Bis zum 19. Mai müssen Bahnreisende im Großraum Köln im Regionalverkehr zum Großteil auf Busse umsteigen.
Chaos am Bahnknoten KölnPendler suchen zum Start der Großsperrung nach Anschluss

Fragen über Fragen: Vom Busbahnhof am Breslauer Platz fährt nur ein Teil des Schienenersatzverkehrs.
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Nicht alle haben so unverschämtes Glück wie Mahmoud M. aus dem Oberbergischen, der nach seinem Irrweg über den Breslauer Platz an der provisorischen Haltestelle vor dem HRS-Hotel endlich den Bus gefunden hat, der ihn nach Horrem bringen wird, wo hoffentlich irgendein Zug nach Aachen auf ihn wartet. „Das ist meine letzte Fahrt“, sagt er und strahlt. „Ich bin am Sonntag nach Aachen gezogen. Endlich!“
Es ist ein schönes Gefühl, an diesem Montag um halb acht in der Früh auf der Rückseite des Hauptbahnhofs zwischen all den abgehetzten und ratlosen Pendlern wenigstens einen glücklichen Menschen zu treffen, dem die Großsperrung im Bahnknoten Köln, die noch 14 Tage dauern wird, ab sofort egal sein kann. Deutschlandticket ade!

Endlich gefunden: Mahmoud M. steigt in den Ersatzbus nach Horrem, von dort will er mit dem Zug weiter Richtung Aachen fahren.
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Wie so viele hat der 39-Jährige den Hauptbahnhof verlassen, ist artig den lilafarbenen Linien gefolgt, die Bahnmitarbeiter in der vergangenen Woche auf den Breslauer Platz geklebt haben und die den Weg zum Schienenersatzverkehr weisen sollen. Dummerweise hat Mahmoud den falschen Abzweig genommen und steht nun in einer Menschentraube vor dem Busbahnsteig, wo alle möglichen Ersatzbusse losfahren, nur halt keiner direkt nach Aachen.
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Der Minikreisel ist mit Gelenkbussen verstopft und jeder, der nur irgendein leuchtendes Oberteil trägt, das nach einer Warnweste aussieht, und länger als zehn Sekunden auf sein Smartphone schaut, wird automatisch zum Reisenden-Lenker. Das sind die Menschen, die von der Bahn und allen möglichen Verkehrsunternehmen abgeordnet wurden, um Ordnung in das Chaos zu bringen, aber auch nicht überall sein können.

Vor dem Kreisverkehr am Breslauer Platz stauen sich die Ersatzbusse.
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Im Hauptbahnhof ist keiner von ihnen. So müssen sich die Reisenden hier auf die vielen Bauplakate verlassen, die für jemanden, der es eilig hat, angesichts der Komplexität, was, wann, wo, wie lange und warum ausfällt oder anders fährt, natürlich keine schnelle Hilfe sein können.
Die aufgeklebten und zum Teil schon abgewetzten Fußabdrücke auf dem Boden, die aus der Halle zu den lilafarbenen Linien auf dem Breslauer Platz führen, auf denen Mahmoud falsch abgebogen ist, muss man erst einmal entdecken. Die Kathedrale des Bahnverkehrs im Rheinland ist für einen Montagmorgen nahezu menschenleer. Nur die Pendlerzüge, die aus Richtung Deutz und Mülheim hier enden, spucken wie immer Menschentrauben aus. Deren normale Arbeitswege, wenn sie hier nicht enden, sind durch die Sperrung aber völlig verändert.

