Rebekka Severins übt ihren Job gerne aus – auch wenn er mit erheblichen Belastungen verbunden ist.
Copyright: Arton Krasniqi
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Rebekka Severins arbeitet als eine von ganz wenigen Frauen im Justizvollzug.
Ihr Arbeitsalltag bringt es mit sich, dass sie ein gutes Gespür für Situationen entwickelt hat, in denen es brenzlig werden könnte.
Auf Macho-Sprüche reagiert Rebekka Severins auf ihre eigene Weise.
Frau Severins, Sie arbeiten seit elf Jahren im Strafvollzug. Wie kam es dazu?
Mein Traum war es, zur Polizei zu gehen und da speziell zur Reiterstaffel. Leider gab es zu der Zeit dort einen Einstellungsstopp. Kurzentschlossen habe ich eine Ausbildung als Zahnarzthelferin gemacht, aber nach der Ausbildung war ich damit unzufrieden, unter anderem auch mit der Bezahlung. Mit einem Gehalt von 1000 Euro netto war es schwierig einen eigenen Haushalt zu betreiben. Dann traf ich einen Bekannten, der bei der Justiz arbeitete. Was der erzählte, hörte sich gut an. Meine Freundin war auch Beamtin. Ich habe den Einstellungstest erfolgreich absolviert und konnte nach der amtsärztlichen Untersuchung zeitnah bei der JVA Köln meinen Dienst beginnen. Als Justizvollzugsbeschäftigte hatte ich direkt eine Eingangsbesoldung von 1600 Euro.
Wie reagieren die Leute darauf, wenn Sie hören, dass Sie im Strafvollzug arbeiten?
Die meisten sind sehr interessiert und wollen wissen, wie der Umgang mit den Inhaftierten so läuft und was die alltäglichen Aufgaben sind. Viele können sich nur schwer vorstellen, wie ich als Frau in einer Männerabteilung, arbeite. Ich bin oft die einzige weibliche Bedienstete in meinen Bereich.
Was sagen Sie, wenn man Sie als „Schließerin“ bezeichnet?
Viele Berufe werden in der Öffentlichkeit anderes bezeichnet. Wir machen ja viel mehr als nur das Einschließen. Generell ist unser Aufgabengebiet die Versorgung, Betreuung und Beaufsichtigung der Gefangenen. Es kommt regelmäßig vor, dass Häftlinge das Gespräch mit mir suchen, wenn sie Sorgen und Nöte haben. Viele haben familiäre Probleme. Das Kind ist im Krankenhaus, die Frau meldet sich nicht mehr oder hat die Beziehung beendet. Dann fallen die Gefangenen in ein Loch.
Welche besonderen Belastungen bringt der Alltag für Sie in Ihrem Beruf mit sich?
Wir haben viele psychisch auffällige Inhaftierte. Wenn man einen Suizidversuch erlebt, nimmt einen das natürlich mit. Ich habe schon mal mit einem Kollegen einen Gefangenen vom Gitter abgeschnitten, der sich erhängen wollte. Der Gefangene hat zum Glück keine bleibenden Schäden davongetragen. Er ist dann in ein anderes Hafthaus verlegt worden, aber ich habe ihn später wieder getroffen. Dabei hat er sich dafür bedankt, dass wir ihm das Leben gerettet haben. Und sich dafür entschuldigt, dass er mir einen Schrecken eingejagt hat.
Blick auf den Gefängnishof durch Gitterstäbe – der Alltag in der Justizvollzugsanstalt Ossendorf wirkt trist.
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Hat er gesagt, warum er sich umbringen wollte?
Ja, er hatte Angst vor der Gerichtsverhandlung und der eventuellen anschließenden Sicherungsverwahrung.
Wissen Sie von allen Gefangenen den Haftgrund?
Natürlich steht das in den Akten. Ich versuche das aber auszublenden. Ich konzentriere mich auf den Menschen, den ich vor mir habe und nicht so sehr auf das Delikt.
Gibt es auch sexistische Bemerkungen von Gefangenen? Wenn ja, geht es um Provokation oder Anmache?
Sowohl als auch. Mich lässt das aber kalt, und das zeige ich auch. Das passiert in der Regel einmal und nie wieder.
Gibt es besondere Probleme mit arabischen Gefangenen? Viele Polizistinnen werden von Arabern nicht als Amtsperson respektiert. Erleben Sie das auch?
Nein, das habe ich noch nicht erlebt. Bei uns ist ja die Ausgangsposition anders. Die Gefangenen müssen zum Teil über Jahre mit mir klar kommen. Wenn sie ein Anliegen haben, müssen sie sich mit mir auseinandersetzen.
Nach positiven Schnelltests befinden sich derzeit 22 Beamtinnen und Beamte in Quarantäne.
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Sind Sie schon mal bedroht worden?
Das gibt es leider auch. Zum Beispiel dann, wenn man bei einer Zellenkontrolle etwas Verbotenes gefunden hat. Oder wenn man etwas verbieten muss, was der Gefangene gerne möchte, zum Beispiel außer der Reihe duschen gehen oder Tabak holen. »Sie werden schon sehen, irgendwann komme ich raus«, habe ich schon gehört.
