Kölner Zurich-Chef„Wir zahlen nur, was auch versichert ist“

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Carsten Schildknecht Zurich Chef

Zurich-Deutschlandchef Carsten Schildknecht

  • Carsten Schildknecht, Chef von Zurich Deutschland, spricht über den Weg des Kölner Versicherers durch die Corona-Krise, den anhaltenden Ärger um die Thomas-Cook-Pleite und die geringe Auslastung der neuen Zentrale in der Deutzer Messe-City.

Herr Schildknecht, der Zurich-Konzern musste jüngst einen deutlichen Gewinnrückgang um 20 Prozent auf 4,2 Mrd. Dollar vermelden. Wie kommt die Zurich Deutschland bislang durch die Krise? Wir kommen sehr gut durch die Krise. Die Geschäftszahlen werden wir erst Ende März veröffentlichen. Aber ich kann schon so viel verraten, dass wir wesentlich besser dastehen als noch vor ein paar Jahren. Geschäftlich ist es uns gelungen das Schiff zu drehen. Wir wachsen wieder – und zwar schneller als der Markt. Auch unter den Aspekten Ergebnis, Kunden- und Mitarbeiter-Zufriedenheit war das unter den besonderen Umständen ein erstaunlich gutes Jahr.

Was waren denn die wichtigsten Faktoren für den guten Verlauf?

Das hängt mit der Zusammensetzung unseres Geschäfts zusammen. In Bereichen, die stark durch die Krise betroffen sind, wie etwa Betriebsschließungen, sind wir nicht so stark vertreten wie einige Wettbewerber. Das gilt auch für Gewerbekunden und den kleineren Mittelstand, wo die Schäden derzeit größer sind. Hier wollen wir aber perspektivisch wachsen.

Zu Person & Unternehmen

Carsten Schildknecht ist seit Februar 2018 Vorstandschef der Zurich Deutschland. Der Wirtschaftsingenieur studierte und promovierte an der Technischen Universität Darmstadt. Er begann seine Laufbahn als Unternehmensberater in der Automobilbranche und war im Anschluss in der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank tätig. Danach war er Chief Operating Officer des italienischen Versicherers Generali. Vor seinem Wechsel zur Zurich war Schildknecht Berater und Investor von Start-ups. Schildknecht ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Die Zurich Gruppe in Deutschland gehört zur weltweit tätigen Schweizer Zurich Insurance Group. Mit Beitragseinnahmen von über sechs Milliarden Euro (2019) und Kapitalanlagen von mehr als 50 Milliarden Euro zählt Zurich zu den führenden Versicherungen in Deutschland.

Die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen aber auch von Privatpersonen ist derzeit schwierig. Erleben Sie vermehrt Forderungsausfälle?

Wir haben ein umfassendes Instrumentarium für Privat- und Geschäftskunden, mit dem Beiträge gestundet oder ausgesetzt werden können. Das ist aber bislang nicht sehr häufig in Anspruch genommen worden.

Gastronomen klagen bundesweit gegen Versicherer, weil die nur wenig aus den Betriebsschließungsversicherungen zahlen – Corona sei nicht bekannt gewesen. Die Zurich musste nun jüngst eine Niederlage vor dem Düsseldorfer Landgericht hinnehmen und mehrere Hunderttausend Euro an einen Wirt zahlen. Glauben Sie, dass die bayerische Lösung, wonach nur ein sehr geringer Teil gezahlt wird, Bestand haben wird oder kippt die Stimmung?

Nein, die Stimmung kippt nicht. Wir sehen uns, durch die Entscheidung des OLG Stuttgart und der überwiegenden Entscheidungen örtlicher Landgerichte weiterhin in unserer Rechtsauffassung bestärkt, dass unsere Bedingungen zur Betriebsschließungsversicherung das Covid-19 Virus nicht abdecken. In zwei Dritteln der Fälle entscheiden die Gerichte zugunsten der Versicherer. Das Urteil aus Düsseldorf ist nicht rechtskräftig, wir werden in Revision gehen. Wir stehen zur bayerischen Lösung, die wir mit der Landesregierung und dem Dehoga gemeinsam vereinbart haben und die viele Kunden in Anspruch genommen haben. Man kann keine Pandemie dieses Ausmaßes privatwirtschaftlich versichern.