Ein ungewohntes Bild: Die Halle des Hauptbahnhofs ist am Montagmorgen um acht Uhr so gut wie menschenleer.
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Folglich müssen alle auf den Bahnsteigen einspringen, die irgendwie offiziell aussehen und weiterhelfen könnten: das Sicherheitspersonal der Bahn, die Bundespolizei, ein Bautrupp, der über den Platz zieht. Jeder, der irgendwie nach KVB aussieht und ein junger Mann mit einem Kaffeebecher, der den Fehler begangen hat, direkt neben dem Treppenabgang völlig entspannt auf seinen Zug zu warten.
Alle geben sich die größte Mühe, aber wenn selbst der Fahrer des Horrem-Busses unsicher ist, ob Mahmoud nicht besser die S-Bahn über die Hohenzollernbrücke nach Deutz nehmen sollte, weil er glaubt, dass von dort ein durchgehender Zug nach Aachen fährt, folgt er lieber dem Ratschlag des Reporters, doch besser den Bus zu nehmen, auch wenn der bis Horrem an jeder Milchkanne hält.
Nach Bonn geht's nur noch mit dem Schnellbus oder der KVB
Das war’s mit der Rolle des Berichterstatters. Eine ältere Dame sucht die Haltestelle, von der ein Schnellbus nach Euskirchen abfahren soll. Eine Studentin will wissen, wie sie jetzt nach Bonn kommt. Weil ihr ein Schulterzucken nicht weiterhilft, bleibt nur der Tipp, es mit der U-Bahn zu versuchen, weil sogar die Linien 16 und 18 nach menschlichem Ermessen an einem Montagmorgen zwischen Köln und Bonn schneller sein dürften als ein Bus, der sich über eine der Rheinbrücken, das Heumarer Dreieck und die A59 zum Bonner Hauptbahnhof quälen muss.
Ein Gelenkbus nach dem anderen quetscht sich durch die Straße am Breslauer Platz. Der Schienenersatzverkehr, den die KVB zu allem Überfluss für die Linie 16 zwischen der Sebastianstraße in Niehl und dem Hauptbahnhof fahren lässt, ist völlig aus dem Takt. Zwei nahezu leere Busse hintereinander werfen gleich zwei Fragen auf: Warum muss die KVB ausgerechnet bei der größten Sperrpause in der Geschichte der Bahn in Köln zeitgleich noch fünf Weichen erneuern? Und wenn das unbedingt sein muss, warum endet dieser Ersatzverkehr nicht schon am Ebertplatz?

Der Fernverkehr in Nord-Süd-Richtung wird bis zum 19. Mai größtenteils über den Deutzer Bahnhof umgeleitet.
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Schauen wir mal rüber – in den Deutzer Bahnhof, wo die Bahn in den kommenden zwei Wochen den Großteil des Fernverkehrs in Nord-Süd-Richtung auf zwei Gleisen in der Tiefebene abwickeln muss. Erste Feststellung: Mahmoud hätte tatsächlich von hier per Zug nach Aachen fahren können, allerdings über Düsseldorf und nur mit einem ICE. Das ist nicht viel schneller als der Horrem-Bus und keine Alternative.
Die Fernzüge im Keller des Bahnhofs rollen im 15-Minuten-Takt nach Stuttgart, München, Basel. Alle pünktlich. Derart viele geplante Zugausfälle haben auch ihr Gutes. Es ist mehr Platz auf der Schiene.
Nur die Durchsagen erinnern daran, dass es neben der Großbaustelle, die die Infrastruktur-Einheit der Bahn braucht, um die Signale und Weichen auf der linken Rheinseite an ein neues elektronisches Stellwerk anzuschließen, noch die ganz normalen Alltagsprobleme gibt. Eine Regionalbahn nach Gummersbach fällt aus, weil der Zug davor so viel Verspätung hat, dass es sich offenbar nicht lohnt, den zweiten leer hinterherfahren zu lassen. Die S-Bahn nach Worringen meldet den Ausfall eines Zuges „wegen Beeinträchtigungen durch Vandalismusschäden. Wir bitten um Entschuldigung.“

Welcher Zug fällt aus? Eine Frau studiert die Baustellenpläne der Bahn in der Passage des Kölner Hauptbahnhofs.
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Zurück im Hauptbahnhof, zurück auf dem Breslauer Platz. „Entschuldigung, wir möchten zum Zoo. Wie kommen wir da hin?“ Die fragenden Blicke des jungen Pärchens, das offenbar weder über ein Smartphone noch andere Medien verfügt, die solche Fragen überflüssig machen, treffen auf einen leicht gestressten Reporter.
Zum Zoo? Sollte es tatsächlich möglich sein, dass man an diesem Montag einfach wie immer vom Breslauer Platz zum Zoo fahren kann? Ohne Schienenersatzverkehr, Vandalismusschäden und Umsteigen? Ja. Das ist möglich. „Mit der 18, drei Stationen. Sie könnten auch zu Fuß gehen. So weit ist das nicht.“