Zwischen Hollywood und Hartz IV

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Filme drehen ist Teamarbeit.

Filme drehen ist Teamarbeit.

Die Schauspielerin Nina Petri spielt die Hauptrolle im Abschlussfilm eines Regie-Studenten.

Es ist heiß und hektisch. In den kleinen Kellerraum im Belgischen Viertel haben sich viel zu viele Leute gequetscht. Der Regieassistent hat nervöse Flecken im Gesicht. Ständig schlängelt er sich am Kameraassistenten, am Tonmann und an der Maskenbildnerin vorbei, die sich mit der Puderquaste Luft zufächelt. Nebenan wartet die Schauspielerin darauf, dass der Dreh endlich weitergeht. Markus Sehr bleibt ruhig. Konzentriert beobachtet er den kleinen Monitor, der ihm zeigt, was der Kameramann gerade filmt. Markus Sehr ist Regisseur - er entscheidet, ob eine Einstellung im Kasten ist oder nicht. Am Ende sollen die 15 Minuten Film seine Arbeit widerspiegeln: seine Ideen, seine Ästhetik, seine Dramaturgie.

„Absolution“ ist Markus Sehrs Abschlussfilm im Studiengang Regie der „Internationalen Filmschule“ (ifs). Drei Jahre hat er an der ifs studiert, hat gelernt Drehbücher zu beurteilen, Schauspieler zu führen und in Bildern zu denken. Auch das Drehbuch hat der 30-Jährige selber geschrieben. Die Idee wartet schon seit Jahren bei ihm in der Schublade: Ein Mann und eine Frau am Telefon. Sie ist christliche Seelsorgerin, er hat seine sterbenskranke Frau getötet. „Mich interessiert der moralische Konflikt, der sich in dieser Beziehung verdichtet“, sagt Markus Sehr.

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Er weiß, dass es extrem schwierig sein wird, als Regisseur zu arbeiten. Es war schon schwer genug, überhaupt einen Studienplatz zu bekommen. Zu viele träumen von einer Karriere wie Tom Tykwer - von kreativer Arbeit mit bekannten Schauspielern, vom internationalen Kinodurchbruch. An der ifs bewerben sich etwa 150 Interessenten auf acht bis zehn Studienplätze - trotz jährlicher Studiengebühren von 3500 Euro. „Von den acht Regiestudenten in meinem Jahrgang wird wahrscheinlich nur einer später wirklich Regie führen“, sagt Markus Sehr nüchtern. Natürlich hofft er, dass er dieser eine sein wird. Illusionen macht er sich nicht: „Man sollte schon einen Plan B haben.“ Vor seinem Studium an der ifs hat er als Werbetexter gearbeitet und auch nebenbei mit Werbung etwas dazu- verdient.

Für den Abschlussfilm ihrer Regiestudenten stellt die ifs 12 000 Euro zur Verfügung. Wenn die Studierenden Glück und ein gutes Konzept haben, schießt auch noch die Filmförderung etwas dazu. „Absolution“ ist dabei leer ausgegangen. „Ein großer Rückschlag“, sagt Markus Sehr, der trotzdem weiter für sein Projekt kämpft. Jetzt ist der Sender Arte als Koproduzent eingestiegen. Und alle, die an dem Film mitwirken, tun das ohne Gage - sogar Nina Petri. Dass die bekannte Schauspielerin zugesagt hat, ist für Markus Sehr „ein Ritterschlag“. Petri spielt in seinem Film die Seelsorgerin Susanne, die Sterbehilfe kategorisch ablehnt. Drei Tage opfert sie für diese Rolle. „Die Geschichte hat mir gut gefallen“, sagt sie. Außerdem war ihr Markus Sehr sympathisch: „Die Art und Weise, wie er über sein Projekt gesprochen hat, hat mich überzeugt.“

Petri hat schon bei ein paar Studentenfilmen mitgespielt. Sie weiß, dass ihr Name die Projekte aufwertet und für die Studierenden eine Starthilfe sind. Was die Nachwuchsregisseure offenbar nicht immer zu schätzen wissen: „Es ist mir noch nie passiert, dass später jemand bei einer Rolle an mich gedacht hat“, sagt sie. Eine Studentin hätte ihr noch nicht mal den fertigen Film gezeigt. Es ist erstaunlich, dass sie trotzdem im stickigen Kölner Kellerraum sitzt und auf die nächste Regieanweisung von Markus Sehr wartet.

Am heutigen Drehtag sind die Details dran: Eine Haarsträhne, die hinters Ohr geschoben wird, eine Hand, die in der Tasche kramt. Das Team ist hochkonzentriert, die Zeit ist knapp. „Die größte Angst habe ich vor Dingen, die ich nicht kontrollieren kann“, sagt Markus Sehr. Wenn die Nachbarn die Musik aufdrehen oder die Bohrmaschine rausholen zum Beispiel. Die nervliche Belastung merkt man ihm nicht an. Eigentlich unterscheide sich die Arbeit an „Absolution“ kaum von der mit professionellen Kollegen, sagt Nina Petri. Anders sei einzig der Enthusiasmus: „Es gibt hier schon eine andere Energie und eine andere Gemeinschaft, als wenn man mit Leuten zusammenarbeitet, die schon seit zwanzig Jahren im Geschäft sind.“

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