Musikfilme im StreamDiese fünf Film-Tipps dürften Jazzfans begeistern

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Charlie Mariano mit Philip Catherine an der Gitarre und Jasper van’t Hof am Flügel

Charlie Mariano mit Philip Catherine an der Gitarre und Jasper van’t Hof am Flügel

  • Der Jazz im Film. Lesen Sie hier unsere Film-Kritiken mit Trailers zu jedem Tipp.
  • Filmemacher haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Jazzszene in ein anderes Licht zu rücken.
  • Was wirklich im Schatten des Schweinwerferlichts geschieht, sehen Sie derzeit im Stream bei Netflix und Co.

Jazz und Film, Jazz im Film, Filme über Jazz – die Verbindungen sind vielgestaltig und inspirierend. Dass die beiden Bereiche schon immer um ihre Anerkennung als Kunstform kämpfen mussten, macht sie zu „Brothers in Arms“, wobei es womöglich genau dieser ständige Zwang zur Rechtfertigung ist, der beide Kulturprodukte so kreativ und existenziell vital sein lässt.

„Jazz Seen“ hieß vor 20 Jahren ein Dokumentarfilm von Julian Benedikt über den Jazz-Fotografen William Claxton, in dem es genau darum ging: um die Verschmelzung von Sound & Vision, Musik & Image. Mehr noch als eine bestimmte Musikrichtung faszinierte Benedikt der Jazz als eine Geistes- und Lebenshaltung: „Ebenso wie eine Filmvorführung im Kinosaal kann der Jazz eine Form des Sich-Lösens und des Sich-Entfernens vom Alltäglichen sein.“

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Die Stimmungen des Jazz machte sich das Kino in diesem Sinne oft zunutze. John Cassavetes entwickelte in „Shadows“ seine Filmsprache aus Improvisationen von Charles Mingus, Duke Ellington komponierte stilbildend für Otto Premingers „Anatomie eines Mordes“, William Friedkins „French Connection“ atmet die urbane Hektik von Don Ellis’ Big-Band-Sound, in Billy Wilders „Manche mögen’s heiß“ swingt es zwischen Chicago und Florida, und nichts groovt so schön wie der Affe King Louie in Disneys „Dschungelbuch“: „I wanna be like you, ooh bi-doo!“

Alles zum Thema Musik

1. Vier Biografien: Miles Davis – Birth of the Cool u. a.

Selbst die Biografien von Stars des Jazz muss man sich oft mühsam zusammensuchen. Da helfen diese vier Dokumentationen, prall gefüllt mit Musik, historischen Bildern und Interviews. Ein komplettes Musikerleben in einen einzigen Film zu packen, führt zwar nicht unbedingt zu viel Tiefgang, in diesen Fällen aber vorbehaltlos zu hymnischen Liebeserklärungen.

Zwei Giganten widmen sich „Miles Davis – Birth of the Cool“ und „Chasing Trane“, wobei die assoziativ montierten Erzählformen eine Materialfülle enthalten, die das Wahrnehmungsvermögen herausfordert. Trompeter Miles Davis (1926–1991) und Saxofonist John Coltrane (1926–1967) werden gepriesen, bewundert, als charismatisch und eher unnahbar gezeichnet.

Gleichwohl berühren beide Filme mit Bildern und Klängen, an denen man sich nicht satt sehen und hören mag. Bewegend auch „What Happened, Miss Simone?“, das substanzielle Porträt der Sängerin Nina Simone (1933–2003), und „Quincy Jones – Mann, Künstler und Vater“ über den Trompeter und Arrangeur (geb. 1933), der von seiner Tochter Rashida als Co-Regisseurin liebevoll filmisch umarmt wird.

Alle erhältlich bei Netflix.

