Eine Figur des Christkinds im Kölner Museum Schnütgen begeistert Dombaumeisterin a.D., kann aber auch traurig stimmen.
Schock-Werners Adventskalender (23)Kind-Ersatz im Nonnenkloster

Figur des Christkinds, Köln, 16. Jahrhundert, Museum Schnütgen
Copyright: Alexander Schwaiger
Eine Miniaturwiege gehörte in meiner Kindheit zum festen Inventar jeder Puppenstube. Im Museum Schnütgen gibt es eine für das Christkind. Sie stammt schon aus dem 14. Jahrhundert und gilt als älteste ihrer Art. In Gebrauch war diese Christkindwiege aber nicht etwa bei Kölner Kindern des Mittelalters, sondern in Nonnenklöstern. Von dort stammt auch der um 1500 geschnitzte nackige Jesusknabe mit rosiger Haut und blondem, lockigem Haar – so, wie‘s im Lied „Stille Nacht“ steht.

Die stehende Christusfigur aus Nussbaumholz konnte - wie eine Puppe - mit passenden Kleidern angezogen werden. Sie war für den Gebrauch in einem Nonnenkloster bestimmt.
Copyright: Alexander Schwaiger
Die stehende aus Nussbaumholz geschnitzte Figur, der man passende Kleider anziehen konnte, passt eigentlich nicht zu der fast 200 Jahre älteren Wiege. Man erkennt aber als Besucher den Zusammenhang: Mangels eigener Kinder lenkten die Nonnen im Kloster ihre mütterlichen Gefühle auf die Jesus-Puppe um. Rührend einerseits, aber doch auch irgendwie traurig, wenn ich mir die „Bräute Christi“, erwachsen und teils hochgebildet, so beim Puppenspielen vorstelle - ohne eigene Familie, aber doch mit allen menschlichen Regungen, die man als Frau hat.
Das Christkind im Schnütgen gehört zu den schönsten, die ich kenne. Er steht wunderbar im sogenannten Kontrapost, fast wie eine römische Kaiserstatue. Diese Körperhaltung spielt tatsächlich auf die Gottessohnschaft Jesu und sein himmlisches Königtum an. Genau wie der Apfel in seiner linken Hand, der auf den Reichsapfel verweist, sowie der Segensgestus der rechten Hand. Aber dieses Jesuskind ist kein „kleiner Erwachsener“, wie man sie manchmal auf alten Bildern sieht, sondern ein richtiges Kleinkind mit Babyspeck an den Oberarmen und den Oberschenkeln. Dass die Ohren ein wenig groß geraten sind, übergehen wir an dieser Stelle mal ganz schnell. Aber wie er so herzallerliebst dasteht, dieses Jesusknäblein, muss man sich gleich darin verlieben. Und genau das war – wie beschrieben – auch der Sinn.
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Aufgezeichnet von Joachim Frank
In unserem Adventskalender stellt Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner jeden Tag ein besonderes Ausstellungsstück aus einem von sechs Kölner Museen vor. Alle Folgen finden Sie hier:www.ksta.de/weihnachten
Das Museum Schnütgen, Cäcilienstraße 29-33, 50667 Köln (Eingang über das Rautenstrauch-Joest-Museum), ist geöffnet von 10 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr und am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat, von 10 bis 22 Uhr. Montags sowie unter anderem an Heiligabend, am ersten Weihnachtsfeiertag (25.12.), an Silvester und Neujahr geschlossen. Eintritt: 6 Euro (ermäßigt 3,50 Euro). Freien Eintritt haben unter anderem Kinder und Jugendliche unter 18 aus Köln.

