Unsere Autoren haben erneut in ihren Erinnerungen gekramt und räumen mit einem Mythos auf: Die Zeit taucht alles Schlimme in mildes Licht? Von wegen!
Urlaub des Grauens Teil 2Wenn überdurchschnittlich große Kreuzspinnen auf dem Klo warten

Auch Spinnen können dafür Sorgen, dass bestimmte Urlaubserlebnisse unschön werden.
Copyright: Arne Dedert/dpa
Erst abgesoffen, dann ausgeraubt
Komödie ist Tragödie plus Zeit – so lautet eine Formel des Filmemachers Woody Allen. Er meint: Schlimme Erlebnisse werden mit einem gewissen Abstand zu humorigen Anekdoten, über die man herzlich lachen kann. Stimmt das? Es sind die späten 1980er Jahre – keine Smartphones, kein WLAN, keine Wetter-Apps, keine EC-Kartenzahlung. Wir planten einen entspannten Urlaub mit Freunden. Den Norden Spaniens erkunden, vielleicht in den Picos de Europa wandern, ein bisschen Meer… Es kommt anders. Bei der Ankunft am Campingplatz sieht noch alles prima aus. Die besten Plätze sind frei. Merkwürdigerweise haben alle anderen ihre Zelte am Hang aufgeschlagen. Komisch, aber so können wir uns in der Ebene ausbreiten. Auch als es abends ein bisschen regnet, bleiben wir vergnügt.
In der Nacht dann wird es hektisch. Jemand brüllt irgendetwas auf Spanisch und rüttelt am Zelt. Als wir aufwachen, fühlen wir uns, als ob wir auf Wasserbetten lägen. Der ganze Platz ist überflutet. Und der Chef will verhindern, dass außer den Zelten auch die Autos in dem entstehenden See versinken. So dämmert uns, warum die anderen Camper ihr Zelt am Hang aufgebaut haben. Es ist nämlich schon das zweite Unwetter in wenigen Tagen. Wir verbringen die Nacht in einer Halle – und haben erstmal genug. Am nächsten Tag verschwinden meine Freundin und ich in den Süden. Cadaqúes soll wunderschön sein – und vor allem immer sonnig. Bei der Fahrt quer durch Spanien geraten wir in einen Stau, und als wir spätabends ankommen, ist der Campingplatz verriegelt. Kein Problem: Wir legen die Sitze in unserem kleinen roten R5 um und schlafen, bis er wieder öffnet. Dachten wir.
In der Nacht klopft plötzlich hartnäckig jemand an die Autoscheibe. Er blendet mich mit einer Taschenlampe und brüllt immer wieder: „Guardia Civil!“ Schlaftrunken öffne ich die Autotür – und habe sofort ein Messer am Bauch. Die Klinge mindestens 20 Zentimeter lang. Der vermeintliche Polizist und sein Komplize wollen „Money“, allein, wir haben nur ein paar Mark und vor allem Traveller-Schecks, mit denen die Räuber nichts anfangen können. Der Mann rückt immer näher, riecht nach Alkohol und Gras und drückt seine Waffe weiter gegen mich. Ich bin in Todesangst.
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Der Kleinkriminelle ist so bedröhnt, dass er mich womöglich versehentlich ersticht. Nach schier endlos erscheinenden Minuten schnappen sich die Täter schließlich unseren Rucksack, zerstechen einen Reifen und laufen davon. Am nächsten Tag dann Reifen wechseln, Werkstatt suchen und vor allem: Geld besorgen, was damals – ohne EC-Karte und Geldautomaten – noch nicht so leicht ist. Der örtliche Banker weigert sich, uns am Freitagnachmittag noch trotz aller Unterlagen Ersatz für Schecks und schließlich Geld zu geben.
Doch wir haben nichts, der Tank ist leer und wir wollen nur noch weg. Also Sitzstreik. Nach zweieinhalb Stunden gibt der Banker auf, wir bekommen schließlich Schecks und Geld. Die Nacht verbringen wir dann noch auf dem Campingplatz. Als ich nachts einen Mann an unserem Auto hantieren sehe, packt mich die Wut. Mit einer schweren Varta-Taschenlampe bewaffnet gehe ich auf ihn zu. Bevor ich zuschlage, erkenne ich in letzter Sekunde, dass es gar nicht unser Auto ist. Sondern seines. Die Nerven! Am nächsten Tag sind wir bereit für die Flucht: Mit geflicktem Reifen und Geld in der Tasche setzen wir uns ab – an die beschauliche Ardèche. Allein: Das Erlebte wirkte noch lange in unseren Träumen nach. Und die Woody-Allen-Formel? Obwohl die „Tragödie“ Jahrzehnte her ist, ist es uns nicht gelungen, eine Komödie daraus zu machen.
