Der Reiz der Rodenkirchener RivieraKöln hat den ältesten Campingplatz Deutschlands

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Platzbetreiber Susanne und Bernd Berger mit ihren Kindern Verena und Benedikt in einem alten Ruderkahn, der früher bei Hochwasser im Einsatz war. 

Köln – Er kann nie ausschlafen, nicht mal sonntags. Es ist gerade mal sieben Uhr, doch wie man hört, wird der Rhein in seinem breiten Bett bereits kräftig durchgerüttelt. Containerschiffe von Fußballfeld-Länge pflügen sich durch den Strom. Die Sonne arbeitet ebenfalls auf Hochtouren, aber mehr als  fünf Grad lässt sich das Thermometer nicht abringen. Das ist nicht viel, wenn den Schlafplatz keine schützende Wand, sondern nur eine Stoffplane umgibt. Die Nachbarn zur Rechten in ihrem luxuriösen Wohnmobil werden davon nichts merken. Aber ich bin in diesem Moment froh über meine Thermodecke. Durch die Stoffverkleidung, die das aufgestellte Dach meines Campingbusses umgibt, kann ich vom Bett aus schemenhaft den Sandstrand, das Wasser und die Silhouette von Westhoven sehen. Und die Markierung 681 an der Uferwand. Längst ist sie zum Synonym für den ältesten Campingplatz Deutschlands geworden. Am 5. Mai 1931, vor 90 Jahren also, legte Jakob Berger mit einer Zeltwiese am Rhein gewissermaßen den Grundstein für die heutige Wohnmobil-Kolonie an der Rodenkirchener Riviera. 

Die ersten Jogger sind auf den Beinen. In Lauftights und Funktionsshirts - Kleidungsstücke, die Opa Heinrich nicht mehr erlebt hat. Genauso wenig wie den Uferweg, über den die Läufer traben. Als Opa Heinrich vor 60 Jahren mit seiner Familie am Rheinufer picknickte, trug er Sakko und Krawatte und saß kerzengerade an einem Tisch, dessen Beine sich in den Ufersand bohrten. Inzwischen zählt seine Enkelin Margarete zu den langjährigsten Gästen auf dem Platz.

Für zwei Nächte ins Zelt gekrochen

„Es ist mein Zuhause, ich muss hierher kommen, es geht nicht anders, sagt die 62-Jährige mit den dunklen, zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren und lächelt. Sie ist froh, dass sie als Dauercamperin im Gegensatz zu den Touristen seit ende März wieder auf den Platz darf. Dann erzählt sie. Von den Großeltern aber auch von ihrer Mutter, die als Schneiderin Kinderkleider nähte, vom Vater, der auf dem Bau arbeitete, von der beengten Wohnung an der Bottmühle, die nur aus einem Raum bestand; davon, wie immer freitags die Taschen gepackt wurden und die Eltern dann samt ihrer drei Töchter für zwei Nächte ins Zelt gekrochen sind.

Den ganzen Tag draußen zu sein, Reisende kommen und manchmal mit Tränen in den Augen wieder gehen zu sehen, durch auswärtige Feriengäste Englisch zu lernen und vor allem stets jemanden zum Spielen zu haben, „war für uns immer super.“ Margarete und ihr Mann Thomas sind inzwischen selbst Großeltern, haben nicht nur ihre Kinder Jessica und Bastian auf dem Platz aufwachsen sehen, sondern freuen sich nun, wie Enkel Elias gemeinsam mit der vierbeinigen Lola die Welt zwischen Wohnwagen und Vorzelten, zwischen Campingsesseln und Gartengrills erkundet.

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Luftaufnahme vom Campingplatz in Rodenkirchen

Während jüngere Gäste vielfach achtlos an den vergrößerten Schwarz-Weiß-Aufnahmen vorbeigehen, die im Gemeinschafts-Waschraum hängen, werden bei Margarete jedes Mal Erinnerungen lebendig, wenn sie die alten Fotos betrachtet. Auch an den Mann, der mit über dem Bauch verschränkten Armen und freundlicher Miene an der Seite seiner Frau stehend zu sehen ist. „Jakob Berger war ein Macher“, sagt sein Enkel Bernd über seinen Großvater. Er hatte vor genau neunzig Jahren den richtigen Riecher. Denn er erkannte lange bevor das kleine Haus an der Anhängerkuppel zur Mode wurde, dass Wanderer zwischendurch Schlaf brauchen – und nicht erst, wenn sie am Ziel angelangt sind.