Wird nicht das Vorurteil bestätigt, dass Versicherer nicht zahlen, wenn es drauf ankommt? Und ist der Reputationsschaden nicht höher, als wenn gezahlt worden wäre?

Nicht notwendigerweise. Selbstverständlich kommen wir unseren Versprechen nach und zahlen an unsere Kunden in allen Sparten jedes Jahr Milliarden Euro an Schäden aus. Wir können aber nur das zahlen, was nach den Bedingungen auch versichert ist. Die Pandemie ist eine außergewöhnliche Situation. Die Betriebe schließen ja nicht wegen eines einzelnen betrieblichen Infektionsfalles, sondern müssen vorsorglich und landesweit auf behördliche Anordnung schließen. Es kann politisch nicht gewollt sein, dass die privatwirtschaftliche Versicherungsindustrie für nicht versicherbare Schäden aufkommt. Sie kann es nicht stemmen.

Sie verweisen auf die öffentliche Hand. Wie ist der Stand beim insolventen Reiseveranstalter Thomas Cook, den die Zurich versichert hatte? Die Bundesregierung hat angekündigt, sich einen Teil des Geldes, das sie für die Entschädigung der Reisenden ausgegeben hat, bei der Zurich zurückzuholen.

Es gab zwei Verpflichtungen aus Reiseabsicherung, die Thomas Cook abgeschlossen hatte. Zum einen galt es, die Reisenden unversehrt zurückzuholen. Hier haben wir vorbildlich agiert und 140.000 Kunden in nur zwei Wochen in die Heimat zurückgebracht. Zweitens galt es, Kunden, die eine Anzahlung geleistet hatten, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu entschädigen. Der Gesamtschaden aus beiden Positionen übersteigt den gesetzlich geregelten Deckel von 110 Millionen Euro , daher erhalten die Kunden eine Quote auf ihre Ansprüche. Auch dies ist gesetzlich geregelt. Die von den Kunden geltend gemachten Beträge haben wir zügig entsprechend dieser Quote ausbezahlt. Wir haben zudem bei der Quote von anfangs 17,5 Prozent auf 26 Prozent nachgelegt, weil weniger Schäden als erwartet gemeldet wurden. Dieser Zahlungsprozess zugunsten der Kunden ist unsererseits komplett abgeschlossen. Die Regierung hat den Rest übernommen, sicherlich auch vor dem Hintergrund, dass der deutsche Gesetzgeber die betreffende EU-Richtlinie mangelhaft umgesetzt hat. Die Regierung möchte dessen ungeachtet nun offenbar uns über das gesetzlich vorgesehene Limit von 110 Millionen Euro hinaus in die Haftung nehmen. Wir gehen von einer Klage gegen uns aus, die unseres Erachtens unberechtigt ist, keinen Erfolg haben wird und gegen die wir uns verteidigen werden.

Die Pandemie hat in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen für einen deutlichen digitalen Schub gesorgt? Wo zeigt sich das bei der Zurich und wie reagieren Sie darauf?

Wir waren schon vor der Pandemie sehr digital aufgestellt, sodass wir zu Pandemiebeginn 95 Prozent der Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken konnten – erstmal nur für einen Tag, war unser Plan. Das war ein riesiges Experiment und es hat alles reibungslos funktioniert. Seitdem haben wir die Prozesse weiter optimiert. Wir hatten CEO-Calls mit bis zu 2500 Teilnehmern des Unternehmens. Das fand viel Anklang in der Belegschaft.

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Wie haben Sie persönlich es erlebt, virtuell zu führen?

