – da sollten beide doch prima miteinander klarkommen. Trotzdem werden regelmäßig Sie eingeschaltet. Warum?

Weil die Planungs- und Genehmigungsprozesse so kompliziert und zu langwierig ablaufen, da sind sehr viele planerische, aber auch rechtliche Anforderungen umzusetzen. Man muss unterscheiden zwischen den Planverfahren, also der Schaffung von Baurecht, und den anschließenden Baugenehmigungsverfahren. Bis man in Köln überhaupt mal formal zu Baurecht kommt, dauert es gern drei bis vier Jahre, manchmal sogar länger. Und dann erst schließen sich die Baugenehmigungsverfahren an.

Muss das so lange dauern?

An sich nicht. Aber die Personaldecke ist bei der Stadtverwaltung extrem dünn. Außerdem sind viele Abstimmungsprozesse notwendig, da kommt es häufig zu langwierigen Diskussionen innerhalb der Verwaltung, aber auch zwischen Verwaltung und Politik. Und letztlich gibt es heute eine allzu hohe Planungs- und Regelungsdichte.

Ginge es nicht auch anders?

Man könnte schon einige Dinge vereinfachen. Es gibt auch schon einige Ansätze, die die Stadt verfolgt. Es sollte aber auch eine weniger hohe Regelungsdichte in der Planung angestrebt werden. Stadt und Politik wollen häufig gern alles bis ins letzte Detail im Bebauungsplan geregelt haben. Das kann aus städtischer Sicht wünschenswert sein, verlängert aber den Planungsprozess um ein Vielfaches. Mit etwas planerischer Zurückhaltung könnte man die Prozesse beschleunigen. Wenn ich die Wohnraumnot in Köln beheben will, aber die Ausweisung von Flächen zur Bebauung mit so hohen inhaltlichen Anforderungen verbinde, dann habe ich ein Zeitproblem. Dann geht es nicht voran.

Ist es die Sorge, dass die Bauindustrie nur aufs Geld und nicht auf Sozialverträglichkeit achtet, die zur Überregulierung geführt hat?

Nein, genau das Gegenteil ist ja der Fall. Die Wohnungswirtschaft hat vor einigen Jahren mit der Stadt ein Wohnbündnis geschlossen, da wurden klare Bedingungen für die Zusammenarbeit festgelegt. Unter anderem, dass pro Jahr 6000 Wohneinheiten entstehen sollen. Und dass bei größeren Wohnbauprojekten von den Bauherren jeweils 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum errichtet wird und dazu soziale Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Spielplätze und Grünflächen. Dazu hat sich die Bauwirtschaft freiwillig verpflichtet. Die Gegenleistung der Stadt sollte sein, ausreichend Flächen für den Wohnungsbau zu überplanen und die Arbeitskräfte für die Durchführung der Verfahren zur Verfügung zu stellen. Nach vier Jahren muss man aber feststellen: Die Stadt hat es einfach nicht geschafft, ausreichend und schnell genug Baurecht zur Verfügung zu stellen.

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Und das liegt offenbar nicht an einem Mangel an Flächen.

Potenzialflächen, um Baurecht für Wohnraum zu schaffen, sind genug vorhanden. Aber dafür braucht man nicht nur die Aktivierung von innerstädtischen Brachflächen, sondern auch neue Flächen am Stadtrand. Und die komplexen Prozesse der Planung und Genehmigung müssen eben laufen. Die Stadt Köln braucht dafür zu lange. Dieses Dilemma kann man nur auflösen, indem man die Prozesse deutlich vereinfacht, die Behörden massiv mit zusätzlichem Personal besetzt, Planungsdichten reduziert, oder auch vermehrt Hilfe von externen Projektmanagern und Verwaltungshelfern in Anspruch nimmt. Ansonsten wird die Zielmarke von 6000 neuen Wohnungen pro Jahr so schnell nicht erreicht werden können. Und ich sehe die jungen Angestellten bei uns in der Kanzlei, die sagen, sie müssen mit ihrer Familie nach draußen ziehen, weil sie sich in der Stadt keinen Wohnraum mehr leisten können.

Was soll da erst die Krankenschwester sagen?

Würde ich auch meinen. Neben dieser Gruppe der jungen Professionals, egal ob Anwälte, Banker oder andere Akademiker, müssen auch viele andere Leute mit ihren Familien raus, weil es in der Stadt kein bezahlbares Wohnen mehr gibt. Und an diesem Defizit hängt ja auch das Defizit an öffentlich gefördertem Wohnraum. Könnten mehr Projekte umgesetzt werden, entstünden über das Kooperative Baulandmodell ganz automatisch auch mehr öffentlich geförderte Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung.

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