Stadt entscheidet„Wohnwerk“ ist einer von sechs Bewerbern für die Artilleriehalle in Köln-Ehrenfeld

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau und zwei Männer stehen vor einem massiven zweigeschossigen Klinkerbau.

Tanja Nowak, Ralf Extra und Sascha Lehman (v.l.) vom Verein Wohnwerk an der alten Artilleriehalle in Ehrenfeld

Die alte Halle am Alpener Platz in Ehrenfeld stammt noch aus der Preußenzeit. Bald könnte sie ein Ort für  inklusives Wohnen und Arbeiten werden.

Ein Dorf mitten im Viertel. Das könnte auf dem Gelände der alten Artilleriehalle an der Alpener Straße 4-6 entstehen. Der Verein Wohnwerk möchte es beleben und dort einen inklusiven Wohn- und Arbeitsort schaffen, für 120 Menschen, mit und ohne Behinderungen, für Alt und Jung. Er soll gleichzeitig ein soziokulturelles Zentrum im Viertel werden. Mit diesem Konzept haben sie sich Rahmen des Vergabeverfahrens für die städtische Immobilie, der Alten Artilleriehalle, beworben. Am 16. Februar werden sie es dem Liegenschaftsausschuss vorstellen.

Stadt vergibt Grundstücke nach Erbbaurecht, nicht nach Höchstgebot

Die Stadt hat vor einigen Jahren beschlossen, dass sie ihre Grundstücke zukünftig nach dem besten Konzept für eine gemeinwohlorientierte Nutzung und nicht nach Höchstpreis vergeben möchte. Sie werden nicht verkauft, sondern dem jeweiligen Nutzer wird ein Erbbaurecht an dem Grundstück übertragen. Für die alte Artilleriehalle gibt es sechs Bewerber. Der Verein Wohnwerk, zu dem 17 Familien gehören, rechnet sich mit seinem Konzept aber gute Chancen aus. Die Vereinsangehörigen haben bereits Erfahrung mit einem derartig großen Projekt: Sie haben alle ein Kind mit einer Behinderung und bereits die inklusive Offene Schule Köln in Rodenkirchen gegründet. Jetzt möchten sie einen Schritt weitergehen: „Inklusion soll nicht nur ein Thema für die Bildung sein, sondern über Wohnen und Arbeiten in die Stadtgesellschaft hineingetragen werden“, sagt Vereinsmitglied Tanja Nowak.

Eine massive Klinkerhalle ist zu sehen.

Die Artilleriehalle an der Alpener Straße stammt aus dem 19. Jahrhundert.

Der Rösterei-Betreiber und „Ihrefelder Jung“ Heribert Schamong sieht das genauso: „Das Wohnwerk-Konzept passt perfekt nach Ehrenfeld“, sagt er. Seit die Bezirksvertretung Ehrenfeld vor Jahren mit einem Beschluss dafür gesorgt hat, dass die Artilleriehalle erhalten bleibt, träumt er von einer Rösterei in dem alten Gebäude, einem Café, einem Ehrenfeldmuseum – und lernte die Leute vom Wohnwerk kennen, mit deren Vorstellungen sich seine Ideen verbinden lassen. Das Architekturbüro Zeller und Kölmel ist bereits mit der Planung beauftragt. Danach steht bislang Folgendes fest: In der Artilleriehalle und auf dem Areal sollen jeweils zu einem Viertel Sozial-, Studenten- und freie Wohnungen sowie Gewerbeeinheiten entstehen. Das alte Einfamilienhaus, das sich auf dem Grundstück befindet, wird abgerissen und durch einen größeren Neubau ersetzt.

Wohneinheiten, Cafés, Platz für Kultur, und Fahrradwerkstatt in Ehrenfeld

Es sollen Wohneinheiten für Wohngemeinschaften geschaffen werden, für betreute Wohngruppen, Familien, Singles und Paare. In der Mitte der Halle soll ein grüner Innenhof angelegt werden. Der vordere Bereich zur Straße wird ins Viertel geöffnet, mit Gewerbebetrieben. Schamong kann dort ein Café betreiben. Kulturveranstaltungen sollen dort stattfinden. Auch die Caritas könnte dort eine Zweigstelle haben, sagt Nowak, ein Car-Sharing-Unternehmen, ein Yoga-  ein Tonstudio einziehen, auch eine Fahrradwerkstatt ist denkbar. Vereinsmitglied und Architekt Ralf Extra betont die Nachhaltigkeit des Projekts: Der Erhalt der Halle statt eines Abrisses und Neubau sei ja schon nachhaltig. Es solle aber auch so wenig Energie wie möglich beim Bau aufgewendet werden. Die Gebäude sollen energetisch autark sein, also sich über Solaranlagen und Erdwärme selbst versorgen können.

Auch das Finanzierungskonzept steht. Rund 22 Millionen Euro werden die Sanierung und der Bau kosten. Einen sehr hohen Teil der Summe kann der Verein, der sich gerade in eine Genossenschaft verwandelt, über verschiedenste Förderprogramme akquirieren und sehr günstige Darlehen aufnehmen. Der Rest kommt durch Genossenschafts- und Eigenanteile zusammen. Durch die Mieteinnahmen werden dann die Darlehen getilgt. Die Wohnwerk-Crew möchte „aus der Mitte der Gesellschaft etwas für sie tun“, wie sie beschreibt. „Unsere Kinder sind Stadtkinder und möchten in der Stadt leben, ins Kino und ins Konzert gehen“, sagt Extra. Nowak ergänzt: „Wir möchten aber keine Behinderten-WG schaffen, sondern einen Lebensort für alle Menschen, egal ob mit oder ohne Behinderungen, ob jung oder alt. Ein Abbild der Gesellschaft.“


Das Gebäude an der Alpener Straße nahe der Einmündung zur Venloer Straße ist eine ehemalige preußische Artilleriewagenhalle. Eine Jahreszahl über dem Eingangstor weist 1879 als Erbauungs- oder Fertigstellungsjahr aus. Die Militäranlage stammt also aus einer Zeit, da Ehrenfeld noch selbstständige Stadt war. Erst 1888 wurde der prosperierende Industrievorort nach Köln eingemeindet.

KStA abonnieren