Blindgänger in Köln entschärftWarum immer wieder Lindenthal?

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Bombenfund Lindenthal

Derzeit läuft der zweite Klingeldurchgang nach dem Bombenfund in Lindenthal.

Köln – Einige Patientinnen und Patienten des St.-Elisabeth-Krankenhauses kannten den Ablauf schon von voriger Woche. Auf dem Parkplatz vor der Klinik standen dutzende Krankentransportwagen bereit, um etwa 60 Menschen aus dem Evakuierungsgebiet zu bringen, weil wieder einmal ein Blindgänger unweit des Klinikgeländes entschärft werden musste. Wie schon acht Tage zuvor wurden dafür große Teile des Krankenhauses evakuiert. Betroffen von den am Morgen begonnenen Räumungen waren erneut alle Stationen und auch diesmal wieder viele Anwohnerinnen und Anwohner in Lindenthal – ziemlich genau 800.

Ungefähr fünf Stunden später – mittags um kurz nach 14 Uhr – kam dann die Entwarnung. Auch diese fünf-Zentner-Bombe britischer Bauart aus dem Zweiten Weltkrieg ist unschädlich gemacht. Alle dürfen wieder zurück. Aber wahrscheinlich glaubt niemand der Betroffenen, dass es die letzte Entschärfung in ihrem Stadtteil war.

„Die Dürener Straße ist ziemlich ausradiert worden“

Hintergrund der sich häufenden Bombenfunde in Lindenthal ist, dass unter den Fliegerangriffen auf Köln im Zweiten Weltkrieg auch das St. Elisabeth Krankenhaus zu leiden hatte. Die Chronik des katholischen Lehrkrankenhauses berichtet von starken Beschädigungen des Internats und der Kirche sowie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von mehr als 80 Bombentrichtern auf dem Gelände.

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Dass das Hospital bewusst beschossen wurde, glaubt Konrad Adenauer, Enkel des einstigen Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer und Buchautor über Lindenthal, hingegen nicht. Vielmehr seien die Kölner Ausfallstraßen wie die nahegelegene Dürener Straße gezielt zerstört worden: „Die Dürener Straße ist ziemlich ausradiert worden.“ In diesem Zusammenhang seien wohl auch Gebäude des Krankenhauses in Mitleidenschaft gezogen worden. „Es wurde auch immer gesagt, dass die Alliierten, wenn sie nicht alle Bomben über Köln abgeworfen hatten, sich auf der Rückkehr der Reste entledigt haben“, sagt Konrad Adenauer. Dennoch sei das Krankenhaus selbst vergleichsweise glimpflich davongekommen, worin laut Chronik „allgemein ein Fingerzeig Gottes gesehen wurde“.

Konrad Adenauer: Behörden haben zu sorglos gehandelt

Den Behörden bescheinigt Konrad Adenauer im Umgang mit den Blindgängern eine gewisse Sorglosigkeit. Weltkriegsbomben seien am Krankenhaus bereits vor einigen Jahren gefunden worden. Offensichtlich sei das Gelände damals nicht näher auf weitere Blindgänger untersucht worden. „Man hangelt sich von Fund zu Fund“, sagt Konrad Adenauer, immer wieder hätten die Anwohner darunter zu leiden: „Das ist etwas Laisser-faire.“ Aber schon direkt nach dem Zweiten Weltkrieg sei es offenbar unterlassen worden, Blindgänger mit Hilfe von Luftbildern der Alliierten unschädlich zu machen.

Im August 1939 war das Hospital von der Wehrmacht als Reservelazarett übernommen, nach dem Frankreichfeldzug aber zur Hälfte für die Zivilbevölkerung freigegeben worden. Kranke und Verwundete mussten bei jedem Fliegeralarm in den Luftschutzkeller umziehen, später wurde das Haus von starken Betonmauern und einem Erdwall geschützt. Operationsräume, Labor und Röntgenabteilung mussten teils ebenfalls im Keller eingerichtet werden.

Konrad Adenauers Großvater war dem St. Elisabeth Krankenhaus eng verbunden. 1944 gelang es ihm, vom Internierungslager auf dem Deutzer Messegelände nach Hohenlind überwiesen zu werden und von dort in den Westerwald zu fliehen. Als er nach dem Krieg erneut zum Oberbürgermeister Kölns ernannt worden war, wohnte er 1945 sogar einige Monate auf dem Krankenhaus-Gelände.

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