Brings im Autokino PorzEin skurriles Rock-Konzert mit emotionaler Ansprache

Lesezeit 3 Minuten
170420bringskinokonzert004

Brings bei ihrem Konzert im Porzer Autokino

  • Am Freitag spielte die Kölner Band Brings im Autokino Köln-Porz vor 250 Autos mit Insassen.
  • Es war wohl europaweit das erste öffentliche Konzert in der Corona-Krise.
  • Gegen Ende der Show wurde Sänger Peter Brings sentimental.

Köln-Porz – Zum Finale des knapp zweistündigen Konzerts von Brings im Autokino von Porz wird Sänger Peter Brings sentimental, die ganze Anspannung und Nervosität, die sich vor dem wohl weltweit ersten öffentlichen Konzert in Zeiten der Corona-Pandemie aufgestaut hatte, muss irgendwo hin.  „Als ich heute Mittag zum Soundcheck hier war, mich in mein Auto gesetzt habe und zum ersten Mal den Sound von den Jungs auf der Bühne gehört habe“, erzählt Brings nach der ersten Zugabe („Polka“), „habe ich gedacht, das kann funktionieren. Und es hat funktioniert, oder?“

Das Publikum, streng kaserniert in rund zweihundertfünfzig Autos, bestätigt das mit einem wilden Hupkonzert. „Wisst ihr wie das ist? Ich habe ja drei Kinder, und einer der Lieblingsfilme meiner Kinder war „Cars“. So ähnlich ist das. Ich rede hier mit Autos, alle sind am Blinken, und fangen an zu Leben. Wahnsinn!“ Wieder brandet der Applaus auf – hupen, blinken, aufblenden.

„Reißt euch zusammen!“

Von der Bühne sieht das ein bisschen aus wie der Landeanflug auf Los Angeles, zumal über dem Parkplatz des Drive-in-Kinos stetig Cargomaschinen vom nahegelegenen Flughafen starten und landen. „Ich wünsche Euch viel Kraft in den nächsten Tagen. Die werdet ihr brauchen, auch in den nächsten Wochen“, erzählt Brings weiter.

bopp_20_03609

Ein skurriles, aber tolles Erlebnis war das Konzert der Band.

„Ich weiß, dass wir Menschen nicht alle gleich sind, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Aber manche wohnen in großen Häusern mit Gärten, andere haben nur drei Zimmer. Wenn du mit drei Kindern in drei Zimmern im Görlinger Zentrum in Bocklemünd wohnst, ist das heftig. Da wird die Zeit echt eng. Reißt euch also zusammen“, fordert der Sänger die Fans auf, „guckt in eure Herzen und eure Seelen, damit da nichts kaputt geht. Ich könnte gerade echt losheulen, mir geht das so nahe. Ich bin froh, dass ihr da seid. Gemeinsam schaffen wir das, und dieser Scheiß-Virus wird irgendwann vorbei sein.“ Dann spielt die Band „Heimjonn“.

170420bringskinokonzert005

Die Fans in rund 250 Autos waren begeistert.

Es ist ein skurriles Erlebnis, dieser Live-Auftritt von Brings im Autokino, denn die zu wahrende Distanz aller Beteiligten, ob auf der Bühne oder im Publikum, widerspricht so ganz und gar dem, was ein Rockkonzert normalerweise ausmacht: dicht gedrängt vor einer Bühne stehen, mitsingen, tanzen, affrocke, als Teil der Fangemeinde die Musik erleben, gemeinsam trinken und feiern. Stattdessen sitzt man mit einem Bier und Frikadellchen zu zweit im Auto, bei geschlossenen Scheiben, und hört Radio, während sich vorne auf der Bühne eine für die Kraft ihrer Live-Auftritte bekannte Band bemüht, in Fahrt zu kommen. Was angesichts eines fünfzig Meter breiten Sicherheitsgrabens mit anschließendem Großparkplatz wirklich nicht einfach ist.

Unvergessliches Erlebnis

Aber keiner, der dabei  ist, wird dieses Erlebnis je vergessen. Denn Brings gibt alles und die anonyme Automenge mutiert nach und nach zur verschworenen Fangemeinde, an diesem Ort, der irgendwie total Retro ist und dank der Pandemie auf einmal ungewohnten Zulauf erhält. Sonst nerviges Autohupen wird zum Stakkato des Applauses, Lichthupen ersetzen das Glänzen in den Augen der Fans, Blinker die Feuerzeuge während eines romantischen Songs. Eine kleine Freiheit in Zeiten großer Einschränkungen, ein Mutmacher.

Das könnte Sie auch interessieren:

Und letztendlich ein großer Spaß der etwas anderen Art, der diszipliniert bis zum Ende durchgezogen wird. „Sehr Deutsch!“ urteilt Danar Widanarto, ein seit vielen Jahren in Köln lebender Indonesier. „In meiner Heimat hätten spätestens nach dem zweiten Song alle ihre Autos verlassen und wären zur Bühne gestürmt.“  

KStA abonnieren