Abo

Pasta aus KölnEine Ehrenfelder Villa diente einst als „Nudel-Werk“

4 min
Frauen in weißen Kleidern und ein Auto stehen vor einem stattlichen Gebäude, auf dem der Schriftzug „Kölner JO Nudeln“ steht.

Die Werbepostkarte des „Nudel-Werks“ soll eine Szenerie zur Mittagspause in der Ehrenfelder Fabrik zeigen. 

In einem mondänen Gebäude an der Oskar-Jäger-Straße wurden bis in die 1960er Jahre Nudeln namens „Hexenkrause“, „Kölner Dom“ und „Hausmädchen Mimi“ hergestellt. 

Werbung mit einer „Weißen Dame“ wirkt. Das wusste man schon im letzten Jahrhundert. Ein Fabrikant ließ 1939 für eine Reklame-Postkarte gleich ein gutes Dutzend „Weißer Damen“ samt einem schicken Wagen vor einem noch schickeren Gebäude ablichten. Erst auf den zweiten Blick ist zu sehen, dass es eine Fabrik ist. Eine Nudelfabrik. Und die Frauen stellten diese Teigwaren her: Makkaroni, Spaghetti, Eiernudeln. Pasta „Made in Ehrenfeld“, um es ganz genau zu sagen.

Im Gegensatz zu Kölnisch Wasser, Schiffspropellern, Eisenbahnwaggons und natürlich Leuchttürmen, sind Nudeln als Produkt der einst so vielfältigen Ehrenfelder Industrie völlig in Vergessenheit geraten. Es ist ja auch schon hundert Jahre her, dass an der Oskar-Jäger-Straße 127–141 die Pasta-Produktion aufgenommen wurde. Rund 40 Jahre – bis Anfang der 1960er Jahre – existierte die Fabrik. Die Teigwaren trugen das Markenzeichen „JO – Kölner Nudeln“.

Eine weiß verputzte Halle aus Beton hat eine große Holztür und rechteckige Fenster.

Hundert Jahre alt ist diese Halle, die früher zur Nudelfabrik Op der Becke gehörte.

Die Initialen J und O standen für den Firmen-Urahn Johann Op der Becke. Im Jahre 1786 legte er den Grundstein für das Unternehmen. Der Kaufmann, Spross einer alteingesessenen Familie aus dem sauerländischen Altena, eröffnete in Mülheim am Rhein einen „Fruchthandel“.

„Zum Goldenen Pelikan“ in Mülheim

Dorthin hatte es den Westfalen Op der Becke der Liebe wegen verschlagen. Auf der Durchreise nach Aachen machte er im Gasthof „Zum Goldenen Pelikan“ an der Mülheimer Freiheit Station – und verliebte sich in die Wirtstochter Marianne Klein. Dann ging es recht schnell. Heirat in Altena, Umzug nach Mülheim, Geburt des ersten von insgesamt fünf Kindern. Schwiegervater Hermann Jolias Klein stellte dem jungen Paar ein Ladenlokal für das erste Geschäft zur Verfügung.

Auf die Idee, Teigwaren herzustellen, kam Johann Op der Becke noch nicht. Er handelte mit Früchten und Saatgut. Das brachte ihm Wohlstand und Ansehen ein, denn Johann war Anfang des 19. Jahrhunderts Bürgermeister von Mülheim. Sein Tod indes war dramatisch. Er starb am 13. Juli 1830 an seinem 45. Hochzeitstag in den Armen seiner Frau, wie diese in der Todesanzeige schilderte.

Die Vogelperspektive zeigt die kleine, noch existierende Lagerhalle hinter dem Fabrikgebäude. Der Dom ist in Wirklichkeit nicht am Horizont.

Die Vogelperspektive zeigt die kleine, noch existierende Lagerhalle hinter dem Fabrikgebäude. Der Dom ist in Wirklichkeit nicht am Horizont.

Die Nachfahren, der älteste Sohn und später auch Enkel trugen ebenfalls den Vornamen Johann, blieben zunächst in Mülheim. Das Geschäft war in der Wallstraße. Enkel Johann Hermann Op der Becke beendete jedoch die mehr als 100-jährige Ära im Fruchthandel und ließ 1911 ein neues Unternehmen eintragen, mit dem er 1913 ein Kontor im Mülheimer Hafen bezog. Die Firma handelte mit Getreide und betrieb eine Ölmühle.

Auch während des Ersten Weltkriegs schienen die Geschäfte gut zu laufen. Im Mai 1920 erfolgte die Änderung der Namensschreibweise in Op der Becke. 1925 ist erstmals in einem kleinen Werbeartikel, verpackt als Tipp für die Hausfrau, von der Teigwarenfabrik Op der Becke die Rede. Wahrscheinlich lief um diese Zeit die Produktion an der Oskar-Jäger-Straße in Ehrenfeld gerade an.

Im Stil der Goldenen Zwanziger

Der repräsentative Firmensitz trug die Züge des modernen Baustils der 1920er Jahre, die auch das etwa zur selben Zeit errichtete Sidol-Werk hatte, das nicht weit entfernt war. Eingebettet in eine Parkanlage wirkte der in strahlendem Weiß verputzte Bau der Nudelfabrik dank einer großzügigen Terrasse wie eine mondäne Villa, die als Filmkulisse für die Goldenen Zwanziger getaugt hätte.

Er diente als mehrfach Postkartenmotiv und war – zusammen mit dem Kölner Dom – auch Teil des Firmenlogos auf Briefpapier und Rechnungsformularen. Das Firmengelände lag direkt dem einstigen Güterbahnhof Melaten gegenüber, verfügte jedoch auch über einen eigenen Gleisanschluss, von dem heute noch Reste zu erkennen sind.

Die Produkte wurden als „modern“ beworben, anfangs wurde auch die Nahrhaftigkeit der Nudel betont. In den 1930er Jahren ließ sich das Unternehmen eigene Marken eintragen. Sie trugen die Namen „Hexenkrause“, „Kölner Dom“ und „Hausmädchen Mimi“. Die Silhouette eines Hausmädchens war zeitweise auch Teil des Firmenlogos.

Im Oktober 1939 machte der Unternehmer Johann Hermann Op der Becke unrühmliche Schlagzeilen. Wegen Steuerhinterziehung musste er eine Strafe in Höhe von 50.000 Reichsmark zahlen. Fünf Jahre später fiel der einzige Sohn Johann Dietrich im Krieg. Zu dieser Zeit - 1944/45 stand das Werk bereits still.

Nach Kriegsende wurde die Teigwarenproduktion fortgesetzt. Bis Ende 1965 war das Unternehmen im Adressbuch noch verzeichnet. Ab 1970 wird ein Duisburger Holzhandelsunternehmen als Eigentümer genannt. Heute sind auf dem Grundstück mehrere kleinere Handwerks- und Gewerbebetriebe beheimatet.

Von den einst schmucken Gebäuden ist so gut wie nichts mehr übrig. Nur eine kleinere Halle befindet sich im hinteren Teil des Grundstücks. Direkt dahinter ist noch ein Kastanienbaum aus der Zeit der Teigwarenfabrik erhalten. Ein verwittertes Schild weist darauf hin, dass sie schon mehr als 100 Jahre alt ist. Vielleicht haben sich die Weißen Damen unter dem Baum schon mal ein Extra-Päuschen gegönnt?