Anfang der Dreißiger Jahre kamen die erste Gäste natürlich nicht wie heute angerollt, sondern landeten auf dem Wasserweg an jener Wiese, auf der der wassersportbegeisterte Jakob Berger sich damals eine Existenz aufbaute. Als langjähriger Verwalter des Bootshauses vom „Arbeiter-Wassersport“ war dem 30-Jährigen die Idee gekommen, den jungen Männern, die mit Zelt und ihrem auf den Rücken geschnallten Kanu unterwegs waren, nicht nur einen Lagerplatz für ihr Boot, sondern auch eine Übernachtungsmöglichkeit anzubieten.

1931 war auch das Geburtsjahr des ersten „Wohnautos"

Dass im selben Jahr, als Jakob Berger seine ersten Zelt-Gäste begrüßte, ein gewisser Arist Dethleffs im Allgäu ein Fahrzeug austüftelte, das er „Wohnauto“ nannte, konnte der Kölner ebenso wenig ahnen, wie die Tatsache, dass sich zu der schlichten Form des Nächtigens im Freien irgendwann eine glamouröse Variante gesellen würde; und dass man im nächsten Jahrhundert den Radwanderer mit Zelt direkt neben dem Luxusmobil mit integriertem PKW stehen sehen würde.

Bis es dazu kommen konnte, musste jedoch noch etwas anderes passieren; etwas was man heute fast nur hinter vorgehaltener Hand erzählen darf: Bernd Berger tut es dennoch freimütig, „denn sonst gäbe es mich schließlich nicht“.

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Mary-Jo campt seit Kindertagen.

Es war das Jahr 1950, die Rodenkirchener Brücke lag noch zerstört im Wasser und harrte ihres Wiederaufbaus, als ein Poller Junge namens Herbert Schläger mit seinen Kumpels vom rechtsrheinischen Ufer aus in den Rhein hineinschwamm, um sich – wie damals unter Jugendlichen üblich – von Schleppkähnen mitziehen zu lassen und dann beschloss, sich am anderen Ufer eine Stärkung zu gönnen. Dass an der dortigen Trinkbude Anneliese, die Tochter Jakob Bergers stand und die beiden jungen Leute nicht nur Flüssigkeit tankten, sondern auch Feuer fingen, ist eine der Ursachen, weshalb der Campingplatz Berger inzwischen von der vierten Generation geleitet wird: Neben Bernd Berger (55) und seiner Frau Susanne, die sich seit Grundschulzeiten kennen, sind inzwischen auch deren Kinder Benedikt (26) und Verena (24) mit am Ruder und bedauern sehr, dass der vor drei Jahren verstorbene Großvater das Jubiläum nicht mehr erlebt. Denn durch ihn hat sich das fünf Hektar große Areal von einer Zeltwiese zum Großbetrieb mit Hotel, Restaurant und  Biergarten entwickelt. 

Erste gemeinsame Anschaffung: ein Zelt

Die Urenkel des Platzgründers haben wie ihr Vater ihre ersten Gehversuche zwischen den Campingmobilen unternommen undliefen dabei unausweichlich der kleinen Mary-Jo über den Weg. Die heute 29 Jahre alte  Kölnerin kommt seit ihrem siebten Lebenstag auf den Platz, hat von Geburt an nahezu jedes Wochenende zwischen April und Spätherbst und sämtliche Sommerferien in Rodenkirchen verbracht. Anfangs im Schlepptau der Eltern, dann mit Tobias, demJungen aus dem Sauerland, der vor 15 Jahren mit seinen Eltern zum Dauercamper wurde. Begegnet sind sich die beiden Jugendlichen damals sofort. Gefunkt hat es bei den Kölner Lichtern im Jahr 2010. Seitdem sind Mary-Jo und Tobias ein Paar.

Ihre erste gemeinsame Anschaffung war ein Zelt. Ihre ersten eigenen vier Wände waren die eines Wohnwagens, „noch bevor wir eine Wohnung hatten“. Und nun steht der junge Schlosser in den Startlöchern, um in Hamburg ein Wohnmobil abzuholen. „Unser erstes neues." Es wurde aber auch Zeit für eine etwas geräumigere Familienkutsche mit Standplatz in Köln.

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Vor acht Monaten ist die kleine Zoé zur Welt gekommen. Während die in der Babyschaukel schlummert, sind ihre zwei Schwestern auf dem Platz unterwegs. Amy (3) hat Lehmspuren im Gesicht und leuchtende Augen. May (5) hat gerade zwischen den knapp 120 Mobilen der Dauercamper das Fahrradfahren gelernt.

„Wir sind lieber hier als in unserer Wohnung in Dellbrück, obwohl die auch im Grünen liegt“, sagt Mary-Jo. „Hier schlafen die Kinder besser. Das Brummen der Schiffe ist so beruhigend.“ Im Grunde gibt es nur einen einzigen kleinen Makel: Dass im Ausweis der Kinder als Geburtsort nicht der Rheinkilometer 681 eingetragen ist.  

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