Klimaforscher über Greta„Physikalisch ist ihre Kritik richtig, politisch nicht“

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Ernst Ulrich von Weizsäcker

Klimaforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker

  • Ernst Ulrich von Weizsäcker ist einer der renommiertesten deutschen Klimaforschern.
  • Der Wissenschaftler spricht unter anderem über Kritik an Greta Thunberg und sagt, was er nach einem persönlichen Treffen von ihr hält.
  • Von Weizsäcker sagt außerdem, warum es richtig ist, dass Deutschland aus der Kohle aussteigt, obwohl weltweit neue Kraftwerke gebaut werden.

Köln – Herr von Weizsäcker, Sie leben in Emmendingen, mit welchem Verkehrsmittel sind Sie nach Köln gekommen?

Ich bin mit der Bahn gekommen, das war ganz unproblematisch.

Wie beurteilen Sie Köln in Sachen Klimaschutz?

ÖPNV, U-Bahnen, S-Bahnen – es mag sein, dass die Bürger das als zu wenig empfinden, verglichen mit ähnlichen Städten in den USA ist Köln klimatechnisch ein Paradies. Die USA haben so einen Flächenverbrauch bei ihren Städten, dass ÖPNV kaum möglich ist. Das ist in Köln anders.

Zur Person

Ernst Ulrich von Weizsäcker (80) ist ein Umweltwissenschaftler und Politiker (SPD). 1998 bis 2005 war er Mitglied des Bundestages. Von 2012 bis 2018 war er Ko-Präsident des Club of Rome. Er ist Bruder des Ökonomen Carl Christian von Weizsäcker und Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.

Was sagen Sie dazu, dass ein Leugner des menschengemachten Klimawandels Präsident der USA ist?

Ich bin da sehr skeptisch mit der vorgeschobenen Klimaleugnerschaft von Donald Trump. Verglichen mit der Obama-Regierung hat Trump die Mittel für Geo-Engineering verfünffacht. Geo-Engineering hat zum Ziel, das Klima einer Region künstlich zu kühlen. Daraus schließe ich, dass er in Wahrheit keinen Zweifel am Klimawandel hat. Das vertritt er nur, weil er noch über Jahre weiter Kohlekraftwerke in den USA am Laufen halten will. Geo-Engineering ist im Übrigen Quatsch, weil dann Landwirtschaft in betroffenen Regionen über zehn Jahre nicht mehr möglich wäre, weil es zu kalt ist. Er bedient nur die Lobby, die Schürfrechte für fossile Energieträger hat und damit ein Milliardenvermögen schafft.

Deutschland schaltet alle Kohlekraftwerke ab, während weltweit 1300 neue gebaut werden. Ist das nur Tropfen auf den heißen Stein?

Zunächst mal muss ich Ihnen sagen, Sie haben falsch recherchiert (lacht). Ihre Zahl ist aus dem Jahr 2017. Heute sind „nur“ noch 600 Kohlekraftwerke im Bau. Aber natürlich ist der deutsche Kohleausstieg richtig. Er ist ein Symbol an die Welt. Mit den Technologien werden wir Pionier des Energiewandels weltweit. Wir werden das erste wohlhabende Land ohne Kohle.

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„Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass es ohne Kohle geht."

Wie soll das gehen in einem Industrieland wie unserem?

Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass es geht. Ich bin einer der Väter des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), gegen das die Industrie am Anfang sehr gewettert hat. Jetzt sehen wir, dass Solar- konkurrenzfähiger ist als Atomstrom. Der Preis für eine Kilowattstunde ist seit 2000 von 30 US-Cent auf vier US-Cent gesunken, während sich der Atomstrom seit 2002 von fünf auf mehr als 32 Cent verteuert hat.

Warum ist Atomstrom teuer?

Das wissen viele nicht. Es liegt vor allem an den hohen Sicherheitskosten der Reaktoren.

Aber könnte nicht Atomstrom eine CO2-freie Alternative zu fossilen Energieträgern sein?

Ja, CO2-frei vielleicht, aber was ist mit anderen Emissionen? Das ist sowieso ein riesiger Denkfehler. Alle reden nur noch über CO2. Sie Journalisten – mit Verlaub – haben es hochgeschrieben. Dabei gibt es noch ganz andere, zum Teil viel gefährlichere Klimagase. Denken Sie an Methan, Wasserdampf oder Lachgas. Lachgas, was durch Überdüngung in der Landwirtschaft entsteht, hat einen 150-mal so hohen Treibhauseffekt wie CO2.

Die Landwirtschaft ist schuld?

Die heutige Landwirtschaft ist allein betriebswirtschaftlich orientiert. Das ist einer der Ursprünge der Fehlerläufe. Es gibt für Landwirte keinerlei Anreize, den Ausstoß von Lachgas zu reduzieren. CO2 ist nur 50 Prozent des Klimaproblems.

Sie beschreiben Deutschland als weiterhin wohlhabendes Land. Wie soll das gehen ohne fossile Energieträger?

