Merheim – „Der Salat mit Joghurt-Dressing geht draußen im Biergarten weg wie jeck“, sagt Ulla Weber (53). „Drinnen bestellt den keiner. Deshalb wollten wir den schon von der Karte nehmen.“ Die Gastronomin genießt ihre letzte Biergarten-Saison rund um den alten Lindenbaum im Merheimer Traditionsgasthaus Em Ahle Kohberg. Nach zehn Jahren ist Schluss. Den zum Jahresende auslaufenden Vertrag haben sie und ihr Ehemann Lothar Weber (69), der als Koch in der Küche die Regie führt, nicht verlängert und suchen nach einer Alternative.
„Nachdem im Drei-Jahres-Rhythmus die Pacht für das Haus angehoben wurde, sind wir an einem Punkt, wo es sich für uns nicht mehr rechnet. Es ist halt ein Geschäft und kein Hobby“, sagen beide. „Mit Fertigprodukten wäre das vielleicht zu machen, aber bei uns kommen ausschließlich frische Zutaten in die Küche und auf den Tisch.“ Und auch die Mitarbeiter – zehn Leute stehen auf dem Lohnzettel – wolle man fair bezahlen. Die Preise anheben wollen die Webers nicht. „Dann wird das unattraktiv.“
Beeindruckendes Fachwerk
Gerne geben sie das kulinarische Domizil nicht auf. Ulla Weber: „Es ist doch ein schönes, charismatisches Fachwerkhaus mit einem traumhaften Biergarten dahinter. Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt.“ Schon die Fassade des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes ist beeindruckend: typisch schwarz-weißes Fachwerk mit dunkelgrünen Fensterläden im Bergischen Stil und ein schmiedeeiserner Schriftzug über der Tür. Besonders in den Sommermonaten kehren in der gemütlichen und ländlichen Atmosphäre viele Radler und Ausflügler ein. „Wir richten auch regelmäßig Hochzeiten aus. Von der Kirche geht man hier zu Fuß hin, und auf unsere Terrasse passen fast 150 Leute“, sagt Weber. Die Gäste kommen nicht nur aus dem Stadtteil, sondern auch aus dem Bergischen Land, aus Leverkusen und von der linken Rheinseite angereist.
Schließlich hat der Ahle Kohberg, dessen Ursprünge bis ins Jahr 1665 zurückgehen, eine lange Geschichte. Er ist nicht nur eines der ältesten Gasthäuser Kölns, sondern zählt neben der schräg gegenüberliegenden Pfarrkirche St. Gereon zu den markantesten und bekanntesten Gebäuden entlang der Ostmerheimer Straße. Beide haben seit Jahrhunderten den Alltag und das Geschehen im Veedel mitbestimmt. Auf dem Hügel vor der Kirche fanden früher Viehmärkte statt. Und während dort um die Preise gefeilscht wurde, versorgten Bauern und Viehtreiber vor der Kneipe ihre Pferde und vertranken später wieder einen Teil ihres Verkaufsgewinns. Und wie diese damals, erfreuen sich die Gäste von heute an frischem Kölsch und leckeren Gerichten. Zu den prominenten Stammgästen gehören der ehemalige Fernseh-Moderator Alfred Biolek, der kölsche Sänger Tommy Engel, Kabarettist Wilfried Schmickler, der frühere Bap-Gitarrist Klaus „Major“ Heuser oder auch die Bläck Fööss.
Inneneinrichtung kaum verändert
Viele Gäste glauben, dass es sich bei dem historischen Gasthaus um die beliebte Lokalität handele, die Willi Ostermann besungen und zum Evergreen gemacht hatte: „Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia, als der Franz mem Nies nom ahle Kohberg ging.“ Zwar stand Ostermanns Geburtshaus nicht weit entfernt an der Bergisch Gladbacher Straße, aber der Komponist und Sänger hatte mit seinem 1930 komponierten Lied einem Wein- und Tanzlokal in der Kölner Südstadt – gelegen an der Straße Vor den Siebenburgen – ein akustisches Denkmal gesetzt. Vielleicht hatten sich die damaligen Merheimer Wirtsleute schon an das Ostermann-Lied angelehnt und auf den Werbeeffekt gehofft, als sie die jahrzehntelang als Restauration Peter Wendel bekannte Gaststätte 1937 in Em ahle Kohberg umbenannten.
Einige Fotos aus jener Zeit zieren auch heute noch das Innere der Kohbergs. Tritt man ein, steht man in einem gemütlichen Gastraum mit tief hängenden Deckenbalken und Holzvertäfelungen an den Wänden. Das Mobiliar besteht weitestgehend aus hellem Holz. Am Erscheinungsbild hat sich jahrzehntelang kaum etwas verändert. Die Webers, die 2004 mit ihrem Sohn Carl (27), einem gelernten Koch, aus der Südstadt gekommen waren, wo sie zuvor recht erfolgreich das Weinhaus Weber in der Alteburger Straße führten, hatten nur die Inneneinrichtung frischer und moderner angelegt.
Ein schönes Ende
Viel Wert wird auf die Kombination von rheinischer und französischer Küche gelegt. Vom deftigen „Himmel und Äd“ und der Triologie Matjes (beides 11,80 Euro) reicht das bis zu exquisiten Gerichten wie Salat Nicoise mit gegrillten Thunfischsteak (13,80 Euro) und Zander in Beurre Blanc auf einem Gemüsebett mit Risotto (16,80 Euro). Saisonbedingt gibt es immer wieder Wechsel auf der Karte: Lamm zu Ostern, dann Spargel und Gerichte mit Pfifferlingen und ab November Gänse. Die Kochkünste wurden bereits mit einem Eintrag im „Guide Michelin“ belohnt. In den letzten Monaten wollen die Webers „noch mal so richtig Gas geben“. Im Herbst ist eine umfangreiche Weinprobe mit passendem Menu geplant und mit dem Gänsebraten am Zweiten Weihnachtstag ist dann endgültig Schluss. Ulla Weber: „Wir wollen das schön zu Ende bringen.“ Ihr künftiges Restaurant haben sie bislang noch nicht gefunden, obwohl sie sich schon ein gutes Dutzend Objekte angesehen haben. Das neue Lokal will sie vor allem mit ihrem Sohn betreiben. Ehemann Lothar führt dazu „Regie aus dem Hintergrund.“