Missbrauch im Erzbistum KölnUrteil über 300.000 Euro Schmerzensgeld rechtskräftig

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25.07.2023, Köln: Über der Stadt hängen dunkle Wolken. Foto: Uwe Weiser

Georg Menne hatte gegen das Erzbistum Köln geklagt – jetzt ist das Urteil rechtskräftig.

Georg Menne war als Messdiener in den 70er Jahren mehrere hundert Male von einem mittlerweile verstorbenen Priester missbraucht worden und hatte gegen das Bistum geklagt. 

Das Urteil in der Schmerzensgeldklage eines Missbrauchsopfers gegen das Erzbistum Köln ist rechtskräftig. Sowohl der Kläger, Georg Menne, als auch das Erzbistum verzichteten auf eine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. Juni innerhalb der vorgesehenen Frist. Das Gericht hatte Menne ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro zugesprochen, die höchste in einem vergleichbaren Verfahren jemals von einem deutschen Gericht festgesetzte Summe.

„Das Erzbistum hat keine Berufung eingelegt“, teilte eine Sprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage mit. Menne zeigte sich erleichtert: „Ich wollte wissen, ob das Urteil rechtskräftig ist, damit ich innerlich zur Ruhe kommen kann.“

Mehrere hundert Male missbraucht

Menne war als Messdiener in den 1970er Jahren mehrere hundert Male von dem inzwischen verstorbenen Priester Erich J. missbraucht worden. Seine Klage richtete sich gegen das Erzbistum, weil es als Dienstherr des Geistlichen in Amtshaftung für dessen Vergehen steht. Dem Urteil wird grundsätzliche Bedeutung für weitere Verfahren zugemessen, die Missbrauchsopfer gegen die Kirche anstrengen könnten.

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Mennes Anwalt Eberhard Luetjohann reichte vor kurzem Klage für die Pflegetochter des aus dem Priesterstand entlassenen Serientäters Hans Ue. ein. Für die an ihr begangenen Verbrechen fordert die Frau vom Erzbistum ein Schmerzensgeld von 830.000 Euro sowie 20.000 Euro im Vorgriff auf den Ausgleich künftiger immaterieller Schädigung. Weitere Klagen seien in Vorbereitung, hieß es.

Kläger Georg Menne sitzt vor der Verhandlung im Gerichtssaal im Landgericht Köln. (Archivbild)

Kläger Georg Menne sitzt vor der Verhandlung im Gerichtssaal im Landgericht Köln. (Archivbild)

Menne sagte, er habe aus gesundheitlichen Gründen auf eine Berufung gegen das Urteil verzichtet. Seine Anwälte hätten durchaus Anlass gesehen, in die nächste Instanz zu gehen, und die Erfolgsaussichten als hoch eingeschätzt. „Wäre ich kühl genug und machten mir die posttraumatischen Belastungsstörungen nichts aus, wäre auch ich gern weitergegangen. Aber ich schaffe das nicht.“

Menne verwies auf die unabsehbare Dauer einer weiteren juristischen Auseinandersetzung und den ungewissen Ausgang. Es sei ihm in dem ganzen Verfahren „nicht in erster Linie um Geld gegangen“, betonte der 64-Jährige. „Mir war es wichtig, dass es zu einem Urteil kam. Ich bin aufgestanden und habe der Kirche Grenzen aufgezeigt.“

Bischöfliche Kommission sprach dem Opfer 25.000 Euro zu

In einem von den deutschen Bischöfen etablierten internen Verfahren „zur Anerkennung des Leids“ erhielt Menne 25.000 Euro zugesprochen. Kritiker monieren mangelnde Transparenz in der Arbeit der „Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids“ (UKA) und halten den bisherigen Entschädigungsrahmen von bis zu 50.000 Euro für zu niedrig. Die UKA kann über diese Regelgrenze hinausgehen. Faktisch liegt der Durchschnittsbetrag, den Missbrauchsopfer zugesprochen bekommen, bei unter 20.000 Euro.

Zu seinem Fall sagte Menne, die Missbrauchsgeschehnisse aus seiner Kindheit verfolgten ihn bis zum heutigen Tag. „Im Kopf habe ich mich erst ein Stück davon lösen können, als der Täter zu mir sagte: ‚Georg, du hättest doch jederzeit nein sagen können.‘“ Nachdem er Klage eingereicht hatte, hätten sich mehr als ein halbes Dutzend weitere Opfer von J. bei ihm gemeldet, die ihren Fall aber weder beim Erzbistum noch bei staatlichen Behörden angezeigt hätten. „Jeder hat seine eigene Strategie, mit Missbrauch umzugehen“, sagte Menne. Manche wollten nicht noch einmal an die Vergangenheit rühren.

Erzbistum bekennt sich zu seiner institutionellen Mitverantwortung

Er selbst habe sich für einen anderen Weg entschieden. Durch sein zeitweiliges Engagement im Betroffenenbeirat und im Beraterstab des Erzbistums wollte er „die Kette des Missbrauchs unterbrechen, so gut es geht“. Nach den Gremiensitzungen habe er allerdings regelmäßig ein paar Tage gebraucht, „bis ich wieder klar denken konnte“.

Das Erzbistum machte keine Angaben, warum es auf eine Berufung verzichtet hat. Allerdings hatte Kardinal Woelki bereits unmittelbar nach dem Urteil erklären lassen, dass man für das erlittene Unrecht und das Leid der Opfer die institutionelle Mitverantwortung übernehme. „Ich bin froh und dankbar, dass das Gericht mit seiner Entscheidung zur Klarheit in diesem Fall beigetragen hat“, sagte er seinerzeit. Die Entschädigung werde nicht aus Kirchensteuermitteln, sondern aus einem bischöflichen Sondervermögen für besondere Bedürfnisse des Bistums“ (BBB-Fonds) gezahlt, erklärte eine Sprecherin. 

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