Im Nachkriegsdeutschlands schlossen sich 30 Unternehmerinnen im Dom Hotel zusammen. Heute vertritt VdU die politischen Interessen von rund 1,2 Millionen selbstständigen Frauen und zählt zu einem der bedeutendsten Wirtschaftsverbände.
Starkes NetzwerkVor 70 Jahren wurde der Verband deutscher Unternehmerinnen in Köln gegründet
Als sich am 30. November 1954 insgesamt 31 Unternehmerinnen im Kölner Dom Hotel zusammensetzen, waren sie fest entschlossen, die Rolle von Frauen in der damals gänzlich männerdominierten Wirtschaftswelt zu stärken. Unter der Leitung von Katharina („Käte“) Ahlmann, Chefin der Carlshütte, des größten Stahlwerkes Norddeutschlands, gründeten sie den ersten branchenübergreifenden Interessenverband für Unternehmerinnen – die „Vereinigung von Unternehmerinnen“.
Die Gründungsmitglieder standen an der Spitze von Unternehmen, die sie oftmals von ihren Männern – auch in Folge des Krieges – übernommen hatten. Sie hatten dabei nicht nur mit den Schwierigkeiten von Zerstörung und Wiederaufbau zu kämpfen, sondern vor allem auch mit fehlender Akzeptanz.
Starke Solidarität und Unterstützung
„Viele mussten die Führungsrolle in einer Notsituation übernehmen und man spürte sehr, wie hart sie alle kämpfen mussten, etwa wenn es um einen Bankkredit ging“, sagt Rosely Schweizer, Enkelin von Käte Ahlmann. Als Heranwachsende verbrachte sie viel Zeit mit ihrer Großmutter und war bei den Treffen der Unternehmerinnen im Haus von Käte Ahlmann oft dabei. „Am meisten hat mich die Solidarität untereinander beeindruckt und wie offen die Unternehmerinnen Erfahrungen und Probleme austauschten und sich gegenseitig mit Ratschlägen unterstützten“, sagt Rosely Schweizer im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
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Und vor allem wollten sie in der jungen Bundesrepublik nicht mehr als Randerscheinung wahrgenommen werden oder als „Nelke im Knopfloch der deutschen Wirtschaft“, wie es der damalige BDI-Präsident Fritz Berg formulierte. Der Unternehmerinnenverband trifft voll den Nerv der Zeit, wächst schnell und kann sich dank Käte Ahlmann erfolgreich gegen damalige Beeinflussungsversuche durch die großen Wirtschaftsverbände wehren. Im Jahr nach der Gründung verdreifacht sich die Mitgliederzahl.
Unternehmerinnen der Nachkriegsgeschichte wie Grete Schickedanz oder Liz Mohn schließen sich an. Viele bedeutende Firmennamen wie Oetker, Tengelmann, Bertelsmann, Sixt und Bauknecht sind der Vereinigung, die heute „Verband deutscher Unternehmerinnen“ (VdU) heißt, eng verbunden.
Großer Festakt im Gürzenich
Derzeit vertritt der VdU die politischen Interessen von rund 1,2 Millionen selbstständigen Frauen aller Branchen und Unternehmensgrößen. Lange in Köln beheimatet, sitzt der VdU mittlerweile in Berlin. Bis heute ist er einer der bedeutendsten Wirtschaftsverbände Deutschlands und auch international sehr gut vernetzt. Als Mitglied im Weltdachverband FCEM (Les Femmes Chefs d'Entreprises Mondiales) steht er im Kontakt mit Unternehmerinnen aus mehr als 120 Ländern auf fünf Kontinenten.