Es war wichtig, dass man sich für das digitale Führen Zeit nimmt. Wie haben die Frequenz von Vorstandssitzungen verdoppelt, denn wir wussten nicht, wie sich die Pandemie im Geschäftsjahr entwickelt. Dinge, die man früher nebenbei besprochen hat, brauchen nun einen anderen Rahmen. Wir haben uns früher in Termine eingewählt, dass man noch etwas plaudern konnte – zum Beispiel auch über mehr oder weniger geglückte Selbstversuche beim Haarschnitt. Es ist wichtig, den Humor und das Menschliche nicht zu verlieren.

Was heißt das für den Vertrieb, der ja derzeit nicht in Kontakt mit den Kunden treten kann?

Auch dort haben wir einen riesigen Digitalisierungsschub gemacht, was sich auch in den Geschäftszahlen zeigt. Im März und April sind wir etwas eingeknickt, haben uns dann aber relativ schnell erholt und lagen im Lockdown im vierten Quartal wieder auf normalem Niveau. Wir glauben aber, dass der persönliche Beratungstermin vor allem bei Neuabschlüssen zurückkommt. Hier ist der Kontakt nach wie vor wichtig. Überprüfungen etc. werden künftig eher digital sein.

2019 ist die Zurich in die neuen Gebäude in Deutz gezogen. Ist der Umzug komplett abgeschlossen und wie viele Mitarbeiter arbeiten denn derzeit überhaupt in den neuen Büros?

Auf freiwilliger Basis sind es derzeit nur zwischen 10 und 15 Prozent. Wir haben erkannt, dass einige sehr unter dem Arbeiten im Homeoffice gelitten haben.

Das Homeoffice wird auch nach der Pandemie eine bedeutende Rolle spielen. Braucht die Zurich noch so viel Platz wie ursprünglich gedacht? Es heißt, Sie hätten sich schon von einem Gebäudeteil getrennt.

Ein Unternehmen atmet und so passen wir unsere Flächen stetig an. Es werden künftig vielleicht weniger Einzelarbeitsplätze aber dafür mehr Flächen für kreatives Arbeiten, Ideenfindung, Teamräume und dergleichen benötigt. Eine neue Arbeitswelt muss nicht zwingend zur Reduktion von Arbeitsflächen führen. Aber die jetzige Situation führt dazu, dass wir mittelfristig die eine oder andere Fläche überdenken.

In Köln haben sich erstmals IHK, Handwerkskammer, Arbeitgeber und DGB zusammengetan, um auf die Bedeutung der Wirtschaft hinzuweisen. Was erwarten Sie vom neuen Ratsbündnis?

Ich glaube, das Bündnis hat den richtigen Schritt getan. Auch wir haben den Eindruck, dass die Stärke des Wirtschaftsstandorts nicht in jeder Phase von der Stadtspitze angemessen wahrgenommen und gefördert wurde. Natürlich ist es wichtig, dass Wirtschaft nicht in Konkurrenz zum Thema Nachhaltigkeit tritt. Beides muss vereinbar sein und von der Stadt gefördert werden. Dann sind wir optimistisch, dass das gelingt.

Wie sieht es bei der Zurich in Fragen der Nachhaltigkeit aus?

Wir formulieren gerade eine sehr konkrete Strategie, wie wir uns bis 2050 aufstellen, als Unternehmen, Versicherer, Investor und Teil der Gesellschaft. Wir wollen eines der nachhaltigsten Unternehmen weltweit werden. Im Zuge dessen wird es ein breites Spektrum an Aktionen und Initiativen geben. Wir investieren schon jetzt in den Zurich Forest in Brasilien. Dort werden in den nächsten acht Jahren rund eine Million Bäume gepflanzt. Wir werden in der Versicherungsindustrie mit unserer Strategie einen Maßstab setzen. Schon seit 2014 sind wir klimaneutral und wollen irgendwann sogar klimapositiv sein, also mehr CO2-Emissionen binden als wir verbrauchen.

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