Ich kann mir eine technologische Revolution vorstellen, mit der man reich bleibt. Energie aus Sonne, Wind oder Wasser sind nur die eine Seite. Der schlafende Riese heißt Effizienz. Dieser muss geweckt werden.

Können Sie das in für Nicht-Physiker nachvollziehbaren Beispielen erläutern?

Sicherlich. Beispiel LED. Kaltes Licht. Die ganze Energie wird in das Licht gesteckt und nicht in in dem Fall unerwünschte Wärme. Das ist zehnmal so effizient wie bei einer Glühbirne. Oder denken Sie an vernünftige Fenster, die tagsüber Licht hereinlassen und so elektrisches Licht ersetzen. Ich selbst wohne in einem Passivhaus. Das ist hervorragend isoliert. Es gibt kleine Gitter an der Wand für Frisch- und Abluft. Die ausströmende Abluft erwärmt dabei die Frischluft, was Energie spart. Heizkosten sind bei uns in der Familie kein Thema mehr.

Sie sprechen immer über Effizienz. Wie effizient ist ein E-Auto im Vergleich zum Verbrenner?

Ein einen Liter verbrauchender Diesel wäre sicher besser fürs Klima als ein Elektroauto. Ich bin nicht für Diesel, aber wir dürfen jetzt nicht jeden neuen Diesel verschrotten, und alles auf „E“ setzen. Das kann ein ökologischer Fehler sein. Ohnehin denke ich, Wasserstoff und nicht Batterie-Elektrik gehört beim Auto die Zukunft. Die Brennstoffzelle braucht keine Batterie und ist daher leichter.

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„Ich weigere mich, den Verbrennungsmotor insgesamt zu verdammen.“

Aber der Verbrenner ist tot?

Ich weigere mich, den Verbrennungsmotor insgesamt zu verdammen. Es gibt eine Technik, Wasserstoff und CO2 chemisch zu vermählen. Daraus entsteht Methanol. Da ist praktisch wie Benzin, ein klimaneutraler Verbrennungsmotor also. Man verbindet Wasserstoff mit Industrieabgasen in einer Art Tümpel. Man braucht nur Wasser dazu, aber 70 Prozent der Erdoberfläche sind damit bedeckt. Es dürfte also kein Problem sein.

Manche neuen Technologien sind ökonomisch gut, aber energetisch nicht, weil der Bau einer Solarzelle mehr Energie und Ressourcen verschlingt, als sie je einbringt…

Das gilt für die Solarzellen der ersten Generation. Heute stimmt das nicht mehr. Der Erntefaktor ist heute nach wenigen Jahren erfüllt. Solarstrom wird auch heute noch jedes Jahr billiger. Bei Wasserkraft sind wir am Ende, da haben Sie Recht. Wir brauchen keine neuen Mega-Staudämme, weder hier noch in Lateinamerika oder Afrika. Ein Ausbau wäre da ökologisch falsch. Aber Photovoltaik ist ausbaufähig. Wir brauchen nur Stromspeicher. Die Chinesen haben uns überholt. Gegen die fünf größten chinesischen Firmen in dem Bereich ist Varta ein Zwerg.

Effizienz ist die eine Seite, was ist mit Sparen?

Dieses Thema werfe ich nie auf. Es hat was von Besserwisserei der Reichen. Das klingt nach: So lange die Effizienz nicht ausgereizt ist, sollen bitte alle sparen, das ist gemein gegenüber den Armen.

Würden Sie Greta Thunberg dann die gleiche Besserwisserei vorwerfen?

Ich kenne Greta Thunberg persönlich. Ich fand sie ausgeglichen, gescheit, bescheiden, gut informiert. Wer ihr unterstellt, den großen Auftritt zu suchen, kennt sie nicht. Ich habe sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz erlebt. Sie wurde nach ihrem großen Auftritt gefragt und sagte nur: Ich bin hier, um zuzuhören und mich zu informieren.

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Ist das, was Fridays for Future will, nicht nur purer Alarmismus?

Ja und nein. An manchen Stellen verlangt Greta Thunberg Dinge, die in einer Demokratie nicht durchsetzbar sind, sonst erleben wir so etwas wie Frankreich mit den Gelbwesten. Greta hat Ursula von der Leyen kritisiert wegen ihres Kompromisses, CO2-Emissionen zu verteuern. Physikalisch ist Gretas Kritik richtig. Politisch nicht.

Im Juni wurden in Deutschland ehrgeizige Ziele in der Klimapolitik präsentiert, danach erlebte die AfD im Osten eine Verdoppelung ihrer Stimmen. Bei einer AfD mit 30 Prozent im Bund wird unser Land handlungsunfähig. Ich finde Greta großartig, manche Forderungen sind aber nicht durchsetzbar, da habe ich mehr Politikerfahrung. Klimapolitik muss für Bürger tragbar sein, so dass sie mitmachen.

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