2. Charlie Mariano – Last Visits

Vor seinem Auftritt nimmt sich Charlie Mariano noch eine Auszeit. Als er in der ungastlichen Kargheit eines Backstage-Raums aus seinem kurzen Powernap-Schlaf erwacht, blickt er direkt ins Kameraobjektiv, hellwach, aber auch ein wenig erschrocken, zumindest staunend darüber, dass er noch da ist. Axel Engstfelds empathischer Dokumentarfilm begleitet den Saxofonisten, Charles-Mingus-Sideman und Indien-Reisenden, der 2009 nach langer Krankheit im Alter von 85 Jahren starb, während seiner letzten zwei Lebensjahre.

Noch einmal steht Mariano mit alten Gefährten auf der Bühne, noch einmal spricht er über sein Leben, auch über seine Situation als gealterter, mittelloser und am Ende gebrochener Musiker ohne Krankenversicherung. 23 Jahre lang lebte Mariano in Köln, wo er das Jazz-Leben kreativ mitprägte und nicht nur Mitmusiker fand, sondern auch Freunde und verlässliche Gefährten, die seinem bescheidenen Leben zu Würde und Respekt verhalfen.

Erhältlich bei filmfriend und Pantaflix.

3. Fahrstuhl zum Schafott

Louis Malles legendärer Debütfilm sollte hinreichend bekannt sein, und doch kommt man an diesem zeitlos formschönen Klassiker einfach nicht vorbei. Miles Davis spielte im September 1957 in einem Pariser Studio vor der Leinwand den Soundtrack ein, der einen im Zwiegespräch mit Jeanne Moreaus tranceartiger Off-Stimme durch die Pariser Nächte leitet. Schlagartig war damit Jazz in Frankreich angesagt: US-amerikanische Musiker wie Art Blakey, Stan Getz, Thelonious Monk, Lee Morgan oder John Lewis kamen Ende der 1950er-Jahre an die Seine und waren auch in den Pariser Filmstudios willkommen.

Erhältlich bei Amazon und Maxdome.

4. Bird

Dieses Jahr, am 29. August, würde der Altsaxofonist Charlie „Bird“ Parker 100 Jahre alt. Der legendäre Musiker, Pionier des Bebop und Wegbereiter des modernen Jazz, starb 1955 mit gerade mal 34 Jahren. Behutsam verarbeitete  Schauspieler, Regisseur und Jazz-Kenner Clint Eastwood 1987 Szenen aus Parkers Leben zu seiner kongenialen Biografie.  Forest Whitaker wurde zur adäquaten Besetzung der empfindsamen und exzessiven Hauptfigur. Respekt- und liebevoll nähert sich Eastwood in seinem melancholischen Kaleidoskop der Tragödie eines Musikers, der in seinem obsessiven Rauschgift-, Alkohol- und Medikamentenkonsum auf seinen Körper ebenso wenig Rücksicht nahm wie auf das Publikum, das von  Parkers schwindelerregenden Improvisationen  verstört und  zugleich magisch angezogen wurde.

Erhältlich bei Amazon, iTunes, Rakuten TV u.a.

5. Transmitting

Der Pianist Joachim Kühn ist einer der wenigen deutschen Musiker, die man mit Fug und Recht als Welt-Star des Jazz bezeichnen kann. Seit den frühen 1960er-Jahren, als er Mitglied des einflussreichsten Trios des DDR-Jazz war, prägte er diverse Entwicklungen der improvisierten Musik, den Free-Jazz ebenso wie den Jazz-Rock der 1970er-Jahre oder auch die Öffnung des Jazz zur Weltmusik. 2008 hatte Kühn die Idee, seinen 64. Geburtstag in Marokko zu verbringen. Regisseur Christoph Hübner begleitet ihn mit der Kamera nach Marokko, wo sich Kühn mit Kollegen in einem kleinen Tonstudio in Rabat einquartiert, bevor es mit neuen Eindrücken und neuer Musik hinaus in die Wüste geht. Intensiv übertragen sich die Reise- und Musikeindrücke Kühns, der einmal sagt: „Wichtig ist nicht, wo man herkommt, sondern wo man hingeht.“

Erhältlich bei filmfriend.

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