Beweisstücke nicht auffindbarSchlamperei in der Asservatenkammer der Kölner Polizei

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Blick in die Asservatenkammer im Kölner Polizeipräsidium

Blick in die Asservatenkammer im Kölner Polizeipräsidium

  • Akten stapelten sich, Beweismittel waren plötzlich nicht mehr auffindbar: In der Asservatenkammer der Kölner Polizei hatte ein Mitarbeiter die Übersicht verloren - mit weitreichenden Folgen.
  • Zeitweise ermittelte sogar die Staatsanwaltschaft. Es bestand der Verdacht, er habe womöglich Beweismittel verschwinden lassen.
  • Nun beginnt bei der Polizei das große Aufräumen.

Köln – Auf meterlangen, fast deckenhohen Regalen türmen sich braune Papiertüten mit Beutestücken, Drogen oder Waffen – Gegenstände, die die Polizei bei Straftätern sichergestellt hat und die im Strafverfahren als Beweismittel benötigt werden. Ein Blick in die Asservatenkammer der Polizei gibt einen Eindruck davon, wie schwierig es sein muss, den Überblick über tausende von Beweismitteln zu behalten – erst recht, wenn die Buchführung nicht stimmt. Genau das aber ist passiert.

Ein Mitarbeiter, der die Kontrolle über die Ein- und Ausgänge sowie die Lagerung der Asservate behalten sollte, hat nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wohl irgendwann im Vorjahr die Übersicht verloren. Die Folge: Akten stapelten sich, Beweismittel waren plötzlich nicht mehr auffindbar. Im Keller des Polizeipräsidiums herrschte ein Durcheinander – teilweise bis heute. Größeres steht unverpackt auf dem Boden: Computer zum Beispiel, gefälschte Markenstühle von der Möbelmesse, eine Spitzhacke, ein Ventilator, eine Babywanne.

Staatsanwaltschaft ermittelte

Eine Weile lang, ein paar Wochen, vielleicht auch Monate, konnte der Mitarbeiter die Zustände vor seinen Kollegen anfangs offenbar verbergen. Doch im September voriges Jahr schöpfte ein Mitarbeiter Verdacht: Er wandte sich an seinen Vorgesetzten, und der ging der Sache auf den Grund.

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Teils verpackt in Papiertüten lagern Beutestücke, Drogen und Waffen, die die Polizei bei Straftätern sichergestellt hat. 

Der betreffende Angestellte wurde sofort versetzt. Zeitweise bestand sogar der Verdacht, er habe womöglich Beweismittel verschwinden lassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte unter anderem wegen Verdachts der Unterschlagung gegen den Mann. Bestätigt hat sich das nicht, das Verfahren wurde eingestellt. „Das entlastet den Kollegen in dieser Hinsicht“, betont Polizeisprecher Ralf Remmert. Der Mitarbeiter bekam eine Abmahnung und arbeitet heute in einer anderen Dienststelle.

„Er war wohl einfach mit der Masse an Vorgängen überlastet“, sagt Kriminaldirektor Stephan Wetzel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Wann genau die Buchführung aus dem Ruder lief, ist zwar unklar. Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt soll der Angestellte damit begonnen haben, wann immer sich eine Lücke in einem Regal auftat, ein neues Asservat einfach dort abzustellen. Den Eingang des Asservats verzeichnete er zwar ordnungsgemäß im „Verwahrbuch“, den Lagerort aber hielt er nirgends fest.

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Im Verwahrbuch müssen alle Ein- und Ausgänge verzeichnet werden.

Seit Monaten sind nun die Mitarbeiter der Asservatenstelle damit beschäftigt, Ordnung ins Chaos zu bringen. Unterstützt werden sie von zwei Mitarbeiterinnen aus einem anderen Kommissariat. Beweismittel für Beweismittel nehmen sie sich vor, suchen den entsprechenden Eintrag im Verwahrbuch und vermerken den genauen Lagerort. Ein gewaltiger Aufwand. „Wir drehen die Asservatenkammer zurzeit auf links. Die Kollegen kommen gut voran, aber sie werden sicher noch bis ins nächste Jahr damit zu tun haben“, sagt Wetzel.

Immerhin: Es scheint nichts zu fehlen. „Alle Asservate sind bislang wieder aufgetaucht“, betont der Kriminaldirektor – wenn auch manche erst nach aufwendiger Suche. Durch die Missstände in der polizeilichen Asservatenkammer habe sich kein Strafverfahren verlängert und kein Gerichtstermin verzögert, fügt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer hinzu.

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Größeres steht unverpackt auf dem Boden: Farräder zum Beispiel, oder Computer.

In Zeiten ohnehin knapper Ressourcen sei die mühevolle Revision zwar ein „Kraftakt“ und eine zusätzliche Belastung, sagt Wetzel, der bei der Polizei die Kriminalinspektion sechs leitet. „Aber es ist zugleich auch ein wichtiger Prozess. Die Asservatenstelle ist die Achillesferse. Wir werden da zukünftig noch genauer hinschauen.“ Damit sich ein solcher Vorgang nicht wiederholt und die Belastung der Mitarbeiter sinkt, wurde die Asservatenstelle bereits dauerhaft um einen weiteren Mitarbeiter verstärkt. „Wir haben da mittlerweile eine gute Struktur“, sagt Wetzel.

Das große Aufräumen nutzt die Polizei nun auch dazu, nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Asservate zu entsorgen, die zum Teil seit fast zwanzig Jahren im Keller liegen, aber längst nicht mehr benötigt werden.

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