Bei Reformen immer vorn

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Das Landrat-Lucas-Gymnasium feiert 100. Geburtstag. Die Besucher der „Höheren Knabenschule“ sollten mit dem industriellen Aufschwung in der Region Schritt halten können. Auch heute setzt man auf Fortschritt.

Ein bisschen grimmig, ein bisschen gestreng schaut der Namensgeber Adolf Lucas, Sohn einer Westen-Fabrikantenfamilie aus Neviges. Und in Zeiten, in denen Schüler ihren Lehrern die Hausaufgaben per Mail zusenden, mag es womöglich nicht jeden in Begeisterung versetzen, in den Memoiren des späteren Landrats zu lesen. Aber wie Heinz Klaus Strick und Gertrud Liedtke, die Leiter des Landrat-Lucas-Gymnasiums, feststellen konnten, lohnt sich die Lektüre.

Weitsichtiger Mann

Mit Inbrunst widmet sich Lucas in den „Erinnerungen aus meinem Leben“ beispielsweise dem Kapitel der Ziegenzucht im Kreis Solingen. Aber auch den technischen Fortschritt hatte er im Blick, war also ein ebenso bodenständiger wie weitsichtiger Mann. Und weil Fortschritt auch eine Erweiterung des Wissenshorizonts voraussetzt, waren neue Weichenstellungen in der noch jungen Bahnstadt Opladen in Sachen Schulbildung unerlässlich. Dazu gab der Wegbereiter des Gymnasiums wesentliche Impulse, indem er den Reformgeist aufgriff, der in der Luft lag.

Am 24. Januar 1906 beschlossen engagierte Eltern aus Bergisch Neukirchen, Langenfeld, Opladen, Schlebusch und Wiesdorf, die vielfach wegen der industriellen Entwicklung im unteren Kreis Solingen zugewandert waren, in Opladen eine „private höhere Knabenschule“ einzurichten. Wer den höheren Bildungsweg einschlug, sollte nicht allein eine humanistische Ausbildung erhalten, sondern auch auf die Anforderungen in den aufkommenden Industriesparten der Schwer-, Elektro- und Chemieindustrie vorbereitet werden. Doch Lucas hatte es nicht ganz leicht. So wetterte er gegen die „ultramontanen“ Tendenzen in Opladen, die dem Gedanken einer neuen Schule mit einer „realistischen“, also praxisnahen Bildung, nicht aufgeschlossen gewesen seien. Die Forderung nach der neuen Schule kam nicht zuletzt seitens Opladener „Neubürger“. Der Schraubenfabrikant Rudolf Tillmanns wurde Vorsitzender des Schulvereins Opladen, der am 20. Februar 1906 gegründet wurde und sich um die Finanzierung, Beschaffung des Unterrichtsraums und Lehrmittel kümmerte. Erster Schulleiter war Karl Unger, mit 19 Sextanern und sechs Quintanern ging es am 1. Oktober 1906 in privaten Räumen an der Düsseldorfer Straße 89 los. Es war die paritätische - das heißt evangelisch und katholisch geprägte - höhere Knabenschule. 1909 schrieb Landrat Lucas einen Brief an den Opladener Bürgermeister mit dem Wunsch, ein Reform-Realgymnasium daraus zu machen. Das traditionelle Gymnasium sollte sich auch den Naturwissenschaften öffnen. Die Initiative hatte Erfolg. 1910 hieß es dann „Paritätische höhere Knabenschule und städtische Realschule“, 1916 „Reformrealgymnasium mit Realschule“, 1926 „Reformrealschule mit Oberrealschule“. Während der braunen Diktatur trat das Wort Reform nicht mehr auf: 1933 hieß es „Adolf-Hitler-Realgymnasium mit Oberrealschule“, 1937 „Adolf-Hitler-Schule“. 1945 hob man wieder die Naturwissenschaft im Namen hervor und 1956 war es erstmals das „Landrat-Lucas-Gymnasium“.

Mit „Puddingabitur“

Erst Ende der 60er Jahre wurden Mädchen im Zweig Sozialwissenschaften in die Schule aufgenommen. „Das nannte man damals Puddingabitur“, sagt Strick. Allerdings habe sich bald das Prinzip der Gleichwertigkeit durchgesetzt, auf dessen Basis jeder Schüler gefördert wird, egal wo seine Begabungen liegen.

So kann man am Gymnasium einen historischen Bogen von der Reformpädagogik der Preußen bis zum Reformgymnasium und zur Pilotschule bei der Neugestaltung der differenzierten Oberstufe in Nordrhein-Westfalen, schlagen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers geht in seinem Grußwort denn auch davon aus, dass „die Schulgemeinschaft des Landrat-Lucas-Gymnasiums die anstehenden Reformen des Schulwesens engagiert begleiten und kreativ ausgestalten wird.“

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