Wolfgang Wagner, Mitglied der Chefredaktion
Tückische Schneeschnellen
In meiner Heimatstadt gibt es den Bullenberg, die höchste Erhebung weit und breit, im Laufe von Jahrtausenden auf immerhin 51 Meter über dem Meeresspiegel geschossen. Seine sanften Hänge erschienen mir als Kind viel zu gefährlich, um sich auf ihnen mit dem Schlitten hinabzustürzen. So habe ich früh akzeptiert, dass die Berge nicht meine Heimat sind – und es niemals werden würden. Warum auch? Die Ebene hat schließlich auch ihre Reize. Aber erzählen Sie das mal meiner Frau! Sie ist nahe der schweizerischen Grenze aufgewachsen und scheint ihre halbe Kindheit an alpine Schussfahrten verschwendet zu haben. Also schulterten wir gemeinsam geliehene Skier, um in den ersten Winterurlaub meines bis dahin unbeschwerten Lebens zu fahren.
Als faulen Kompromiss hatte ich eine Akklimatisierungsphase ausgehandelt: Sie fuhr die Bergspitzen hinab, während ich auf Langlaufskiern die Täler erkundete. Auf Alm und Hütte wollte man sich wiedersehen. Die Trennung schmerzte zwar, aber nicht so sehr wie die Erfahrung, dass auch Täler Höhen und Tiefen haben. Die anfängliche Euphorie auf flacher Strecke wich bei der ersten sanften Bodenwelle dem Entsetzen – und der Einsicht, dass der Bullenberg besser mein Schicksalsberg geblieben wäre. Immerhin blamierte ich mich nur vor der Sonne über und den tückischen Schneeschnellen unter mir. Eines Tages wollte sich meine Frau dann meiner erbarmen und mich auf Langlaufskiern begleiten. Vielleicht hatte ich auch zu gut vom „Spaß im Tal“ gelogen. Nun folgte der Offenbarungseid. Die Beziehung hat es überlebt, meine junge Liebe zu verschneiten Bergen nicht.
Michael Kohler, Kulturredaktion
Die Hölle für eine Spinnen-Phobikerin
Neuer Freund, erster gemeinsamer Urlaub. Große Liebe, wenig Geld. Also eine Woche Zelten in Südfrankreich während der Semesterferien. Als wir ankamen, war es bereits dunkel auf dem Camping-Platz. Mit einem dringenden Bedürfnis hastete ich zum großen Waschhaus. Das war als einziges weit und breit beleuchtet. Sehr, sehr gut beleuchtet. Je näher ich kam, desto mehr grauste es mich: Überall waren Netze gespannt, in denen ziemlich viele, überdurchschnittlich große Kreuzspinnen auf Beute warteten. Wie ich es als Spinnen-Phobikerin überhaupt ins Innere des Waschhäuschen geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Vermutlich siegte in diesem Moment noch besagtes Bedürfnis.
Im Inneren war es leider noch schlimmer. Die Spinnen: auf den Wänden, an der Tür zum Klo, sogar in der Kloschüssel. Wobei ich beim Schreiben dieser Zeilen ins Nachdenken komme, ob meine Erinnerung mich nicht doch trügt: Spinnen im Klo? Kann das sein? Müsste sich das Problem nicht durch eine beherzte Spülung – nun ja – erledigt haben? Tja. Unser Zelt haben wir auf dem Campingplatz jedenfalls nicht aufgebaut. Weder in dieser noch in einer anderen Nacht. Ich schlief in unserem winzigen Auto auf dem zurückgeklappten Vordersitz, mein Freund solidarisch neben mir. Sehr früh am Morgen und noch sehr müde suchten wir das Weite – und ließen uns in einer spinnenbefreiten Zone von den Mücken zerstechen.
Sarah Brasack, stellvertretende Chefredakteurin
Mit Traveller-Schecks ans Fließband
Apropos Ardèche. Und apropos Reiseschecks, die wir damals vermeintlich weltgewandt „Travellers“ nannten. In das Zahlungsmittel, das man hierzulande bis 2005 für Auslandsreisen erwerben konnte, investierte ich das komplette Geld, das meine Eltern mir zum Abitur geschenkt hatten. Für eine erste Reise in die Freiheit – gemeinsam mit der Clique. Vom Westerwald an die Ardèche zum Wildwasserkajakfahren. Via Paris – mit dem VW-Bus für eine Nacht. Wichtig zu wissen: Traveller-Schecks sind versichert, also schnell ersetzbar, solange man sie getrennt vom Versicherungsschein aufbewahrt. Theoretisch war mir das bewusst.
