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Schock-Werners Adventskalender (12)Kostspielige Angeberei mit „Vater Rhein“

3 min
Prunkvoller Tafelaufsatz mit „Vater Rhein“ (Ausschnitt) aus dem Kölner Ratssilber im Stadtmuseum

Prunkvoller Tafelaufsatz mit „Vater Rhein“ (Ausschnitt) aus dem Kölner Ratssilber im Stadtmuseum

Das um 1900 geschaffene Kölner Ratssilber sollte nicht nur heimische Goldschmiedekunst zeigen, sondern auch ein politisches Programm transportieren.

Weihnachten – das sind auch die Tage der festlich gedeckten Tafeln. Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf Ihrem Esstisch daheim diesen opulenten Tischschmuck aus den Beständen des Kölner Stadtmuseums stehen. Was für ein Blickfang! Der Tafelaufsatz „Vater Rhein“ stammt aus der Zeit der Jahrhundertwende 1899/1900. Der damals berühmte Kölner Goldschmied Gabriel Hermeling, auch Schöpfer des Ratssilbers, führte damit Auftrag der Reichsregierung aus, die dieses Stück für die Weltausstellung in Paris bestellt hatte – als Beweis für deutsche Goldschmiedekunst. Man könnte es auch Angeberei nennen.

Zwei Kölner Familien kauften das Prunkstück danach und schenkten den „Vater Rhein“ ihrer Vaterstadt. Der Preis: 45.000 (Reichs-)Mark. Das entspricht einem Betrag von annähernd 380.000 Euro!

18.11.2025 Köln. Ein Adventskalender mit und von Barbara Schock Werner. Es werden 6x4 Objekte aus gebeutelten Kölner Museen betrachtet und vorgestellt. Stadtmuseum. Tafelaufsatz "Vater Rhein". Foto: Alexander Schwaiger

Tafelaufsatz „Vater Rhein“ aus dem Kölner Ratssilber im Stadtmuseum

Hermeling setzt mit seinem Werk in historisierenden Formen die Rheinseligkeit der Kölner zur damaligen Zeit in Szene. Auf einem Felsen aus Rauchtopas steht, nur mit Weinlaub begleitet, der Vater Rhein. Auf seinem Kopf trägt er eine Hansekogge aus Bergkristall – wie der griechische Riese Atlas die Weltkugel. Am Schiffsheck weht die schwarz-weiß-rote Flagge des Deutschen Reichs, am Bug das Kölner Stadtwappen mit den Kronen der heiligen drei Könige. Die Segel zeigen den Reichsadler, den preußischen Adler sowie die Wappen der vom Rhein durchflossenen deutschen Länder. In der Hand hält der Vater Rhein natürlich ein Ruder. Und am Steuerrad steht – der deutsche Michel.

Der Sockel ist mit seiner Formenvielfalt ein Fall für sich. Er zeigt rheinische Berufe (darunter Winzer, Fischer, Maler, Gelehrter, Bauer, Sänger, aber auch Bischof oder Dombaumeister). Auf Email-Medaillons sind rheinische Sagen dargestellt – selbstverständlich inklusive der Loreley.

Darüber erscheinen in gotischen Arkaden die großen mittelalterlichen Kirchen am Rhein sowie die wichtigsten Burgen und Schlösser entlang des Flusslaufs.

Sie merken schon: Vor diesem Stück können Sie viel Zeit verbringen, bis Sie wirklich jedes Detail erfasst haben. Alle stehen sie im Dienst eines einzigen politischen Programms, von dem es heißt, Kaiser Wilhelm II. persönlich könnte die Anregung dazu gegeben haben: Der Rhein ist ein durch und durch deutscher Strom. Das sollte auf der Weltausstellung insbesondere den Franzosen auf der anderen Flussseite klar gemacht werden.

Aufgezeichnet von Joachim Frank


In unserem Adventskalender stellt Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner jeden Tag ein besonderes Ausstellungsstück aus einem von sechs Kölner Museen vor. Alle Folgen finden Sie hier:
www.ksta.de/weihnachten

Das Stadtmuseum im ehemaligen Modehaus Franz Sauer, Minoritenstraße 3, 50667 Köln, ist geöffnet von 10 bis 17 Uhr (montags geschlossen). Eintritt: 5 Euro (ermäßigt 3 Euro). Freien Eintritt haben unter anderem Kinder und Jugendliche unter 18 aus Köln. Am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat, ist der Eintritt für alle Kölnerinnen und Kölner frei.