„Problem der Überalterung“Jüdische Gedenkstätte Jawne mit ungewisser Zukunft in Köln

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Jawne

Ursula Reuter und Adrian Stellmacher vom Arbeitskreis „Lern- und Gedenkort Jawne“ 

Köln – Es sind ergreifende Geschichten, die in den kleinen Galerieräumen am ebenfalls kleinen Erich-Klibansky-Platz in der Innenstadt erzählt werden. Bis 1943 befand sich in direkter Nachbarschaft das jüdische Reform-Realgymnasium Jawne sowie eine Synagoge. Letzter Direktor der Schule war Erich Klibansky, der nach den nationalsozialistischen Pogromen am 9. und 10. November 1938 den Entschluss fasste, die gesamte Schule nach England zu verlegen. 130 Mädchen und Jungen konnten auf seine Initiative hin zwischen Januar und Juli 1939 mit Kindertransporten das Land verlassen – noch gerade rechtzeitig vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Bis in den Sommer 1942 wurde der Schulbetrieb aufrechterhalten, bis die Gestapo ihn verbot. Fast alle der letzten Schüler wurden deportiert, auch Erich Klibansky und seine Familie wurden 1942 in der Nähe von Minsk ermordet. Die Gebäude in der Kölner Innenstadt brannten kurze Zeit später bei einem Bombenangriff aus.

Gedenkveranstaltungen und Zeitzeugen-Berichten

Mit Ausstellungen, Gedenkveranstaltungen und Zeitzeugen-Berichten hält der Arbeitskreis „Lern- und Gedenkort Jawne“ seit 2003 die Geschichte dieses untergegangenen Zentrums jüdischen Lebens in Erinnerung. In pandemiefreien Zeiten kamen rund 35 bis 50 Schulklassen pro Jahr. Doch der Verein mit seinen ausschließlich ehrenamtlichen Mitwirkenden kann die Fülle an Aufgaben immer schlechter bewältigen.

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„Wir sind alle schon lange hier tätig“, sagt Adrian Stellmacher, im Verein unter anderem in der pädagogischen Arbeit engagiert: „Wir haben ein Stück das Problem der Überalterung.“ Im Arbeitskreis sind derzeit 15 Menschen aktiv, der Förderverein hat 40 Mitglieder. „Teilweise hören die Leute auf“, sagt der 57-Jährige: „Wir haben schon viele Mitglieder verloren, die irgendwann ausgepowert waren.“ Der Verein sei künftig auf die Finanzierung mindestens einer halben Stelle für Büroarbeit oder die Betreuung der Ehrenamtler angewiesen, sagt Stellmacher.

Passiere nichts, bestehe die Gefahr, „dass es nicht weitergeht“, ergänzt Ursula Reuter, Vorsitzende des Fördervereins. Hinzu komme, dass der städtische Mietzuschuss im aktuellen Haushaltsplan nicht mehr ausgewiesen sei: „Im Augenblick hängen wir total in der Luft.“

Mietzuschuss in voller Höhe im Haushaltsentwurf enthalten

Eine Sorge konnte eine Sprecherin der Stadtverwaltung den Ehrenamtlichen auf Anfrage nehmen. So sei der Mietzuschuss wie bisher in voller Höhe im Haushaltsentwurf enthalten. „Die Stadt wird sich bemühen, dass der Lern- und Gedenkort Jawne auch über 2022 hinaus den Zuschuss erhält.“ Was den Wunsch nach einer festen Stelle angeht, rät Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister der Innenstadt, politische Landschaftspflege zu betreiben. Es reiche nicht, nur einen Antrag bei der Verwaltung zu stellen. Auch die politischen Entscheidungsträger müssten überzeugt werden. „Die müssen ganz einfach Klinken putzen gehen“, sagt Hupke. Dass der Verein eine Absage erhalte, könne er sich nicht vorstellen. Denn dessen Arbeit sei sehr „unterstützenswert“.

Ursula Reuter räumt ein, die Netzwerkarbeit bisher ein wenig vernachlässigt zu haben – auch aus Gründen mangelnder Kapazitäten. „Wir haben uns immer mit anderen Dingen beschäftigt“, sagt sie. Der Wille sei aber vorhanden, „uns zu optimieren“. Zusammen mit Adrian Stellmacher ist sich die 57-Jährige einig, dass der Gedenkort erhalten bleiben müsse: „Für die Geschichte des jüdischen Köln ist es ein wichtiger Ort.“ Gerade in Zeiten zunehmender antisemitischer Tendenzen.

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