Praktisch überwog das schnelle Packen und eine romantische Vorstellung: Wir hatten abgemacht, die Versicherungsscheine abends bei einem ersten Kaltgetränk auf der Treppe vor Sacre Coeur auszutauschen und sie so gegenseitig getrennt von den jeweiligen Schecks zu verwahren. Sieben Stunden später war es so weit. Die ersten Hürden als Fahranfängerinnen waren überwunden: das Pariser Verkehrsgebaren, die vielen unübersichtlichen Kreisel, die Camping-Platz-Suche in der unwirtlichen Peripherie. Jetzt saßen wir glücklich auf den Treppenstufen vor der berühmten Basilika. Genossen ein Glas Rotwein, den Blick über Montmartre und das Gefühl, unendlich kosmopolitisch unterwegs zu sein.

Nicht für alle Touristen hat Paris angenehme Erlebnisse zu bieten.
Copyright: Malte Christians/dpa/dpa-tmn
Bis uns die Fratze der Metropole einen Strich durch die Romantik machte. Blitzschnell und ungebeten gingen drei unserer Handtaschen in fremden Besitz über. Alles Schreien, Fluchen, Rennen blieb erfolglos. Die Taschen samt den kompletten Traveller-Sets waren fort. Mitfühlend überwiesen unsere Eltern Geld auf das Konto der einen Freundin, die noch im Besitz ihres Handgepäcks war.
Die Weiterfahrt an die Ardèche war gesichert – mit Bargeld in den Taschen, das wir fortan hüteten wie unsere Augäpfel. Und es selbstverständlich bei der ersten Kajakfahrt in wasserdichten Tonnen verwahrten, um es nicht im Auto oder Zelt zurückzulassen. Wer die Stromschnellen der Ardèche kennt, weiß, dass sofort kentert, wer über wenig Wildwasserkajak-Know-How verfügt. Da auch wasserdichte Tonnen wegschwimmen können, schnell sogar, standen erneute Überweisungen der Eltern an. Und sechs Wochen lang Akkord-Schichten am Fließband einer Fabrik für Toilettenpapier.
Caroline Kron, Redakteurin für „wir helfen“
Böse Überraschung in Schottland
Die Schotten können nichts dafür. Auch nicht die Highlands mit den Zeugnisse einer Geschichte von Sieg und Niederlage. Unser Start in den Familienurlaub 1977 war definitiv Letzteres. Und das, obwohl er in einen Jahrhundertsommer fiel. Es darf bezweifelt werden, dass es in 48 Jahren noch einmal so gute Bedingungen gab. Insofern ist die Erwähnung als „Urlaub zum Gruseln“ Teil einer Selbsthistorisierung, die partout nicht willens ist, die Vergangenheit zu verklären oder – siehe Woody Allen – von ihrer heiteren Seite zu nehmen.
Ganz schlimm, nein: ganz, ganz, schlimm habe ich die erste Unterkunft in der Kleinstadt Oban in Erinnerung, direkt an der Westküste. Meine Eltern hatten sich die familiengeführte Pension von einem Kollegen meines Vaters empfehlen lassen, der in der Gehaltsklasse locker drei Stufen höher rangierte. Wo der absteigt, da würde unsere Familie gewiss fürstlich logieren. Keine Ahnung, was in der Zwischenzeit passiert sein mochte. Was wir vorfanden, war tatsächlich eine Absteige, muffig und schmuddelig, die Zimmer klein, die Wolldecken speckig – und den Laken war nicht anzusehen, ob sie vor unserer Ankunft gewechselt worden waren. Durch das halbblinde Fenster konnten wir zwar erkennen, dass unten auf der Wiese Bettzeug zum Bleichen ausgebreitet war. Es wurde also gewaschen. Im Prinzip. Aber da der Hofhund und anderes Hausgetier darum herumstrichen, war uns das kein Trost.
Die Tochter des Hauses, die im Speiseraum das Essen (Kategorie: undefinierbar) servierte, trug eine vom Schmutz steife Schürze, das Schwarz unter den Fingernägeln hätte vielleicht einen Biochemiker begeistert. Nicht so meine Mutter. Sie ekelte sich dermaßen, dass sie kaum einen Bissen hinunterbekam. Und das übertrug sich – natürlich – umstandslos auf uns Kinder. Eine Nacht, es mögen zwei gewesen sein – hielten wir es aus. Dann zogen wir vorzeitig weiter. Und ab da wurde es wunderschön. Wirklich! Thank you, beautiful Scotland, and dear Scots, forgive me for my bad memories!
Joachim Frank, Chefkorrespondent
Haben auch Sie Urlaube erlebt, an die Sie noch heute mit gelindem Schauder denken? Schreiben Sie uns von Fehlplanungen, widrigem Wetter, Hoteldramen, seltsamen Reisebegleitern, Transportproblemen, biblischen Plagen und anderen Katastrophen! Die besten Geschichten, womöglich mit Beweisfotos, veröffentlichen wir als dritten Teil der „Urlaube zum Gruseln“. KStA-Leserforum, Stichwort: Urlaube zum Gruseln, leserforum@kstamedien.de