Rhein-Energie-Chef Steinkamp„Jeder muss schon im Sommer Energie sparen“

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Dieter Steinkamp

  • Dieter Steinkamp ruft alle Haushalte zum Gassparen schon im Sommer auf.
  • Der scheidende Rhein-Energie-Chef bedauert, nicht früher auf Sonnen- und Windstrom gesetzt zu haben.
  • Die Gaskrise verschärfe sich immer weiter, die Gaspreise könnten sich mehr als verdoppeln.

Köln – Herr Steinkamp, Bundeswirtschaftsminister Habeck hat die zweite Stufe des Gasnotstands ausgerufen. Die Menschen sind in Sorge, ob sie warm durch den Winter kommen. Ist die Sorge berechtigt? Dieter Steinkamp: Ja, die Sorge ist berechtigt, die Ausrufung des Notstands durch die Bundesregierung war und ist richtig. Vor der Krise lag der Anteil russischen Erdgases bei 50, aktuell noch bei knapp 40 Prozent. Das kann man nicht einfach so kompensieren. Es ist in den vergangenen Monaten etwas zurückgegangen aber immer noch der mit Abstand größte Teil unseres Gases. Eine echte Ausnahmesituation. Also auch für die Regierung, kein Mensch hat so was jemals geübt. Es ist gut, den Notfallplan zu aktivieren, um den Märkten und den privaten wie gewerblichen und industriellen Verbrauchern das wichtige Signal zu senden, Erdgas, oder andere Energieformen jetzt zu sparen.

Welche Auswirkungen wird das und der drohende Gasmangel auf die Preise für Endkunden haben?

Es hat jetzt schon erhebliche Auswirkungen auf die Preise in der Gasbeschaffung und wird zeitversetzt leider auch Auswirkungen bei den Kunden haben. In den vergangenen Tagen hat sich die Lage weiter verschärft. Es kann sein, dass sich auf der Zeitachse die Gaspreise mehr als verdoppeln gegenüber dem Stand vor dem Ukrainekrieg.

Haben wir einen Vorteil dadurch, dass wir im Rheinland heute noch meist niederländisches Gas haben?

Nein, eigentlich nicht, weil das europäische und nationale Gasnetz insgesamt verbunden ist, die Gasflüsse können nicht streng regional zugeordnet werden. Im Übrigen ist der Anteil an holländischem Gas auch in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, weil die Niederländer aufgrund der Erdbeben aus der Förderung in ihrem Gasfeld in Groningen zunehmend aussteigen. Schon jetzt stammen Teile des aus den Niederlanden gelieferten Gases aus Norwegen oder gegebenenfalls auch aus Russland.

Wissen Sie überhaupt, welches Gas Sie in Ihren Anlagen verbrennen?

Abgesehen von der Gasqualität nicht. Das ist ein europaweiter oder weltweiter Markt. Das ist wie wenn zwei Flüsse zusammenfließen, da wissen Sie auch nach der Mündung nicht mehr, welches Wasser welchen Ursprung hatte.

Bringt denn auch die teilweise Reduktion der Gasmengen schon Probleme für die Netze?

Sie brauchen in den Netzen, um die Pumpstationen durchgängig betreiben zu können, Mindestdrücke. Das ist nicht wie beim Strom, wo eine Sicherung rausspringt und Sie die wieder einlegen und weiter geht’s. Fällt der Druck beim Gas ab, dann schalten die Stationen ab. Die zuständigen Netzbetreiber müssen dann im Grunde genommen jede Station erstmal kontrollieren ob da noch Ventile offen sind. Man kann also nicht einfach sagen, jetzt wieder Gas in die Leitung, denn dann strömt das möglicherweise unkontrolliert irgendwo aus, weil irgendwelche Sicherheitsventile nicht schließen. Das heißt also, man muss Station für Station und Verbraucher für Verbraucher überprüfen. Wir haben so etwas vergleichbar gesehen im Ahrtal nach der Flutkatastrophe. Auch da sind Netze repariert worden, Haus für Haus musste erstmal abgesichert werden, bevor man dann also einen Straßenzug wieder zuschalten kann. Das muss man sich jetzt viel großräumiger vorstellen. Das heißt, das erneute Zuschalten eines abgeschalteten Gasnetzes dauert viel, viel länger, im Zweifel Wochen. Je weniger Gas geliefert oder je mehr gebraucht wird, desto größer wird die Gefahr einer solchen Abschaltung.

Wirtschaftsminister Habeck hat zum Energiesparen aufgerufen. Werden Sie das als Rhein-Energie mit einer eigenen Kampagne unterstützen?

