Kurse in KölnWie ein Start-up Quereinsteiger zu Web-Entwicklern ausbildet

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Teilnehmer eines „Neue Fische“-Bootcamps

Teilnehmer eines „Neue Fische“-Bootcamps

  • Der Fachkräftemangel in der IT ist riesig – wer vom Fach ist, hat einen gut bezahlten Job fast sicher.
  • Gründerin Dalia Das bildet daher Quereinsteiger in IT-Berufen aus – alle Branchen kommen dafür in Frage.
  • Ein Experte verrät, wieso das nützlich ist, aber nicht die alleinige Lösung sein kann.

Köln – Der Arbeitsmarkt ist leergefischt. Diese Floskel werfen Personaler einander gerne zu, wenn sie eigentlich sagen wollen: Der Fachkräftemangel ist riesig. Gerade die IT ist betroffen, hier stieg die Anzahl der freien Stellen 2018 laut Branchenverband Bitkom um 49 Prozent auf 82.000. Rund fünf Monate bleibt ein IT-Job im Schnitt unbesetzt.

Die Recklinghäuserin Dalia Das hat in Hamburg ein Start-up gegründet, das „Neue Fische“ heißt, weil es neues Personal in den leergefischten Teich werfen soll. In dreimonatigen Kursen bilden Experten bis zu 15 Quereinsteiger zu Web-Entwickler und Datawissenschaftlern aus. Im August starten die ersten Web-Entwickler-Kurse in Köln; in einem neuen Co-Working-Space in der Gertrudenstraße, dort, wo die potenziellen Arbeitgeber gleich mit im Gebäude sitzen.

Mittelständler suchen verzweifelt

Immer häufiger, sagt Das, akzeptierten Unternehmen neben einem Studium auch vergleichbare Qualifikationen. „Große Konzerne finden meist Personal. Aber auch Mittelständler brauchen digitale Fachkräfte.“

Das legt Wert darauf, dass in ihrem Kursen genau das Wissen vermittelt werde, „was man auf dem Arbeitsmarkt wirklich braucht“. Ihre Kurse nennt sie Bootcamps, das Konzept kommt aus den USA. Durch die kurze Dauer sind die Kurse stark komprimiert und fokussiert. Die Teilnehmer absolvieren erst kurze theoretische Einheiten, um anschließend direkt an eigenen Produkten zu arbeiten.

Digitale Gesellenstücke

Am Ende der drei Monate haben die Datenwissenschaftler Anwendungen zum Maschinellen Lernen entworfen und die Web-Entwickler eigene Apps. Mit diesen „digitalen Gesellenstücken“ können sie sich bei potenziellen Arbeitgebern bewerben. “ Neue Fische arbeitet dazu mit festen Partnern wie About You, Otto und Eventim zusammen. Das sagt, rund 90 Prozent ihrer Absolventen bekämen so in den vier bis acht Wochen nach Abschluss des Bootcamps einen Job und zwar, darauf legt sie Wert, „kein Praktikum, sondern eine gut bezahlte Festanstellung“.

Auf die 15 Kursplätze bewerben sich jeweils rund 200 Bewerber, die ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen müssen. Sie bringen die verschiedensten Hintergründe mit: Angehende Datenwissenschaftler sind oft studierte Naturwissenschaftler, Biologen oder Ingenieure zum Beispiel, die sich weiterbilden wollen. Bei den Web-Entwicklern finden sich Sprachwissenschaftler genauso wie Studienabbrecher.

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Insgesamt sind etwa 50 Prozent der Teilnehmer Frauen –im Informatikstudium liegt der Anteil bei etwa einem Fünftel. Die drei Monate kosten 7900 Euro, eine stolze Summe, die aber erst nach Eintritt in den neuen Job in einkommensabhängigen Raten zurückgezahlt werden. Für das Konzept wurde Das, die zuvor 15 Jahre für AOL und den Medienkonzern Bertelsmann gearbeitet hat, mit dem „New Work Award“ des sozialen Netzwerks Xing ausgezeichnet.

Angebote haben zugenommen

Oliver Koppel vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sagt, dass Weiterbildungsangebote wie das von Dalia Das in den vergangenen zwei Jahren immer stärker auf den Markt getreten seien. Gerade Unternehmen im ländlichen Raum hätten große Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden. „Diejenigen, die in anspruchsvollen IT-Berufen ausgebildet sind, gehen meist in die Städte“, sagt er. Viele Unternehmen würden Kurse daher auch gleich im eigenen Haus anbieten. „Es reicht ihnen oft bereits, wenn ihre Mitarbeiter mit moderner Technik umgehen können.“

Der größte Engpass bestehe beim Blick auf die Arbeitsmarktdaten allerdings nicht im Anwenderbereich, sondern im akademischen Informatikerbereich. Dort, wo an den Schnittstellen der Industrie 4.0, an Konzepten zum automatisierten Fahren gearbeitet wird. Dort, wo ein Crashkurs nicht mehr ausreicht und die demographische Entwicklung zu einem echten Problem wird: „Der Anteil der Abiturienten steigt zwar, aber die Zahl der deutschen Studienanfänger geht zurück.“ Das Interesse an einem Informatikstudium stagniere. „Wir müssen mehr Menschen motivieren, IT zu studieren“, sagt Koppel. „Aber das reicht nicht. Die größere Chance liegt darin, Studenten aus dem Ausland anzuwerben.“

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