Geheimnis Kölner DomVom Pakt mit dem Teufel und der Sage um ein eingemauertes Skelett

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CHORHOA4

Die Sterne im Chorgewölbe deuten manche als Beweis für das Fortleben des Mithraskults im Dom.

Auch im Umfeld des Kölner Doms gibt es Esoteriker und Verschwörungstheorien.

Wussten Sie, dass der Dom im Geheimen ein Zentrum des Mithras-Kults ist? Dass beim Dombau Menschen eingemauert wurden? Dass die Freimaurer den Dom für sich beanspruchen? Gehen Sie hin! Schauen Sie sich um! Sie werden Beweise in Hülle und Fülle finden.

Fangen wir mit den Freimaurern an. Die ägyptischen Mysterien und ägyptische Symbole spielen in dieser sagenumwobenen Organisation eine große Rolle. Und siehe da, noch bevor Sie den Kölner Dom betreten, stehen an den Ecken des Hauptportals kleine Stelen aus Basaltlava in Form von Obelisken mit einer Pyramiden-Spitze. Ein klares Signal für die geistige Präsenz der Freimaurer!

Kölner Dom: Was die Basaltstelen vor dem Dom mit den Freimaurern zu tun haben

Sie zweifeln? Zu Recht! Diese Dom-Geschichte habe ich frei erfunden – mit einer Ausnahme: Die Basaltstelen existieren. Ich habe sie selbst auf den kleinen Kanten am Kölner Dom aufstellen lassen. Dabei handelt es sich um den oberen Abschluss des alten, früher etwa 1,20 Meter hohen Domsockels, der beim Bau der Domplatte in den 1960er Jahren fast komplett im Boden verschwand. Die verbliebenen Reste waren für eilige, unachtsame Besucher beim Einbiegen zu den Westportalen die reinsten Stolperfallen. Es kam immer wieder zu Unfällen. Um das zu vermeiden, haben wir es als erstes mit handelsüblichen Pollern probiert. Die sahen aber irgendwie blöd aus. Also kamen die massiven Basaltstelen her, die sich dezent in die Umgebung einfügen.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Poller vor dem Kölner Dom

Für manche sind die Basaltstelen mehr als bloße Poller. Sie sehen darin Zeichen für das Weiterleben des Mithraskults im Dom.

Dass die Freimaurer damit zu tun hätten, kann ich also aus erster Hand verneinen. Aber so absurd diese Behauptung klingt, so typisch ist sie für das Strickmuster von esoterischen Geschichten und Verschwörungstheorien. Und die gibt es nun tatsächlich auch im Umfeld des Kölner Doms. 

Schier unverwüstlich und mit scheinbar wissenschaftlichem Anspruch vorgetragen, hält sich die These, dass sich auf dem Domhügel, also am Standort der heutigen Kathedrale, in der Antike ein Mithras-Tempel befunden habe, der vom Gott der Christen beziehungsweise von der Kirche verdrängt worden sei.

Der Kölner Dom als Stätte des geheimnisvollen Mithraskultes?

Was ist davon zu halten? Nun, der Mithras-Kult hatte seinen Höhepunkt in den ersten drei Jahrhunderten nach Christus. Man kann gewiss auch sagen, dass das erstarkende Christentum im Wettbewerb mit der Mithras-Verehrung stand, nicht zuletzt weil es sich beide Male um monotheistische Religionen mit einem Ein-Gott-Glauben handelte. Es gibt sogar frappierende Ähnlichkeiten zwischen der Gestalt des Mithras und der Gestalt Jesu Christi sowie Parallelen in der religiösen Symbolik und der rituellen Praxis.

Archäologisch gesichert gab es im römischen Köln mindestens zwei, wahrscheinlich sogar drei Mithras-Tempel. Einer davon, 1968 entdeckt, befand sich auf der Südseite des Doms, vereinfacht gesagt: auf dem Roncalliplatz. Merke: neben, nicht unter dem Kölner Dom. Damit ist nun die These einer Verdrängung oder gar Überlagerung durch die ersten Vorgängerbauten hinfällig.

Und als im 9. Jahrhundert der karolingische Hildebold-Dom errichtet wurde, verschwendete ohnehin niemand mehr einen Gedanken an Mithras, dessen Jüngerschaft mit dem Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion ab dem Ende des 4. Jahrhunderts immer stärker unter Druck geraten und Mitte des 6. Jahrhunderts untergegangen war.

Dass der geheimnisumwitterte Kult nun in noch geheimerer Form im Dom fortbestehe und dass dies für Eingeweihte an allerlei Gestaltungsmerkmalen erkennbar sei, das sind buchstäblich Hirngespinste: ein Weiterspinnen historischen Garns auf reiner Fantasiebasis. Da wird dann etwa gesagt, im Kölner Dom kämen dieselben Schmuckelemente vor wie in den Mithras-Heiligtümern: die Sterne im Chorgewölbe zum Beispiel oder Darstellungen der vier Jahreszeiten.

Verschwörungstheorikertum in Dan Brown-Manier

Das ist nun als „Beweisführung“ für ein Weiterleben des Mithraskults im Kölner Dom von der gleichen Qualität, als wenn man behauptete, der 1.  FC Köln und Bayern München seien in Wahrheit ein und derselbe Verein, weil beide Teams in roten Trikots spielen. Also: absurd und an den Haaren herbeigezogen. Der Direktor des Römisch-Germanischen Museums, Marcus Trier, sagt mit seriösen Worten das Gleiche: Es gibt im christlichen Dom keine Kultnachfolge des Mithräums. Und es gibt erst recht kein geheimes Weiterleben des Mithraskults.

Aber bedeutungsschwanger davon raunen kann man natürlich immer. Auch finden sich dafür stets geneigte Hörer, die der Kirche ohnehin sämtliche Schandtaten zutrauen. Der Autor Dan Brown hat es mit der antiklerikalen Variante des Verschwörungstheorikertums bekanntlich zu höchst lukrativer Meisterschaft gebracht. Leerstellen der Geschichtsschreibung werden dabei literarisch raffiniert mit teils haarsträubendem Nonsens gefüllt.

Geheimnis Kölner Dom – zur Serie

Den Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölnerinnen und Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale? Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner erzählt die spektakulärsten und spannendsten Geschichten. Das Buch Dom-Geschichten mit den gesammelten Kolumnen von Barbara Schock-Werner können Sie im KSTA-Shop kaufen.

Dieser Text ist zuerst im Mai 2020 im Kölner Stadt-Anzeiger erschienen.

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