Lesung in KölnFritz Pleitgen: Putin leitet mit Krieg Ende der Präsidentschaft ein

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Fritz Pleitgen zu Gast in der Lengenfeldschen Buchhandlung. Er las aus seinen Büchern und sprach mit Arzt und Buchautor Prof. Walter Möbius.

Köln – Fritz Pleitgen weiß es auch nicht besser. Wie denn auch. Der langjährige WDR-Intendant, der zuvor ARD-Fernsehkorrespondent in Moskau, Ostberlin und Washington war, bekennt freimütig: „Ich hatte nicht geglaubt, dass Putin diese Skrupellosigkeit aufbringt und sein friedfertiges Nachbarvolk überfällt und dies mit dicken Lügen begründet.“

Ukraine-Lage wird bei Gespräch in Lengenfeld'scher Buchhandlung schnell Thema

Selbstverständlich dauerte es in der Lengfeld’schen Buchhandlung in Köln nicht lange, bis der Überfall auf die Ukraine zur Sprache kam. Zwar war Fritz Pleitgen eingeladen worden, um seine jüngsten Publikationen vorzustellen: das Russland-Buch „Frieden oder Krieg“ (Ludwig Verlag 2019, mit Michail Schichkin) und das Mauerfall-Buch „Eine unmögliche Geschichte: Als Politik und Bürger Berge versetzten“ (Herder 2021). Doch im Gespräch mit dem Autor und Arzt Walter Möbius – „Der Krankenflüsterer“ erschien 2015 im DuMont Buchverlag - konnte die Aktualität nicht außen vor bleiben.

Einmal sei er Wladimir Putin begegnet, erzählte Pleitgen. Damals habe er mit ihm an einem Tisch gesessen und über Literatur diskutiert. „Da fand ich ihn ganz passabel im Umgang.“ Aber davon durfte man sich selbstverständlich nicht täuschen lassen. „Das ist ein ganz kalter Machtpolitiker, der den Krieg immer noch als ein Mittel der Politik ansieht.“ Wie das sein könne? „Er hat ja sonst nichts – er hat nur das Militär, mit dem er auftrumpfen kann.“

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Der Westen hat nach Fritz Pleitgens Einschätzung schon viel getan in dem Bemühen, den Krieg in der Ukraine einzudämmen. „Viel mehr kann er nicht tun.“ Schließlich wolle keiner – und da sprach er das Publikum in der vollbesetzten Buchhandlung ebenso an wie die Zuschauerinnen und Zuschauer des Livestreams – eine militärische Intervention mit all ihren Konsequenzen.

Pleitgen überzeugt: Putin hat mit Krieg Ende seiner Präsidentschaft eingeleitet

Es geht Pleitgen wie wohl allen Beobachtern: „Wie wir aus dem Schlamassel rauskommen, weiß ich auch nicht.“ Aber sicher ist er sich in der Prognose, dass Putin mit diesem Krieg den Anfang vom Ende seiner eigenen Präsidentschaft eingeleitet habe. Da vermutet er auch Widerstand im eigenen Land: „In Russland hat man es nicht gerne, wenn das eigene Land als Paria betrachtet wird.“ So steht der größte Verlierer des Krieges bereits fest: Putin. Getreu den Versen aus Bertolt Brechts „Lied von der Moldau“, die Pleitgen zitierte: „Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. / Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.“

Dass Fritz Pleitgen ein Großmeister des deutschen Fernsehjournalismus ist, der nicht nur viel erlebt hat, sondern davon auch blendend erzählen kann, ist weithin bekannt. Der Kniff, mit dem er sich in der DDR einmal Zutritt zur Leipziger Messe verschafft hat, ist nur eine Anekdote von vielen: Am Eingang habe er seinen alten Führerschein aus der Sowjetunion – „knallrot, mit Hammer und Sichel“ - hervorgeholt, worauf der Sicherheitsmann zackig salutierte und den Weg freimachte.

Das Gespräch in der Lengfeld’schen wartete allerdings nicht nur mit Politischem und Professionellem auf, sondern auch mit dem Allerprivatesten. „Wie ein Partisan“, sagte Pleitgen, habe sich bei ihm „der Bauchspeicheldrüsenkrebs angeschlichen.“ Das Heimtückische an diesem Krebs sei, dass er wenige Symptome zeige. Nach der „etwas ernüchternden“ Diagnose im Jahre 2020 habe er, der zehn Jahre lang Präsident der Deutschen Krebshilfe war, mit seinem Leben abgeschlossen.

Doch der Spezialist in Heidelberg habe ihm versichert, dass er nicht nur das Buch „Die unmögliche Geschichte“, an dem er gerade arbeitete, würde vollenden können, sondern noch mindestens fünf weitere Bücher. Dazu passt der Pleitgen-Spruch: „Nichts ist unmöglich – auch nicht das Gute.“

Auf die Frage, wie denn der Titel eines nächsten Buches lauten könnte, musste der Gast nicht lange nachdenken: „Die Pleitgens“. Auch hielt er mit der Begründung nicht hinterm Berg: „Was Thomas Mann geschafft, das muss ich doch auch schaffen: eine Familiengeschichte zu schreiben.“

Allerdings räumte Pleitgen ein, dass dafür die Zustimmung der Ehefrau erforderlich sei, die ihn dann wieder nur an seinem Schreibtisch antreffen würde. Vielleicht sollte Fritz Pleitgen mit der Anfrage bis zum Montag warten: Dann wird er 84 Jahre alt – und an so einem Geburtstag darf man sich ja immer etwas wünschen.

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