Nehmen Sie das ernst?
Das sollte man. Wir melden das und beobachten die Situation. Unter Umständen wird auch die Polizei informiert. Wenn es ernsthafte Konflikte mit einem Gefangenen gibt, wird er aus Sicherheitsgründen verlegt.
Haben Sie im Dienst schon mal Angst bekommen?
Nein. Angst nicht. Aber ich habe Respekt vor verschiedenen Situationen und Personen. Manchmal randalieren Gefangene in ihren Zellen. Psychisch auffällige Gefangene sind schwer einzuschätzen. Manche sind verwahrlost, reden wirres Zeug und sind kaum ansprechbar. Solche Leute lasse ich keine Sekunde aus dem Auge. Wenn man jemandem nicht traut, darf man ihm nie den Rücken zukehren. Wer hier arbeiten will, darf nicht ängstlich sein.
Welche Verbesserungen würden Sie sich wünschen?
Das Bild vom Strafvollzug sollte in der Öffentlichkeit fairer dargestellt werden. Die Presse berichtet meist nur über Missstände und über Gefangene, die nach der Haft rückfällig werden. Es gibt auch eine erhebliche Zahl von Inhaftierten, die wir nie wieder sehen. Bei denen hat die Resozialisierung gewirkt.
Ist der Vollzug in Deutschland hart genug, um Straftäter abzuschrecken?
Die Rahmenbedingen des Vollzugs in Deutschland sind gesetzlich festgelegt. Wir bieten Freizeitaktivitäten auch im Rahmen von Gruppenveranstaltungen, Sport und Deutschkurse an. Die Gefangene können sich einen Fernseher mieten. In anderen Ländern ist der Vollzug natürlich deutlich härter. Aber auch bei uns gibt es strenge Regeln. Wer sich nicht daran hält, verliert seine Vollzugslockerungen. Gefangenen, die besonders gefährlich oder renitent sind, kann der Kontakt zu anderen Inhaftierten sogar völlig untersagt werden.
In den Gefängnissen werden immer wieder Handys gefunden, obwohl sie dort streng verboten sind. Wie gelangen die Ihrer Meinung nach in die Anstalt?
Im Hafthaus 7 der Kölner Justizvollzugsanstalt sind ausschließlich Männer unterbracht.
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Die Justiz hat Nachwuchsprobleme. Sind die Tests zu schwer?
Ich finde nicht. Der Sporttest ist zwar anstrengend, aber auch der ist zu schaffen, wenn man eine gute Grundkondition hat. Auf die schriftlichen Tests kann man sich gut vorbereiten. Das finde ich zumutbar.
Können Sie gut abschalten?
Man muss sich einen Ausgleich suchen. Bei mir ist das das Reiten. Ich gehe aber auch ins Fitnessstudio, um mich auszupowern.
Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ihr Nachbar ein Ex-Häftling wäre?
Wenn ich ihn kennen würde, wäre das sicherlich unangenehm. Das beruht aber bestimmt auf Gegenseitigkeit.
Haben Sie schon mal Häftlinge nach der Haftverbüßung draußen getroffen?
Ja, in der Kölner Innenstadt ein paar Mal. Manche haben sich gefreut und mich angesprochen. Dann gehe ich nicht mit geschlossenen Augen daran vorbei. Ist doch klar, dass man ein paar Sätze wechselt.
Hat der Umgang mit Strafgefangenen Ihre Weltsicht verändert?
Ganz klar. Meine Eltern meinen, ich sei härter geworden. Viele Nachrichten über Verbrechen erschüttern mich nicht mehr so wie Leute, die in ihrem Alltag nicht mit Straftätern und dem Wissen über deren Vergangenheit zu tun haben. Aber es gibt noch einen weiteren Punkt. Ich habe durch meine Tätigkeit im Gefängnis einfach ein gutes Gespür für Situationen entwickelt, in denen es Ärger geben könnte. Ich habe einen Blick für Leute, die suchtkrank sind oder vor denen man auf der Hut sein muss. Wenn meine Freunde durch solche Gruppen durchlaufen wollen, ziehe ich sie zurück. Sie sind dann überrascht, wenn ich sage, dass wir lieber einen Umweg machen sollten.
Wäre es gut, wenn mehr Frauen im Männervollzug arbeiten würden?
Ich denke schon. Die männlichen Inhaftierten sind dann oft freundlicher und benehmen sich besser. Ich finde, dass Klima ist dann etwas entspannter. Ich bin auch sehr penibel, was Sauberkeit und Hygiene angeht.
Gucken Sie Gefängnisserien?
Nein. Die Vollzugsbeamten werden oft als korrupt dargestellt. Das falsche Bild, das dadurch in der Öffentlichkeit entsteht, ist für viele Kollegen, die hart und ohne Tadel arbeiten, ein Schlag ins Gesicht.