Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kleine Fluchten NRWKöln liegt einem zu Füßen

Lesezeit 4 Minuten

Der Blick auf das Bensberger Schloss mit dem Rathaus im Vordergrund

Bensberg – Streng genommen muss man der größten Attraktion des Ortes, dem Bensberger Schloss, den Rücken kehren. Denn die Aussicht ist grandios, bis weit ins Rheintal geht der Blick von der Bensberger Anhöhe aus, Köln liegt einem zu Füßen. Johann Wolfgang von Goethe hat dort gesessen und – literarisch dokumentiert – darüber geschwärmt. Anna Maria Luisa de Medici auch. Und so hat es der Architekt auch gewollt: Die Mittelachse des Gebäudekomplexes ist genau auf den Kölner Dom ausgerichtet. Kurfürst Jan Wellem, kam oft von seiner Düsseldorfer Residenz hierher, um im Königsforst zu jagen. Wahrscheinlich hat er seiner Frau – eben Anna Maria Luisa de Medici – zuliebe 1703 den Bau des Schlosses in Auftrag gegeben. Aber nicht nur das Barockbauwerk ist sehenswert. Auf kleinstem Raum gibt es in Bensberg viel zu entdecken – dazu muss man allerdings einige Bausünden freundlich übersehen. Dafür aber steigt man aus der KVB-Linie 1 (Endstation) aus, und findet alles in einem Kilometer Umkreis.

Im fürstlichen Jagdschloss jedenfalls geben sich inzwischen internationale Stars die Klinke in die Hand – Künstler als Gäste, Sterneköche als Gastgeber. Das Schloss ist ein Luxushotel seit 1997. Bis es wieder seine volle Schönheit erlangte, wurde es lange von den Belgiern als Gymnasium und Internat genutzt – und wirkte wie ein Zweckbau.

Bekannte Adresse für Gourmets

Inzwischen war Mario Adorf hier zu Gast, genauso wie Robbie Williams und Lady Gaga. Für Gourmets ist das Restaurant Vendome eine bekannte Adresse. Die Zeitschrift „Der Feinschmecker“ kürte Chefkoch Joachim Wissler zum „besten Koch 2013“. Wer den Blick vom Schlossgelände genießen möchte, muss kein Krösus sein: Das Außengelände ist frei zugänglich. Der schönste Blick auf Köln ist gratis.

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

„Aapefelsen“

Das zweite prägende Gebäude in Bensberg ist der „Aapefelsen“. So nennen die Einwohner das 1967 eingeweihte Rathaus, weil der Betonbau an den Affenfelsen im Kölner Zoo erinnert. Die Londoner „Times“ nannte das Gebäude mit dem 32 Meter hohen Betonbergfried seinerzeit eine „Zementburg“. Stararchitekt Gottfried Böhm wird es mit Gelassenheit getragen. Er hat den Bensbergern gebaut, was sie sich wünschten: ein auffälliges Rathaus, das der Nachbarstadt Bergisch Gladbach ihre Eigenständigkeit vor Augen führt. Genutzt hat es nichts: 1975 verlor Bensberg mit der kommunalen Neugliederung seine Selbstständigkeit – und ist Stadtteil von Bergisch Gladbach. In den Ratssaal, der altes Gemäuer und Beton verbindet, kann man durch die großen Scheiben auch von außen schauen, wenn das Gebäude geschlossen ist.

Auf dem Burgberg

Im krassen Kontrast zu dem modernen Betonbau stehen die liebevoll gepflegten, teils eigenwillig verzierten historische Häuschen, die sich auf dem Kopfstein-gepflasterten Gässchen auf dem Burgberg aneinanderschmiegen. Ein Teil der Gebäude gehören zum Hotel Malerwinkel, das hinter dem Fachwerkmauern Zimmer vor allem für Messegäste bietet. Eine weitere Übernachtungsmöglichkeit bietet das Goethehaus, benannt nach dem berühmten Dichter, der hier 1774 nächtigte. Nachzulesen in seiner Autobiografie „Dichtung und Wahrheit“.

Bergisches Museum

Kontrastprogramm dann wieder auf der Rückseite des Rathauses – imposante Eingangsfront des Bergischen Museums für Bergbau, Handwerk und Gewerbe ins Auge. Das ehemalige Heimatmuseum gibt Einblick in das Leben und Arbeiten längst vergangener Zeiten. Und das auch ganz praktisch: Immer mittwochs, von 10 bis 12 Uhr gibt es Vorführungen von ein oder zwei traditionellen Gewerken. Dann zeigen Schuhmacher, Sattler, Bandweber, Filzer, Bäcker und Schmiede ihr Können.

Ein Teil der Schlossstraße führt hinauf zum Schloss. Doch der Großteil bildet die Geschäftsstraße von Bensberg, teilweise als Fußgängerzone. Hier gibt es inhabergeführte Läden, moderne Neubauten, Leerstände und eine Bausünde namens Löwencenter. Schon lange ist das Einkaufszentrum geschlossen, es soll einem Shopping-Center namens Marktgalerie weichen. Wer Barockschloss und Rathaus noch einmal aus der Ferne auf sich wirken lassen möchte, dem sei ein Ausflug zum Kardinal Schulte Haus empfohlen.

Das ehemalige Priesterseminar beherbergt heute Hotel und Restaurant und liegt auf einer Anhöhe, die einen guten Blick auf den Bensberger Schlossberg bietet. Und auf eine Betonsiedlung, die in den 1970er Jahren entstanden ist – auch als Klein-Manhatten bekannt. Bensberger Kontraste eben.