Ein Boxer, der nie vom Pferd fiel

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Nun wird er geehrt: Hein(z) Mück.

Nun wird er geehrt: Hein(z) Mück.

Sankt Augustin - Zerklumpte Nase, vernarbte Augenbrauen und Blumenkohl-Ohr - so stellt man sich gemeinhin einen Boxer vor, der in seiner Karriere mehr als 350 Mal im Ring gestanden hat. Diese äußeren Anzeichen einer bewegten Kampfkarriere sucht man bei Heinz Mück vergebens. Dem heute 64-Jährigen, den alle nur Hein (der Name ist ein Relikt aus seiner Pinneberger Soldatenzeit) nennen, sieht man seine frühere Passion nicht an. Mit seiner legendären linken Führhand hielt sich der gebürtige Siegburger die Gegner vom Hals. „So richtig Prügel bezogen habe ich nie. Ich hatte noch nicht einmal ein blaues Auge.“

Seinen ersten Kampf absolvierte Mück 1952 als Zehnjähriger im Siegburger „Jägerhof“. Die Gage: eine Tafel Schokolade. Die Mitglieder des Siegburger Boxclubs trainierten im Saal der Gaststätte - und sahen in dem kleinen Heinz zuerst so etwas wie ein Maskottchen. Doch Mück biss sich durch: „Zuerst boxte ich den Windmühlenstil: Kopf runter und drauf.“ Doch das viele Training, vornehmlich mit seinen Freunden Hans Huber und Matthias Haller, machte sich bald bemerkbar: Der Siegburger kreierte einen eigenen, technisch versierten, und vor allen Dingen erfolgreichen Stil.

Sogar für ein Lächeln oder ein Zwinkern für den Gegner hatte Mück in den Kämpfen noch Zeit. „Ich habe meinen Gegenüber aber nie veralbert“, versichert er. Durch seinen Sport sah er die Welt. In 24 Ländern kreuz und quer in Europa, Nordafrika und Asien stand er im Ring. „In Bagdad habe ich einmal vor 27 000 Zuschauern geboxt. Danach kann einen nicht mehr viel nervös machen.“

Die Erfolge des Amateurboxers Hein Mück - ein Wechsel zu den Profis kam für ihn nie in Frage - füllen ganze Ordner. In den 1960er Jahren gab es in Deutschland kaum einen besseren Faustkämpfer. Deutscher Meister, Nato-Europameister, Militär-Weltmeister, Mittelrheinmeister - es gab nur wenige nationale oder internationale Titel, die Mück nicht holte. Einzig die Krönung, eine Medaille bei den Olympischen Spielen blieb ihm versagt. 1968 hatte er seinen Olympiapass für die Spiele in Mexiko schon in der Tasche, doch ein Splitterbruch im Ellbogen verhinderte die Teilnahme. Wieder genesen, schlug der heutige Ehrenvorsitzende des Siegburger Boxclubs die drei Medaillengewinner seiner Gewichtsklasse hintereinander.

Er war kein Killer, der seine Gegner in den Ringstaub schickt, sondern ein Techniker. Ein Stilist, der seine Körpergröße und seine Konditionsstärke auszunutzen wusste und den Drei-Runden-Kampf meist nach Punkten gewann. Von 370 Kämpfen siegte er 325 Mal, 18 Mal werteten die Richter Unentschieden, 27 gingen verloren - „aber keiner vorzeitig“, wie Mück anmerkt.

Diese Bilanz ist aber nicht der Grund, warum Mück nun das Ehrenwappen der Stadt Siegburg verliehen bekommt. Die Auszeichnung gibt es nur für ehrenamtliche Verdienste - und auch in dieser Sparte sind die Leistung des Mannes, der heute in Sankt Augustinleibt, vorbildlich. Den Siegburger Boxclub würde es ohne sein Engagement wohl nicht mehr geben. „Noch heute ist er das Aushängeschild des SBC in ganz Europa“, so Geschäftsführer Fritz Beutler.

MENSCHEN

IM GESPRÄCH

Doch damit nicht genug: Er ist seit Jahrzehnten bei den Prinzenempfängen im Kreishaus aktiv, mimt in Kindergärten und Altenheimen den Nikolaus und geht in die Schulen, um den Kindern den Begriff „Fairness“ näher zu bringen. Und dazu hat er auch noch seine Paraderolle als Sankt Martin. „Anfang November 1979 bestimmte mich - ohne eine Widerrede zuzulassen - der frühere Vizelandrat Fritz Becker zum Sankt Martin von Mülldorf. Seit dem mache ich das“, erinnert sich Mück. Später übernahm er den Part auch in Sankt Augustin-Ort, in Alten- und Behindertenheimen, in Kindergärten. „Als der Martin von Hangelar am Zugtag am Zahn operiert wurde und ein ganz verquollenes Gesicht hatte, bin ich auch für ihn eingesprungen.“ Genau 175 Mal inszenierte er die Geschichte von der Mantel-Teilung. „Ich bin nie vom Pferd gefallen“, lacht Mück.

Nach 27 Jahren als heiliger Mann hört er nun auf: Noch vier Mal mimt er in den nächsten Tagen den Martin von Tours - dann ist Schluss. „Jetzt ist genug, nun soll ein Jüngerer ran. Die Organisatoren der Martinszüge haben ja noch ein Jahr Zeit, einen Nachfolger zu finden.“

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