Wir lassen schon seit Wochen unsere Mediensprecher bei jeder Gelegenheit zum Sparen aufrufen und geben auch konkrete Tipps. Um ein Beispiel zu nennen für einen Privathaushalt: Ein Grad weniger machen über den dicken Daumen sechs Prozent weniger Energieverbrauch aus. Das heißt also, wenn Sie zu Hause von 22 Grad auf 20 Grad gehen, haben Sie zwölf Prozent weniger Energiebedarf. Und angesichts der steigenden Energiepreise lohnt sich so etwas auch massiv für den eigenen Geldbeutel, das hat nicht nur mit Gemeinschaftssinn zu tun. Also: Die privaten Haushalte können etwas tun. Auf der Website der Rhein-Energie, aber auch bei der Bundesregierung finden sich viele konkrete Tipps, nicht nur für Private, sondern auch für Gewerbetreibende und den Mittelstand. Es ist wichtig, dass das Energiesparen bei allen Verbrauchern ins Bewusstsein kommt und jeder jetzt damit anfängt. Nicht erst im Winter bei Beginn der Heizperiode.

Dieter Steinkamp scheidet planmäßig Ende Juli dieses Jahres aus Altersgründen aus. Der 61-Jährige steht seit 2009 an der Spitze der Rhein-Energie. Der gebürtige Duisburger war 2007 nach Köln gewechselt.

Andreas Feicht soll neuer Vorstandsvorsitzender werden. Er war zuvor Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. (tb)

Die Preise steigen, steigen nun auch die Zahlungsausfälle Ihrer Kunden?

Unsere Bestandskunden profitieren heute noch von unseren langfristigen, billigeren Gaseinkäufen der Vergangenheit. Bei Neukunden ist es schwieriger, für die müssen wir ja teures Gas aktuell frisch einkaufen. Aber je länger die hohen Preise anhalten, desto teurer wird es für alle. Wir werden an Preiserhöhungen in Zukunft auf keinen Fall vorbeikommen. Noch erkennen wir aber keine Auffälligkeiten bei den Zahlungsverhalten. Bei Privatkunden, die zur Miete wohnen, gibt es ja erst eine verschobene Betroffenheit mit der Nebenkostenabrechnung im nächsten bzw. übernächsten Jahr.

Wissen die Leute denn überhaupt genau, wieviel sie verbrauchen?

Das wissen unsere Kunden durch ihre Jahresabrechnungen schon ganz genau. Immer mehr Kunden melden sich bei uns und erhöhen schon ihre Abschläge, um bei den deutlich höheren Preisen in einem Jahr kein böses Erwachen zu erleben. Bei anstehenden Preiserhöhungen werden wir von uns aus eine Erhöhung der Abschlagszahlung vorschlagen. Jede und jeder kann aber selbst darüber bestimmen, auch schon vorsorglich jetzt. Das geht selbstverständlich nur freiwillig.

Die Rhein-Energie machte 2021 ungefähr 170 Millionen Euro Gewinn. Sind Sie bereit auf Gewinn zu verzichten, um die Preissteigerungen zu dämpfen?

Der Gewinn speist sich ja aus vielen Quellen. Und der Anteil, der aus der reinen Gas- oder Strommenge kommt, macht da nur einen Teil aus. Der Verkauf von Energie über Kilowattstunden wird immer uninteressanter. Wir verdienen eher an komplexen Quartierslösungen. Dafür erbringen wir dann zusätzlich erhebliche Dienstleistungen. Außerdem sind die Margen in den vergangenen Jahren immer mehr gesunken. Wir werden auch zukünftig sehen müssen, ob unsere Gewinne so stabil bleiben wie in den vergangenen Jahren. Die extremen Preissteigerungen auf der Einkaufsseite belasten uns. Und die Ukraine-Krise ist ja wohl leider nicht morgen oder in wenigen Monaten beendet. Auch unsere Großkunden leiden unter den Energiepreisen und wir müssen uns ernsthaft Sorgen machen, ob industrielle Produktion angesichts dieser Rahmenbedingungen hier noch wirtschaftlich ist. Das betrifft nicht nur die großen Player, sondern auch viele Mittelständler mit hohem Energiebedarf. Im Grunde dienen unsere Gewinne ja auch zur Finanzierung defizitärer städtischer Betriebe wie der KVB. Insofern ist Köln mit seiner Rhein-Energie schon verglichen mit anderen Städten in einer komfortablen Lage.

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Dieter Steinkamp im Gespräch mit Martin Dowideit und Thorsten Breitkopf (v.l.n.r.)

Sie wollen in der Millionenstadt Köln mit wenig Flächen Solaranlagen und Windräder bauen, wie soll das gehen? Werden Sie von der Politik blockiert?

Blockieren kann man nicht sagen. Es spricht viel für solche Anlagen. Sie haben über die Jahre einen enormen technologischen Fortschritt durchlaufen. Photovoltaik-Anlagen sind mittlerweile auch in unseren Breitengraden wirtschaftlich. Wir glaubten mal, Windanlagen lohnten nur an der Küste, das stimmt aber schon lange nicht mehr, inzwischen gibt es sehr effiziente Komponenten auch für unsere inländischen Windmengen.

