Das berühmte Can-Studio ist museumsreif

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Müller-Westernhagen, die „Bläck Fööss“ und andere Stars gaben sich in Weilerswist die Klinke in die Hand. Nun wandert das gesamte Inventar ins Gronauer „Rock 'n' Popmuseum“.

Weilerswist - Neben den Düsseldorfer Elektronik-Pionieren von der Gruppe „Kraftwerk“ gilt die Kölner Band „Can“ als bedeutendste und einflussreichste deutsche Rockband überhaupt. In den 70er Jahren gingen Album-Klassiker wie „Monster Movie“, „Tago Mago“ und „Ege Bamyasi“auf das Konto der Musiker. Und mit der Single „Spoon“, die seinerzeit als Titelmelodie der Durbridge-Verfilmung „Das Messer“ zu hören war, hatte die Band, die sich stets eher unkommerziellen und improvisatorischen Klängen widmete, sogar einen veritablen Hit. Alternative Rockmusiker nennen „Can“ ebenso als maßgeblichen Einfluss wie Protagonisten aus der Sphäre elektronischer Tanzmusik - was in der kompromisslosen Haltung der Band einerseits und den innovativen Klangexperimenten andererseits wurzelt.

Entstanden sind viele der „Can“-Meisterwerke in Weilerswist - im legendären „Inner Space Studio“, das die Band im Jahre 1971 in einem ehemaligen Hinterhof-Kino an der Kölner Straße einrichtete. Unter Rockfans gilt das Studio als magischer Ort, Musikgeschichte wurde hier allemal geschrieben. Jetzt nimmt das „Inner Space Studio“ Abschied aus Weilerswist, denn es wird zum Museumsstück. Der Aufnahmeraum wird komplett in die westfälische Stadt Gronau verlegt - und zwar ins „Rock 'n' Pop Museum“, das dort im September seine Pforten öffnen soll.

Das Projekt wurde jetzt im Rahmen einer Pressekonferenz in dem Weilerswister Tonstudio vorgestellt. Mit von der Partie waren auch die „Can“-Gründungsmitglieder Holger Czukay, Irmin Schmidt und Jaki Liebezeit. In nostalgischen Erinnerungen an vergangene Zeiten schwärmen - das ist die Sache der drei Musiker nicht, die ihrer Zeit eigentlich immer einen Schritt voraus waren. Doch die eine oder andere Anekdote über die Arbeit in dem Weilerswister Studio gaben sie dennoch zum Besten. Wilde Zeiten hat der Aufnahmeraum erlebt. Unvergessen etwa, als Schlagzeuger Jaki Liebezeit mit einem Beil auf seinen Kollegen Czukay losging. Der Bassist, der bei „Can“ auch für die elektronischen Effekte verantwortlich zeichnete, gibt sich heute nachsichtig: „Er wollte ja nur die Musik retten.“

So ganz spannungsfrei scheint das Verhältnis der Bandmitglieder untereinander damals jedenfalls nicht gewesen zu sein. „Wir haben extra einen so großen Raum als Studio gewählt, damit die Musiker genug Sicherheitsabstand zueinander hatten“, scherzte Irmin Schmidt, der Organist der Band. Reibereien konnten bei der typischen Arbeitsweise von „Can“ auch gar nicht ausbleiben. Zehn Stunden am Stück wurde da oft täglich improvisiert - auf diese Weise entstanden die Kompositionen in einem spontanen Prozess. „Das waren aber keine Jam-Sessions, es gab keine langen Soli und keine Ego-Trips“, erinnerte sich Holger Czukay. Vielmehr ging es darum, sich den musikalischen Ball ohne lange Dribblings gegenseitig zuzuspielen. „Can“, so der Bassist, war eigentlich ein „kleines, lautes Kammerorchester.“

Dass die Band ihr Quartier damals in Weilerswist bezog - das war, so Irmin Schmidt, eigentlich purer Zufall: „Es gab hier einfach einen geeigneten Raum, den wir uns leisten konnten.“ Doch gute Erinnerungen an Weilerswist haben die Bandmitglieder auch: „Wir haben hier unsere größte Lehrzeit verbracht“, sagte Holger Czukay. Als die flippigen Rockmusiker aus der Domstadt zum ersten Mal an der Kölner Straße anrückten, da, so Czukay, hatten die Weilerswister „Ureinwohner“ erstmal Angst. „Mittlerweile sind wir hier aber voll integriert“, erklärte der Musiker.

In dem Weilerswister Studio produzierten neben „Can“ noch viele andere Musiker ihre Platten - die Liste der Gäste reicht von Marius Müller-Westernhagen über Hubert von Goisern bis zur Gruppe „Trio“, von den „Bläck Fööss“ über Jim Capaldi bis zur Kölner Elektro-Tanzmusik-Band „Whirlpool Productions“. An den Reglern saß dabei zumeist René Tinner, der das Studio seit 1983 betreibt. Den Umzug nach Gronau wertet Tinner erst einmal positiv. Ob sich Wehmut einstelle - das müsse sich im Lauf der Zeit zeigen. „Im Museum lebt das Studio ja weiter“, ergänzte Irmin Schmidt. Denn Aufnahmen sollen in Gronau weiterhin stattfinden - wenn auch nur in Ausnahmefällen. Auch René Tinner wird dann dort ab und zu mit von der Partie sein. Außerdem, so Irmin Schmidt, hätte das Studio in ein paar Jahren aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht sowieso die Pforten schließen müssen.

In Gronau, so Museumsleiter Andreas Bornheuer, soll das „Inner Space Studio“ möglichst im Maßstab 1:1 wieder aufgebaut werden. Und zwar mitsamt des kompletten Equipments. Alte Tonband-Aufnahmegeräte aus „Can“-Zeiten und moderne technische Geräte wandern ebenso in die Ausstellungshallen wie sämtliche Instrumente aus dem „Inner Space Studio“ - Sequencer und Keyboards, Gitarren und Verstärker, Percussion-Geräte und ein Klavier. Ins Westfälische werden auch die 1500 Seegras-Matratzen transportiert, die, hinter bunten Wandbehängen versteckt, im „Inner Space Studio“ der Schallisolierung dienen. Die Matratzen, so erinnerte sich die „Can“-Managerin Hildegard Schmidt, hat die Band vor rund 30 Jahren für einen marginalen Betrag ersteigert - und zwar aus dem Fundus einer Bundeswehr-Kaserne in Köln-Ossendorf.

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