An diesem Freitag, den 29. November, feiert der VdU sein 70-jähriges Bestehen mit einem großen Festakt im Kölner Gürzenich – in Andenken an die Gründung in Köln. Ausrichter ist der Landesverband Rheinland, der regional eine Plattform für Unternehmerinnen, Gründerinnen und Investorinnen bietet und damit weibliches Unternehmertum unterstützt. Petra Fischer, stellvertretendes Vorstandsmitglied des Landesverbandes unterstreicht: „Eine Förderung weiblichen Unternehmertums liegt uns am Herzen und muss ein Kernpunkt von Politik und Gesellschaft sein. Nur gemeinsam können wir unser Land innovativ, gesellschaftlich und wirtschaftlich in Schuss bringen.“
„Zentrale Anliegen sind die Unternehmensnachfolge, Frauen in Führungspositionen, Investorinnen sowie Kapitalzugang für Gründerinnen und Unternehmerinnen. In besonderem Maße zeichnet den VdU dabei die Verbindung von unternehmerischer Interessenvertretung und gleichstellungspolitischer Lobby aus. Die Ziele haben sich sicher dem gesellschaftspolitischen Wandel angepasst“, sagt Christina Diem-Puello, Gründerin und Geschäftsführerin der DD Deutsche Dienstrad GmbH, Investorin und Business Angel und seit Sommer diesen Jahres Präsidentin. Im Kern gehe es aber immer noch um die Stärkung von weiblichem Unternehmertum und um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Im Fokus stünden verlässliche und zeitgemäße gesetzliche Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen sowie Selbstständige und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so die Präsidentin.
Die gebürtige Unterfränkin entstammt einer Fahrraddynastie und hat selbst gegründet. Sie kennt die Perspektive von Familienunternehmen und Nachfolgerinnen als auch von Gründerinnen und der Start-up-Szene. „Wir haben eine besondere Stärke dadurch, dass wir mehrere Generationen vereinen, die sich gegenseitig mit ihren Erfahrungen stärken“. Zudem sei man flächendeckend in Städten, aber auch ländlichen Regionen vertreten. Besonders hier gäbe es immer noch sehr viel zu tun.
Starke Mentorinnen und Vorbilder
„Aber wir erleben derzeit ein großes Momentum für Frauen in der Wirtschaft und merken, dass sich die Aufmerksamkeit – vor allem aus der Politik – erhöht hat. Themen wie eine Verbesserung des Kinderbetreuungsangebots oder auch die Reform veralteter Modelle wie das steuerliche Ehegattensplitting gehören zu den Kernforderungen an die Regierenden. Aber auch die Förderung von Frauen hinein in Top-Führungspositionen steht weiter hoch oben auf der Agenda. „Der Satz meiner Großmutter ‚Der Mann soll mir nicht seinen Platz in der Straßenbahn anbieten, sondern einen Platz in seinem Aufsichtsrat‘ hat bis heute noch nicht an Bedeutung verloren“, sagt Gründer-Enkelin Rosely Schweizer. Dafür brauche es auch weiterhin starke Mentorinnen. Für sie selbst war ihre Großmutter nicht nur die wichtigste Mentorin, sondern auch ein starkes Vorbild.
Die Urenkelin von Konzerngründer August studierte Volkswirtschaft gegen den Willen ihres Vaters. 1977 wurde sie in den Beirat der Sektkellerei Söhnlein KG berufen, die später die Sektkellerei Henkell übernommen hat. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 2007 übernahm sie den Vorsitz des einflussreichen Beirats der Oetker-Gruppe und war zudem Abgeordnete für die CDU im Landtag von Baden-Württemberg. Bei ihrer Karriere spielte auch die Unterstützung ihres Mannes eine große Rolle. „Es muss klar sein, dass beide Partner in der Familie einen gleichgroßen Anteil übernehmen“, sagt die Mutter von drei Kindern und Großmuttern von acht Enkeln.
Und was raten sie und Präsidentin Diem-Puello Frauen heute? „Starke Netzwerke bilden, die Stimme erheben und sichtbar sein“, sagt Diem-Puello. Und Rosely Schweizer ergänzt: „Frau bleiben, andere Sichtweisen einbringen und vor allem Fragen stellen. Denn wenn Sie etwas in einer Runde nicht verstanden haben, hat es mit Sicherheit ein Großteil der Männer auch nicht!“