Aber mal im Ernst, es gibt in Köln doch überhaupt keine Freiflächen…

Gibt es schon, wenn man mal genauer hinschaut. Denken Sie an den Kölner Norden oder schwimmende Solaranlagen auf Baggerseen. Formal müsste aber zuerst durch die Politik eine vorhandene, ungeeignete Windvorrangzone aufgehoben werden. Und sie müsste über Änderungen im Flächennutzungsplan den Weg frei machen für andere, geeignetere Standorte. Angesichts der aktuellen Energiesituation sollten wir mit dem Finger nicht immer irgendwo hin zeigen, sondern einfach mal Dinge vor Ort machen. Wir reden jetzt über 1000 Meter Mindestabstand bei Windanlagen, und damit wächst natürlich auch in einer Stadt wie Köln die Zahl der Möglichkeiten. Wir haben insgesamt neun Windradflächen identifiziert, die nach unserem Dafürhalten dafür in Frage kommen. Da sind Flächen dabei zwischen Gewerbegebiet einerseits und Autobahn andererseits, also eigentlich unproblematisch.

Drosseln Sie ihre Gaskraftwerke?

Sie dienen ja primär der Fernwärmeproduktion, erzeugen aber auch Strom dabei oder darüber hinaus, je nach Bedarf. Aktuell ist es ohnehin nicht sehr wirtschaftlich, aus Gas Strom zu machen, weil die Einkaufspreise für Gas so hoch sind. Wir wehren uns aber gegen eine auf Bundesebene angedachte Pönale auf Erdgas, das wir bei der Wärme- und gekoppelten Stromerzeugung einsetzen. Das plant zurzeit noch das Bundeswirtschaftsministerium. Diese „Strafe“ müssten am Ende unsere eh schon preislich belasteten Fernwärmekunden bezahlen, die eine an sich ökologisch sinnvolle Wärmeenergie beziehen. Ohnehin gehören die mit Fernwärme versorgten Wohnungen zu den gesetzlich geschützten Kunden. Auch in einer Gasmangellage würden sie weiter aus unseren Heizkraftwerken mit Wärme versorgt. Anders sieht es bei manchen Industriekraftwerken aus, die etwa auch mit Öl befeuert werden könnten.

Wie laufen die Pläne mit Westenergie, bezüglich des Kartellamtes?

Mit unserer Rheinlandkooperation sind wir auf gutem Weg. Alle kommunalen Beschlüsse sowie Beschlüsse in den Gremien der beteiligten Stadtwerke wurden gefasst, und die Chancen einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit bei der Transformation der Energieversorgung erkannt. Das Kartellamt prüft den Vorgang noch. Es geht dabei um einen speziell abgegrenzten Markt, wozu wir konstruktive Vorschläge gemacht haben. Insofern sind wir zuversichtlich, bald grünes Licht zu erhalten.

Haben Sie noch Ambitionen, die Stadtwerke Düsseldorf zu übernehmen?

Wir hätten durchaus Interesse, die Stadtwerke Düsseldorf in unsere Rheinland-Kooperation enger einzubeziehen. Bislang aber ist der Mehrheitseigentümer EnBW nicht an einem Verkauf interessiert. Ich denke, Düsseldorfs Oberbürgermeister Stefan Keller hätte durchaus Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns. Wir kennen uns aus seiner Kölner Zeit als Stadtdirektor und sprechen natürlich ab und zu immer noch miteinander. Aber wie gesagt: Es gibt derzeit keinen Verkäufer.

Herr Steinkamp, was werden Sie nach Ihrem Ausscheiden bei der Rhein-Energie machen?

Ich werde Ihnen täglich Leserbriefe mit klugen Ratschlägen schicken (lacht), nein, Spaß beiseite. Ich habe im Leben sehr viel Glück gehabt mit meiner Karriere und möchte der Gesellschaft daher etwas zurückgeben, auch solchen, die weniger Glück hatten. Daher strebe ich ein Ehrenamt an. Natürlich möchte ich da etwas machen, was ich auch kann. Ich werde sicherlich selbst zum Beispiel keine Brunnen in Afrika bauen können, sondern eher mit Netzwerken helfen oder eben dabei helfen, die finanziellen Mittel dafür zu organisieren.

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Eine letzte Frage: Was würden Sie anders machen, wenn Sie mit dem Wissen von heute noch mal zurück vor 15 Jahren neu starten würden bei der Rhein-Energie?

Ich würde die Dekarbonisierung der Energieversorgung früher, schneller und konsequenter angehen. Ich habe vor 20 Jahren auch geglaubt, Sonnen- und Windstrom funktionierten in unseren Breiten nicht wirtschaftlich. Das sehe ich heute natürlich komplett anders.

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